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jeder, welcher eine solche Schranke perennirend macht, oder gar sie für absolut erklärt, als antichristisch zu qualifiziren, indem die Hauptabsicht Christi darauf hingegangen, den Menschen ihre Bestimmung, mithin auch ihre Fähigkeit zur innigsten Vereinigung mit Gott, zu Gemüth zu führen. Wie nun aber Kunde und Wissenschaft, ihrem Inhalte oder ihrem Streben oder beiden nach, mit der katholischen Heilsordnung sich nicht auf die Dauer vertragen können, so zeigt uns auch die Ges schichte der lezten Jahrhunderte, daß der Baum des Erkenntnisses nur in den reformirten und sich reformirenden Gemeinden neue Zweige getrieben, während in der katholischen Kirche kaum die alten Zweige sich grün zu erhalten vermochten, und wo ein Zweigs lein sich in die Erde senken, wurzeln und selbst Baum werden wollte, wo möglich, ergriffen und dem Feuer, und wäre es auch nur dem Zornfeuer der römischen Inder-Congregation, hingegeben wurde. Was ist, so darf man fragen, in den drei lezten Jahrhunderten von wirklichen römischen Katholiken in Portugal, Spanien 1), Italien, Ungarn, Böhmen, Dest=

1) Rubichon im Staatsm. (Bd. IV. 1824. S. 362) sagt: „Wenn man von den mathematischen und physikalischen Bissenschaften spricht, so gestehe ich gern, daß Spanien darin keine große Fortschritte gemacht hat, und jezt auch nicht machen kann. Die höhere wissenschaftliche Bildung kann nur in sehr großen Städten blühen."!! Wie es aber mit den übrigen Wissenschaften stehe, kann man aus Doblado's Briefen ersehen: Die Professoren der Moralphilosophie sind auf die Elementarschriften eines Jacquier und Reineccius beschränkt.“ (I. S. 97.) „Die Dominikaner lesen Aristotelische

reich, Deutschland, Frankreich und Frland für Kunde und Wissenschaft geschehen 1)? Wer vermöchte dages

gen alles das auch nur flüchtig zu erwähnen, was von Solchen, welche dem ausdrücklichen Bekenntnisse, oder der That nach, nicht mehr zur alten Kirche gehören, zur Erweiterung und Läuterung der Erkenntniß gewirkt worden ist 2)! Es ist so unermeßlich, und so wirksam, daß nur allein Spanien, durch die Pyrenåen und eine ståte Occupationsarmee von Jesuiten und Inquisitoren vom Herzen Europas isolirt 3), — und nur bis auf die Mitte des vorigen Jahrhunderts, in dieser Apoplerie fest gehalten

Philosophie; die Jesuiten dagegen lesen zu Sevilla über Altieri's (eines neapolit. Mönchs) Elemente der Philosophie." (I. S. 80.) ,,Einige Uebersehungen a.d. Französ., und zuweilen eine Predigt, sind die einzigen Artikel, die sich in den gelehrten Anzeigen der Madrider Zeitung befinden.“ (I. 336.)

1) Ein interessantes Zugeständniß mag hier seine Stelle finden: Ellies du Pin, ein gelehrter kathol. Geschichtschreiber des vori= gen Jahrhunderts, bemerkt in seiner Nouv. Bibl. des aut. eccl. (T. XIII. p. 173): „Le roi François Ier voulant faire fleurir les belles lettres et les sciences dans son royaume, y attirait de toutcs parts des personnes habiles pour les enseigner. L'Allemagne en fournissait alors un plus grand nombre que les autres royaumes de l'Europe: mais la plupart d'entr'eux étaient Luthériens ou Zwingliens.

2) Es mag zugegeben werden, daß sonst, wie selbst noch jest, manche, um die Wissenschaft hochverdiente, Männer in der Meinung standen, noch zur katholischen Kirche zu gehören; obgleich sie dem Grundprinzip derselben widerthan oder widerstrebt hatten. Wir haben aber nicht die unrichtige Meinung, sondern nur die Wirklichkeit zu berücksichtigen.

3) Mit unbegreiflicher Naïvität bemerkt Rubichon im Pfeilschifterischen Staatsmann (IVr Bd. 1824. S. 353): „Da diese

werden konnte ); eine Gewaltthat, deren furchtbare Folgen jezt mit aller Strenge der Nemesis über dieses Land hereinzubrechen begonnen haben.

