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eine Draht spiralförmig um den anderen gewunden ist, ohne ihn jedoch zu berühren, auch auf einen genäherten Strom durchaus keinen Einflufs hat; ihn weder anzieht, noch abstöfst.

Daraus folgt, dafs diese Spirale gerade so nach aufsen wirkt, wie der eine der beiden in Fig. 203 ausgespannten geraden Drähte, dafs man also jeden geraden Leiter durch einen beliebig gekrümmten, dessen Krümmungen aber nur wenig von der Geraden abweichen, ersetzen kann.

Aus den im Bisherigen bewiesenen Sätzen über das Verhal

Fig. 203.

Fig. 204.

ten paralleler und gekreuzter Drähte lassen sich nun sofort noch einige Folgerungen ziehen, die wir betrachten wollen, ehe wir zur Ableitung des elektrodynamischen Grundgesetzes übergehen ').

Ist Fig. 205 ab ein begrenzter Strom, d. h. ein Strom, welcher den zweiten AB nicht kreuzt, sondern ganz an einer Seite desselben ist, an welcher der Strom AB vorüberfliefst, der also gegen ab ein unbegrenzter ist, so wird jedes Element des Stromes ab von der einen Seite AC des unbegrenzten Stromes angezogen, von der anderen CB abgestofsen; diese beiden Kräfte setzen sich zu einer Resultante zusammen, welche ab parallel mit sich selbst nach A hin fortzuschieben sucht. Man kann diese Wirkung benutzen, um eine kontinuierliche Rotation hervorzubringen. Auf

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einem Fufsbrett F (Fig. 206) ist eine kreisförmige Quecksilberrinne 77 befestigt; in der Axe derselben ist die leitende Säule s aufgestellt, welche oben ein Quecksilbernäpfchen trägt. In das Quecksilber desselben taucht die Spitze, welche den rechteckig gebogenen Kupferdraht lol' trägt; die

1) Ampère, Mémoire sur la théorie etc. p. 217 ff.

Enden des Kupferdrahtes sind mit Platinspitzen versehen, welche in das Quecksilber der Rinne qq eintauchen.

Das Quecksilber der Rinne ist durch einen Draht mit der Klemmschraube k, die Säule s mit der Klemmschraube k ́ in leitender Verbindung.

Um die Quecksilberrinne herum ist in mehrfachen Windungen ein mit Seide übersponnener gut gefirnisster Kupferdraht gelegt, dessen eines Ende mit der Klemmschraube K, dessen anderes mit der Klemmschraube K ́ in Verbindung steht.

Verbindet man nun die vier Klemmschrauben mit den Polen einer Batterie, so dafs durch die um die Rinne gelegten Kupferdrähte wie durch den aufgehängten Leiter ein Strom geht, so rotiert der bewegliche Leiter, je nach der Richtung der beiden Ströme in dem einen oder anderen Sinne. Ist z. B. k mit dem positiven Pole verbunden, so dafs der Strom aus der Quecksilberrinne in den beiden Drähten aufsteigt, in der Säule s wieder absteigt, und cirkuliert der Strom in den um die Rinne gelegten Drähten in der Richtung des Pfeiles, so rotiert.der Leiter so, dafs der Arm aus der augenblicklichen Stellung in der Zeichnung nach vorn kommt, der Arm l'aber nach hinten geht.

Die senkrechten Ströme 7 und sind in Bezug auf den Kreisstrom, welcher um die Quecksilberrinne herum läuft, begrenzt, und jedes Element des Kreisstromes, über welchem sie augenblicklich stehen, verhält sich zu denselben wie AB zu ab Fig. 205. Nach dem Satze über die gekreuzten Ströme wird daher ' von dem vor ihm liegenden Kreiselemente nach hinten gestofsen, von dem hinter ihm liegenden nach hinten gezogen, das Umgekehrte gilt für ; der Erfolg dieser Wirkungen ist, dafs die Ströme in jedem Augenblicke parallel mit sich selbst in der Richtung des Kreiselementes verschoben werden, dafs also der Leiter um die Axe rotiert.

Kann sich der Leiter ab Fig. 207 nicht parallel mit sich selbst fortbewegen, sondern ist er im Punkte a drehbar befestigt, so gerät er in

A

Fig. 207.

d

a

b

B

folge der Einwirkung des Stromes AB in eine kontinuierliche Rotation. Denn in der Stellung ab Fig. 207 wird er, wie wir sahen, gegen A hingetrieben; da aber das Ende a fest ist, dreht er sich in die Lage ac, parallel zu AB. In dieser Lage stofsen sich die parallelen aber entgegengesetzt gerichteten Ströme ac und AB ab, der Leiter ac wird sich daher weiter nach ad bewegen. Da aber in dieser Lage die Richtung des Stromes in ad in Bezug auf AB entgegengesetzt ist als in der Lage ab, so wird durch die Einwirkung des Stromes der Leiter jetzt nach ae getrieben; aus dieser Lage zieht ihn der jetzt mit dem im Leiter ae befindlichen gleichgerichtete Strom AB nach unten hin u. s. f. Um diese Rotation darzustellen, wendet man den Apparat Fig. 208 an, der sich von dem Fig. 206 dargestellten nur dadurch unterscheidet, dafs anstatt der Säule s nur der kleine metallische Aufsatz a angebracht ist; auf demselben liegt der lineare Leiter cae, welcher an seinen Enden mit Platinspitzen versehen ist, die nur soweit umgebogen sind, dafs sie eben in das Queck

