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richtung fallen könne. Indem Clausius im übrigen mit Weber annimmt, dafs die Wirkung bewegter Elektricität von den Geschwindigkeiten und Beschleunigungen abhängt, bestimmt er die zur Darstellung der Einwirkung zweier elektrischer Teilchen erforderlichen Funktionen mit Hilfe der Sätze über die Einwirkung geschlossener Ströme auf einander und aut ruhende Elektricität, welche erfahrungsmäfsig feststehen. Er gelangt schliesslich zu dem Resultate, dafs ebenso nach diesen Annahmen wie nach denen von Weber zwischen zwei bewegten elektrischen Teilchen ein Potential bestehe, welches folgende Form hat

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worin K eine Konstante, v und v' die absoluten Geschwindigkeiten der elektrischen Teilchen e und e', und & den Winkel bedeuten, welchen die Bewegungsrichtungen der elektrischen Teilchen mit einander bilden').

Der wesentliche Unterschied des aus den Entwicklungen von Clausius sich ergebenden Potentials und des Weberschen ist hiernach der, dafs in dem Weberschen Potential nur die relativen Geschwindigkeiten der beiden elektrischen Teilchen und zwar nur in soweit, als sich durch dieselben der Abstand derselben ändert, eingehen, während Clausius die absoluten Geschwindigkeiten der Teilchen enthält. Was diese absolute Geschwindigkeit sein soll, definiert Clausius genauer), indem er ausspricht, dass er annehme, dafs die Wechselwirkung zwischen zwei Teilchen durch ein zwischen denselben befindliches Zwischenmedium vermittelt werde. Bei dieser Annahme darf man von zwei Teilchen, welche sich mit gleicher Geschwindigkeit nach gleicher Richtung bewegen, also relativ zu einander in Ruhe sind, nicht erwarten, dafs sie sich ebenso verhalten wie zwei wirklich ruhende Teilchen, denn während die letztern nicht nur relativ zu einander, sondern auch relativ zu dem Medium ruhen, befinden sich die erstern relativ zu dem Medium in Bewegung. Die absoluten Geschwindigkeiten von Clausius bedeuten demnach die relativen Geschwindig keiten gegenüber dem Medium, welches die elektrischen Wirkungen vermittelt, sind also nur in dem Falle absolute Geschwindigkeiten, wenn man sich das vermittelnde Medium als ein absolut ruhendes denkt. Nähme man an, dafs dieses Medium mit der Erde sich bewege, würden die Geschwindigkeiten v und v' diejenigen relativ zur Erde sein. Letztere Annahme würde nach den Entwicklungen von Fröhlich notwendig sein.

Clausius' Einwurf gegen das Webersche Gesetz zweifelt, wie man sieht, nicht die Zulässigkeit desselben an, weil dasselbe festgestellten Erfahrungsthatsachen oder allgemein anerkannten Principien widerspräche, sondern weil dasselbe eine specielle Voraussetzung über die Natur des elektrischen Stromes macht; in dem Sinne ist das Gesetz von Clausius allgemeiner,

1) Clausius, a. a. O., ferner Wiedem. Ann. Bd. I, Mechanische Wärmetheorie II. Bd. Wiedem. Ann. Bd. XI.

2) Clausius, Poggend. Ann. Bd. CLVI. Wiedem. Ann. Bd. X. Über das Clausiussche Grundgesetz sehe man auch Zöllner, Poggend. Ann. Bd. CLX, Wiedem. Ann. Bd. II. Clausius, Wiedem. Ann. Bd. II. Fröhlich, Wiedem. Ann. Bd. IX, Bd. XII. Lorberg, Journal für reine und angewandte Mathematik Bd. LXXXIV.