Es würde uns weit über die Grenzen führen, die wir uns hier sehen müssen, wenn wir die Richtigkeit dieser allgemeinen Betrachtungen durch Bezugnahme auf die Einzelnheiten der Geschichte der Wissenschaften in den drei lezten Jahrhunderten augenscheinlich machen wollten. Wir können uns dessen aber um so füglicher enthalten, als schon eine, mit Recht gekrönte, Preisschrift hierüber so reichliche Andeutungen enthält, daß eine weitere Ausführung als übers flüssig erscheinen dürfte. Diejenigen aber, welche auch

Nation (d. span.) 100 Jahre hindurch weder von einem inneren noch auswärtigen Feinde angegriffen worden, so hatte sie keine Gelegenheit, ihr Lebensprinzip zu entwickeln; sie ließ es dahin welken, miskannte es, verläugnete die Wirkungen desselben und erstickte es endlich."

1) Wir fügen eine getroffene Skizze aus dem, sonst, als ultraïstisch, so berüchtigten, Drapeau blanc (vom 18. Mai 1824) hier bei: „Pour apprécier la position de la péninsule Hispano-Lusitane, il faut envisager le double phénomène que nous présente l'histoire de ce pays. Le premier est celui d'une société catholique fortement constituée, mais rendue stationnaire au 17me siècle, par crainte de le réforme, situation, dont la couronne profita pour ruiner la base des antiques privilèges nationaux. Le second est la même société liberalisée au 18me siècle par le pouvoir qui avait voulu jadis rallentir ses progrès et arrêter son essor. Ainsi d'une part, le catholicisme fut privé des lumières de la science, et d'un autre côté, le libéralisme se montra séparé de toute croyance positive et même de tout ordre d'idées au-dessus du déïsme vulgaire et du trivial industrialisme du siècle. Ces deux élémens opposés ont donné pour résultat un chaos inextricable. etc.

diese Darstellung für unzureichend halten möchten, verweisen wir auf die römisch- apostolischen Constitutionen und auf den ungeheuren Catalog der durch die Congregation des Inder in den lezten drei Jahrhunderten verdammten Bücher, welche auf das unwiderleglichste die Unverträglichkeit der römisch-katholis schen Kirche mit der Kunde und Wissenschaft erweisen 1).

Sechstes Capitel.

Verhältniß der Kirche zur praktischen Freiheit.

,,Il y a des vérités et des erreurs à la fois religieuses et politiques, parce que la religion et la société ont le même principe, qui est Dieu, et le même terme, qui est l'homme. Ainsi une erreur fondamentale en religion est aussi une erreur fondamentale en politique, et réciproquement."

De la Menna is. (Essai etc. I. p. 394.)

Mehr als Natur-Kunde und Natur-Wissenschaft muß das, aus beiden resultirende, Naturs oder Vernunft-Recht und das, durch beide geweckte,

1) S. Versuch über den Geist und Einfluß der Re= formation Luther's, eine gekrönte Preißschrift von Karl v. Villers, (übers. von Dr. Feker), 2r Thl. 2r Abschn. S. 231 bis 292. (Villers, geboren 1765 zu Boylay in Lothringen, starb 1815 zu Göttingen. Durch die Geburt gehörte er zur katholischen Kirche; wir wissen nicht, daß er förmlich zu einer an= dern Kirche übergetreten.)

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höhere (nämlich wahrhaft menschliche) Natur,Gefühl von der alten Kirche perhorrescirt werden, da sie den Willen selbst urkräftig bewegen und ihn der Gewalt der Kirche unwiderstehlich entreißen. Wir nehmen hier Natur in dem Sinne, in welchem man wohl auch von der Natur Gottes", deren wir theilhaftig werden sollen (2. Petr. 1. 4.), spricht, und wonach darunter das wirkliche Wesen des Seyens den verstanden werden kann. — Die Natur des Menschen als solche ist diesemnach die Anlage und Bestimmung zur Gottähnlichkeit, und die höchste Kultur ist der wahrhafteste Naturzustand oder vielmehr das wahre Naturleben desselben. Denn jeder Zustand ist nothwendig nur ein vergånglicher, während der Natur des Menschen nur ein unendliches Fortschreiten entspricht. Natur-Recht ist daher alles dasjenige, was diesen Fortschritt ordnet und sichert, und das höhere Naturgefühl dasjenige, welches durch die Vernunft gerechtfertigt oder doch nicht mißbilligt wird. Wenn nun der Mensch das Recht hat, zu fragen, warum er einem anderen Menschen gehorchen soll, wenn allen Menschen gewisse Rechte zustehen, vermöge welcher sie alle auf das freieste neben und miteinander auf Erden leben und streben können; - wenn also jedem Menschen das Recht zugestanden werden muß, Gott nach seinem Gewissen zu dienen, so fern es nicht nur mit den gleichen Rechten aller übrigen, sondern auch mit den Rechten überhaupt, welche das ReligionsRecht bedingen, verträglich ist; - wenn ein Staat das Recht hat, sich in seinem Innern durchaus frei zu organisiren, und das Recht und die Pflicht, die Er

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