Fig. 208.

silber der Rinne 99 eintauchen. Man verbindet dann wie früher die Klemmschrauben K mit den Polen einer Batterie und legt neben die Quecksilberrinne einen geradlinigen Stromleiter AB. Sind die Ströme in den einzelnen Teilen gerichtet, wie die Pfeile andeuten, So ist der Fig. 207 schematisch angedeutete Fall realisiert.

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§. 115.

Elektrodynamisches Grundgesetz. Die im vorigen Paragraphen mitgeteilten Erfahrungen reichen hin, um im allgemeinen die mechanischen Einwirkungen zweier Ströme zu charakterisieren; aber sie zeigen zunächst nur die Resultate sehr verwickelter Kräfte. Um diese Kräfte kennen und im einzelnen bestimmen zu lernen, müssen wir nun, in ähnlicher Weise, wie wir es bei dem Magnetismus gethan haben, mit Hilfe der vorgeführten Versuche zunächst die Wechselwirkung zweier Stromelemente ihrer Gröfse nach und nach der Abhängigkeit von ihrer gegenseitigen Lage bestimmen.

Die mitgeteilten Versuche reichen hin, um die Form des Gesetzes zu erhalten, nach welchem zwei Elemente auf einander wirken.

Nehmen wir zunächst an1), dafs die zwei auf einander einwirkenden unendlich kleinen Elemente ds und ds' Fig. 219 in einer geraden Linie liegen, so ziehen sie sich an oder stofsen sich ab parallel der geraden Linie r, welche die Elemente verbindet.

Sind die Elemente wie do und do' einander parallel, so wird die Anziehung oder Abstofsung derselben parallel der die Mittelpunkte der Elemente verbindenden Geraden gerichtet sein. Für diese beiden von Ampère gemachten Annahmen hat Liouville) folgenden Beweis geliefert.

ds

dof.

а

Fig. 209.

d

ds'

Für den ersten Fall genügt folgende Bemerkung. Falle die Wirkung nicht inr, sondern etwa in die Linie ad, welche irgend einen Winkel mitr bildet, so folgt daraus, dafs jedes der Elemente auf allen Seiten ganz gleich beschaffen ist, dafs ebenso gut wie nach ad die Wirkung auch nach allen Richtungen, welche auf dem Mantel des Kegels liegen, der durch Rotation von ad um r als Axe erzeugt wird, gerichtet sein müsste.

Die aus allen diesen gleichen Kräften hervorgehende Resultante ist aber parallel r, so dafs also jedenfalls die Anziehung oder Abstofsung der beiden Elemente parallel r ist.

1) Ampère, Mémoire sur la théorie etc. p. 200 ff.
2) Liouville, Annales de chim. et de phys. T. XLI.

Wenn in dem zweiten Falle die Kraft eine andere Richtung hätte als parallel r, so könnten wir diese in eine mit r parallele und eine zu r senkrechte Komponente zerlegen, sei letztere so, dafs das Element de'. wenn do festläge, nach unten getrieben würde. Kehrten wir dann die beiden Elemente um, so dafs, was jetzt unten ist, dann oben wäre, oder was dasselbe ist, kehren wir in beiden den Strom um, so müsste do auch nach oben getrieben werden, da die vorher nach unten gerichtete Komponente nach oben gerichtet sein müfste. Nun haben wir aber in den Versuchen immer gesehen, dafs, wenn in den beiden auf einander wirkenden Leitern die Ströme umgekehrt werden, ihre Wirkung auf einander dieselbe bleibt; es mufs daher die senkrechte Komponente gleich null sein.

Es folgt sonach, dafs die Wirkung der Elemente in beiden Fällen parallel der Verbindungslinie ihrer Mittelpunkte ist.

Die beiden auf einander einwirkenden Elemente können drittens so liegen, dafs das eine ds Fig. 210 parallel der Verbindungslinie, das andere

ds

r

Fig. 210.

ds' aber dazu senkrecht ist. Die Wirkung der beiden Elemente auf einander mufs dann gleich O sein. Denn wäre das nicht der ds' Fall, zögen sie sich z. B. an, wenn in dem Elemente ds' der Strom nach oben gerichtet ist, so müssten sie sich nach den vorigen Versuchen, nach welchen die Anziehung zweier Ströme in Abstofsung übergeht, wenn die Richtung des einen umgekehrt wird, abstofsen, wenn in ds' der Strom nach unten fliefst. Wenn wir aber ohne die Richtung des Stromes in ds' zu ändern. die ganze Vorrichtung Fig. 210 um 180° drehen, so mufs die Anziehung dieselbe bleiben wie in der jetzigen Lage; dann liegen aber die Ströme gerade so zu einander, als wenn wir in der jetzigen Lage den Strom in ds' umkehren. Wir gelangen also bei der Annahme, dafs eine Einwirkung stattfinde, zu einem Widerspruche, woraus folgt, dafs keine Einwirkung stattfinden kann').