denn nach demselben kann das Geschwindigkeitsverhältnis der beiden Elektricitäten ein ganz beliebiges sein. Die Voraussetzungen, auf denen das Gesetz von Clausius beruht, sind indes ohne Zweifel komplizierter als jene, welche Weber seiner Entwicklung zum Grunde legt, denn für die Entwicklungen von Clausius ist die Annahme eines die elektrischen Kräfte vermittelnden Mediums erforderlich, da nur bei Annahme eines solchen die Einführung der absoluten Geschwindigkeiten zulässig ist; dieses Medium können nicht die Faradayschen Dielektrica sein. Noch aus einem andern Grunde mufs, wie Riecke in einer sehr interessanten Abhandlung über das ponderomotorische Elementargesetz der Elektrodynamik') nachweist, dieses Zwischenmittel von Clausius angenommen werden. Riecke zeigt nämlich, dafs das Clausiussche Gesetz, soweit es sich nur auf die Wechselwirkung der elektrischen Teilchen erstreckt, gegen das Princip der Gleichheit von Aktion und Reaktion verstöfst. Der schwerwiegende Einwand, bemerkt Riecke, welcher sich hieraus gegen das Gesetz von Clausius ergeben würde, wird dadurch gehoben, dafs dasselbe ein fragmentarisches Gesetz ist, da nach der Vorstellung von Clausius die Wechselwirkung zweier elektrischer Teilchen keine unmittelbare ist, sondern vermittelt wird durch ein unbekanntes den Zwischenraum zwischen denselben erfüllendes Medium; das Gesetz von Clausius bestimmt nur die auf die elektrischen Teilchen resultierende Wirkung und läfst die auf jenes vermittelnde Medium wirkenden Kräfte ganz unbestimmt.

Bei der Wahl zwischen dem Grundgesetze von Weber und dem von Clausius kann man nur die Frage stellen, da beide auf Hypothesen beruhen, beide die Erfahrungsthatsachen gleich gut wiedergeben, durch welches der beiden Gesetze wird unser Causalitätsbedürfnis am besten befriedigt, welches ist also das einfachere. Diese Frage wird der eine so, der andere anders entscheiden, ich kann mich da nur für das Webersche Gesetz aussprechen, da, wie Riecke in der oben angeführten Abhandlung ganz richtig sagt, das Gesetz von Weber die elektrodynamischen Erscheinungen nur von bekannten Verhältnissen abhängig macht, während das Gesetz von Clausius eines vermittelnden Körpers bedarf, von dessen Existenz und Eigenschaft wir nicht die mindeste Kenntnis besitzen. Selbst wenn wir genötigt wären, die Webersche Auffassung des Stromes aufzugeben, dafs in demselben beide Elektricitäten mit entgegengesetzt gleicher Geschwindigkeit sich bewegen, fragt es sich immer noch, ob die sich dann aus demselben ergebenden Wirkungen zwischen einem ruhenden Strom und einer ruhenden Elektricitätsmenge von einer solchen Gröfsenordnung sind, dafs sie beobachtet werden können. Würde sich so ein Widerspruch zwischen dem Weberschen Gesetze und der Erfahrung ergeben, so müsste dasselbe selbstverständlich aufgegeben werden. Bis dahin ist dasselbe beizubehalten.

§. 120.

Richtung der Ströme unter dem Einflusse der Erde. Wir haben bereits im §. 114 erwähnt, dafs ein einfacher in Form eines Vierecks oder eines Kreises gebogener Leiter, am Ampèreschen Gestelle aufgehängt, eine

1) Riecke, Abhandl. der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen Bd. XXIV. Göttingen 1879.

bestimmte Lage annimmt; er stellt sich so, dafs seine Ebene senkrecht ist zur Ebene des magnetischen Meridians, und dafs der Strom an der Westseite des Meridians aufsteigt, dafs also in dem untersten horizontalen Teilder Strom von Osten nach Westen fliefst, oder das von Norden her angesehen die Richtung des Stromes entgegengesetzt ist der Richtung der Bewegung eines Uhrzeigers1).

Man kann diese Einstellung einer Stromebene schon bei Anwendung eines einfachen Leiters beobachten; leichter sieht man es aber, wenn man anstatt eines Leiters einen Stromkreis anwendet, welcher wie bei dem Weberschen Dynamometer aus einer grofsen Zahl von Windungen übersponnenen Kupferdrahtes besteht; auf die Webersche Bifilarrolle ist, wie wir sahen, bei noch nicht sehr starken Strömen die Direktionskraft durch den Einfluss der Erde ziemlich bedeutend. Dieser Direktionskraft wegen mufste bei dem Dynamometer die Bifilarrolle stets so gehängt werden, das in ihrer Gleichgewichtslage die Ebene derselben senkrecht zur Ebene des magnetischen Meridianes war. Mit Hilfe dieser Direktionskraft ist es auch leicht zu erkennen, ob die Ebene der Bifilarrolle senkrecht zur Ebene des Meridians ist; denn leitet man durch dieselbe einen Strom, während durch den Multiplikator kein Strom geht, so wird sich infolge dieser Direktionskraft die Stellung der Rolle sofort ändern, wenn die Ebene der Rolle nicht zum Meridiane senkrecht ist, sie wird je nach der Richtung des Stromes der senkrechten Stellung näher gebracht oder von ihr entfernt.

Dieser Einfluss der Erde auf die Stellung von Ebenen, welche von galvanischen Strömen umflossen werden, ist so, als wenn die Erde von einem Strome in der Richtung vom magnetischen Osten nach dem magnetischen Westen umflossen würde. Denn denken wir uns einen Strom OW Fig. 222 und über demselben ein von einem Strome umflossenes Quadrat

W

Fig. 222.

b

a

a

E

D

um eine zu O W senkrechte Axe drehbar, das zugleich so weit von OW entfernt ist, dafs sein Durchmesser gegen die Entfernung verschwindend klein ist, so kann durch die Einwirkung des Stromes OW dem Quadrat abcd keine translatorische Bewegung erteilt werden, da die untere Seite desselben von O W ebenso stark anO gezogen wird, als die obere abgestossen wird. Die Seite ab des Quadrates wird aber nach dem Verhalten begrenzter gegen unbegrenzte Ströme einen Antrieb gegen W hin erhalten, da der Teil EW die Seite ab anzieht, der Teil EO dagegen die Seite ab ab stöfst; die Seite cd erhält einen ebenso starken Antrieb gegen 0 hin. da DO diese Seite anzieht, DW sie aber abstöfst. Wenn deshalb die Ebene des Quadrates nicht mit der durch OW gelegten Vertikalebene zusammenfällt, so wirken diese Kräfte als ein Paar, welches das Quadrat in die durch WO gelegte Vertikalebene zu bringen sucht, so dafs in der gegen W gelegenen Seite der Strom aufsteigt, in der gegenüberliegenden Seite dagegen der Strom absteigt.

1) Ampère, Annales de chim. et de phys. T. XV.

Da wir nun sehen, dafs ein um eine vertikale Axe drehbar aufgehängter Stromkreis sich stets senkrecht zum magnetischen Meridiane und so zu stellen sucht, dafs an der Westseite des Meridianes der Strom aufsteigt, so folgt, dafs das Verhalten der Ströme so ist, als wenn in der magnetischen OstWestrichtung ein Strom um die Erde kreiste.

Um die Lage des Erdstromes, d. h. des Stromes zu erhalten, den wir als resultierenden der jedenfalls unendlich vielen Ströme betrachten können, welche dann die Erde umkreisen, müssen wir einen Strom so aufhängen, dafs er zugleich um eine vertikale und um eine horizontale Axe drehbar ist. Oder da wir bereits wissen, dafs eine um die vertikale Axe drehbare Stromebene zur Ebene des magnetischen Meridianes senkrecht gestellt wird, müssen wir einen Strom um eine horizontale zum magnetischen Meridiane senkrechte Axe drehbar aufhängen.

Ampère gab dafür den Apparat Fig. 223 an1). Es wurde ein Draht zu einem Rechteck bcdefg von etwa 3 Decimeter Breite und 6 Decimeter Länge gebogen und dann von g nach h geführt, ohne dafs der Arm gh mit der Seite de in metal

lischer Berührung war. An b war ein gabelförmiges Stück angefügt, dessen eine Zinke mit gh, jedoch nicht leitend verbunden war, dessen andere Zinke nach a so umgebogen war, dafs agh eine gerade Linie bildeten. Auf den Draht gh war ein rautenförmiges leichtes Holzleistchen gesetzt, welches die Seiten cd und ef stützte, so dafs der Stromleiter eine grössere Stabilität erhielt.

An die Enden a

und h waren Stahl

Fig. 223.

a

spitzen angelötet, welche auf die stählernen Pfannen der metallischen Träger tt gelegt wurden; um den Kontakt sicherer zu machen, wurde auf diese Pfannen etwas Quecksilber gebracht.