1) Stefan macht in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie Bd. LIX (Aprilheft 1869) darauf aufmerksam, dafs in diesem Falle eine transversale Wir kung der Elemente und zwar in der durch ds, r, ds' gelegten Ebene nach den vorliegenden Erfahrungen nicht ausgeschlossen ist. Die Wirkung kann parallel der Richtung des Stromes ds' oder die entgegengesetzte sein. Die Erfahrung, dafs die Umkehr eines Stromes die Wirkung zweier Ströme auf einander in die entgegengesetzte verwandelt, führt nämlich in diesem Falle nicht zu einem Widerspruch. Nehmen wir an, dafs die transversale Wirkung nach der Richtung des Stromes ds' erfolgt, so mufs die Umkehr eines der Ströme die Wirkung in die entgegengesetzte verwandeln, das heifst, wenn in der Lage Fig. 210 ds' nach oben getrieben wird, mufs, wenn der Strom in der entgegengesetzten Richtung fliefst, das Element ds' nach unten getrieben werden. Da eine Drehung der Figur um als Axe um 180° die Richtung des Stromes ebenfalls ändert, so mufs auch diese Drehung die Richtung der Wirkung ändern, was in diesem Falle keinen Widerspruch in sich schliefst. Dasselbe gilt von der Wirkung ds auf ds. Im Laufe seiner Untersuchung weist indes Stefan nach, dafs bei der Berechnung der Wirkung geschlossener Ströme die von diesen Wirkungen abhängigen Glieder aus den Gleichungen herausfallen, resp. dafs die Ampèresche Annahme, diese Wirkungen seien gleich null, zu ganz denselben, der Erfahrung

Ebenso kann keine Einwirkung stattfinden, wenn beide Elemente senkrecht zur Verbindungslinier und zu einander sind. Denn denken wir uns das Element ds Fig. 211, in welchem der Strom nach unten fliefsen soll, senkrecht nach oben nach ds" hin versetzt, und werde ds' jetzt angezogen, so mufs, wenn der Strom in ds" umgekehrt wird, also von der Ebene mnop fortfliefst, ds' abgestofsen werden.

Der Strom fliefst aber ebenso von der Ebene fort, wenn ds von der Ebene nach unten, nach ds" verschoben wird, also auch dann mufs ds' abgestofsen werden.

Die Anziehung mufs in Abstofsung übergehen, wenn ds die Ebene passiert, dort mufs demnach die Wirkung gleich O sei.

m

Fig 211. ds

ds

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n.

Es bleiben demnach von den betrachteten Fällen nur die beiden Fig. 209 dargestellten, in welchen zwei Elemente auf einander einwirken; betreffs der übrigen Fälle wollen wir noch bemerken, dafs diese Nachweise der Unwirksamkeit nur gültig sind, wenn die Elemente gegen ihre Abstände unendlich klein sind, dafs sie nicht gelten, wenn die Leiter eine endliche Ausdehnung haben. Sobald das der Fall ist, müssen wir die Leiter wieder in unendlich kleine Elemente zerlegen, und die Lage der einzelnen Elemente gegen einander wird dann eine andere.

Um nun die Einwirkung der beiden Elemente in den wirksamen Lagen bestimmen zu können, machen wir folgende Annahmen'):

1) Die Anziehung oder Abstofsung der Elemente ist proportional der in der Zeiteinheit durch dieselben hindurchfliefsenden Elektricitätsmenge.

2) Sie ist umgekehrt proportional einer Potenz n der Entfernung, wo wir von n nur voraussetzen, dafs es eine ganze Zahl ist.

Ist demnach i die Intensität des Stromes, zu welchem ds, i' jene des Stromes, zu welchem ds' gehört, so ist die Einwirkung der beiden Elemente im Abstander auf einander:

a) wenn die Elemente parallel sind

cii' ds ds'

n

b) wenn die Elemente in die Verbindungslinie fallen

c'ii' ds ds'

n

Die beiden Konstanten c und e' in diesen Formeln lassen sich auf eine zurückführen; drücken wir nämlich die Stromstärken in solchem Mafse aus, dafs in der Abstandseinheit und bei der Einheit der Stromstärke die Einwirkung der beiden Elemente, wenn sie einander parallel

entsprechenden Ausdrücken führe. Wir werden daher im Folgenden die einfachere Ampèresche Annahme beibehalten, und von diesen möglichen Wirkungen absehen.

1) Ampère, Mémoire sur la théorie etc. p. 201 ff.

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