Die Gewichte der einzelnen Teile dieses Stromleiters wurden möglichst genau so abgeglichen, dafs der Schwerpunkt desselben in die Axe ah fiel, so dafs man der Ebene des Leiters jede Neigung gegen die Horizontale geben konnte, ohne das Gleichgewicht zu stören. Der Apparat wird dann so aufgestellt, dafs die horizontale Drehungsaxe ah senkrecht steht zum magnetischen Meridian, dafs also, wie auch die Neigung der Ebene des Stromleiters gegen die Horizontale ist, dieselbe immer senkrecht zu derjenigen des Meridianes ist.

1) Annales de chim. et de phys. T. XV. WOLLNER, Physik. IV. 4. Aufl.

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Taucht man dann in die mit den metallischen Trägern verbundenen Quecksilbernäpfchen die Leitungsdrähte eines Stromes, so dafs derselbe den Leiter nach der Reihe der Buchstaben durchfliefst, so stellt sich der Leiter, welches auch vorher seine Lage war, so, dafs seine Ebene senkrecht ist zur Richtung der Inklinationsnadel, und dafs von oben her gesehen der Strom in dem Sinne cirkuliert, wie der Zeiger einer Uhr, dals also in der untersten horizontalen Seite des Rechtecks der Strom von Osten nach Westen fliefst.

Kehrt man, wenn der Leiter sich in dieser Lage befindet, den Strom um, so wird die Lage des Leiters nicht geändert; aber er ist in einer labilen Gleichgewichtslage, denn sobald man ihn nur ein wenig aus seiner Lage bringt, dreht er sich um 180o.

Aus diesem Versuche folgt, dafs der Erdstrom sich südlich von uns in der zur Inklinationsnadel senkrechten Ebene befindet. Denn die Wirkung des Stromes auf den um die horizontale Axe drehbaren Leiter mufs auf die beiden horizontalen Teile des Stromes beschränkt sein, da in den beiden anderen in ihrer Mitte unterstützten Seiten die Ströme einander entgegengesetzt sind. Der von Osten nach Westen gerichtete Erdstrom wird nun den ihm gleichgerichteten horizontalen Strom des Leiters anziehen, den entgegengesetzten abstofsen, und deshalb dem Leiter so lange ein Drehungsmoment erteilen, bis die Ebene des Leiters der durch die horizontale Drehungsaxe und den Erdstrom gelegten Ebene parallel ist.

Wenn nun in der That ein solcher Erdstrom existiert, so müssen wir auch alle in §. 114 erwähnten, aus der Einwirkung eines unbegrenzten Stromes auf einen begrenzten hervorgehenden Erscheinungen durch die Wirkung des Erdstromes allein hervorrufen können. In der That haben Ampère1) und De la Rive2) auch diese Erscheinungen nachgewiesen. Wir erwähnen von denselben hier nur die von Ampère beobachtete kontinuierliche Rotation eines horizontalen Stromes in dem Apparate Fig. 198. Leitet man durch denselben einen kräftigen Strom, so rotiert der Leiter cae schon ohne dafs sich ein Leiter in der Nähe befindet. Ganz ebenso rotiert auch der Leiter in dem Apparate Fig. 196, ohne dafs man um die untere Quecksilberrinne einen Strom leitet. Die Rotation dieses Apparates beruht aber in diesem Falle nicht wie in dem §. 114 dargestellten auf der Einwirkung auf die vertikalen Teile des beweglichen Leiters, sondern auf der Einwirkung auf die oberen horizontalen Teile. Denn da in den vertikalen Teilen des Leiters die Ströme gleich gerichtet sind, so werden dieselben von dem Erdstrome immer und mit derselben Kraft nach derselben Seite getrieben; da sie sich aber an entgegengesetzter Seite der Drehungsave befinden, so sind die daraus sich ergebenden Drehungsmomente einander entgegengesetzt, sie heben sich daher auf.

Wird in dem Apparate Fig. 196 der eine vertikale Arm 7 so kurz genommen, dafs er nicht in das Quecksilber taucht, sondern nur als Gegengewicht dient, so tritt bei einiger Länge des vertikalen Teils gar keine Rotation ein, sondern der Leiter stellt sich, wenn der Strom in ihm auf

1) Ampère, Annales de chim. et de phys. T. XX. Gilberts Ann. Bd. LXXI und Bd. LXXVII.

2) A. de la Rive, Annales de chim. et de phys. T. XXI.

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