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wegen, zum Bekenntniß gezwungen, oder, wenn er ouch diesem sich verweigert, als Kezer bestraft und aus dem Volke Gottes schlechthin ausgesondert werden muß. Zu erweisen haben wir dagegen im 2ten Abschnitte gesucht:

1) Daß die Seligkeit nur als unbeschränkt gedacht werden könne, indem sie in der schlechthin durch greifenden, ewig progressiven Vereinigung des Géz schöpfes mit dem Schöpfer und feiner Schöpfung be stehe.

2) Daß der, immer und überall offene, Eingang in die fortschreitende Seligwerdung zunächst nur gebunden seyn könne an das effektiv Beseeligende selbst, nåmlich an den lebendigen Glauben an den allbeseligen wollenden Schöpfer, ein Glaube, dess sen Früchte und Ergänzungen - unendliche Liebe und Hoffnung (oder vielmehr Zuversicht) sind.

3) Daß das Einzige, was dem Menschen zugemuthet werden könne, damit er als ein solcher Rechts gläubiger anerkannt werde, nur dies ist: seinen denkenden Geist der allgegenwärtigen Offenbarung Gottes zu-, den Willen in den, von ihm als göttlich anerkannten, Willen Gottes einzuwenden, und diese Einwendung nach Kräften zu bewahren.

4) Daß Freiheit die unerläßliche Voraussegung des Denkens, Wollens, Wirkens und Genießens, mithin der ganzen Seligkeit ift.

M. Claude (Oeuvr. ed. 1736. T. I. p. 187 et 190): „La vraie Eglise croit qu'il faut croire sans examen ce qu'enseigne la vraie église. Hors de cette église il n'y a ni rémission des péchés, ni résurrection pour la vie éternelle."

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Wir glauben endlich im dritten Abschnitt ers wiesen zu haben:

1) Daß die Annahme einer absoluten Beschråns kung der Seligkeit, oder das Dogma von ewiger Verdammniß, den Ideen von Gott und dem Mens schen, von Strafe und Seligkeit widerspricht, mithin, als den Grund aufhebend, auf welchem allein sie bestehen könnte, sich selbst als nichtig erweißt.

2) Daß auch die wichtigsten ursprünglichen religiösen Offenbarungen die Hoffnung einer unbes schränkten Seligkeit eröffnen, und selbst auch das Neue Testament eine Deutung zuläßt, ja dem tiefsten Wesen nach - fordert, welche jene Hoffnung zur vollen Zuversicht erhebt.

3) Daß die Annahme eines fortewigen persön lichen Bösen und ewiger Verdammniß nur die zeits liche Frucht eines halbrohen Verstandes und eines verhärteten Gefühles ist, und nur durch äusserliche Autorität, und zwar vermittelst äusserlicher, endlicher Motive, den Grund selbst noch überleben konnte.

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4) Daß aber jene Annahme seit der Zeit zu ersterben angefangen, in welcher die, sie aufrecht haltende, Autorität sich selbst zu Grund zu richten, und die wiederaufstehende ursprüngliche Ansicht in der Vernunft, und durch diese auch im Gefühl, sich wie. der allgemeiner einzubürgern angefangen hat.

Durch diese Resultate fanden wir uns im viers ten (und legten) Abschnitte der ersten Abtheilung zu dem ersten Urtheil berechtigt und genöthigt, daß die römisch-katholische Kirche nicht nur nicht als alleinselig machend angesehen werden könne; sondéru, daß sie, als die göttliche Liebe und das Reich

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́des Himmels unendlich verendlichend, eben damit als seeligkeitbeschränkend, ja fogar, als durch ihr separatistisches, tyrannisches Gesez, die Unterthanen desselben; welche Seligkeit nur in und durch Albeseeligung, Heiligkeit nur durch freie Willensthätigkeit, Willensfreiheit nur durch freies Entschließen und Denken, überhaupt Religion nur als freie Andacht und als unbeschränkte Liebe möglich erachten möchten, - in absoluten Widerspruch mit sich selbst, so wie alle wirklichen formell Rechtgläubigen in unlösbaren Widerstreit mit allen Andersgläubigen und der ganzen Weltgeschichte versezend, als theilweis zeitlich unseligmachend angesehen werden müsse.

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Wir haben aber kein Bedenken getragen, dieses Urtheil in unumwundener Schärfe auszusprechen, da das scheinbar Negative desselben im Grunde nur die Negation einer ersten Negation, mithin in Wahrheit eine Position, oder vielmehr die Restauration des ursprünglich Positiven ist. Wir haben kein Bedenken tragen dürfen, dieses Urtheil' herbeizuführen, da Gott unendlich liebenswürdiger erscheint, wenn seine Gerechtigkeit nur als die erziehende Strafhand seiner Güte, als wenn sein Zorn gleichewig und gleichmächtig mit seiner Liebe im Gemüthe zur Vorstellung und Empfindung kommt. Wir haben nicht anders urtheilen können, da wir uns keinen gotteswürdigeren Endzweck der Schöpfung, keinen rechtfertigenderen Grund der Freilassung des Willens, keine höhere, ja keine wahrhafte Seligkeit der Seligen denken konnten, als die nie endigbare Beseligung aller und jeglicher Selbstwesen. Wir

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haben kein Bedenken tragen dürfen, durch Lösung nachtheiliger Schranken, diejenigen in vorüberges hende Unruhe zu versezen, welche sich innerhalb derselben beruhigt hielten, da durch solche Erweiterung Gott verherrlicht, der Mensch zu unendlicher Liebe begeis stert, das Reich Gottes auf Erden dadurch nåher herbeigeführt zu werden, es für uns den unabweiss lichen Anschein hat. Wir haben nicht Bedenken tras gen können, einen Grundsaß auszusprechen, welcher, wenn er allgemein anerkannt würde, die Menschheit zu einer friedlich wechselseitig austauschenden Brüdergemeinde erheben würde. Wir haben endlich durch den tausendstimmigen Chor der mittleren Zeit der Geschichte um so weniger uns können zum Schweigen bewegen lassen, als dieser Chor, wie wir gezeigt haben, und noch zeigen werden, nur durch gewaltsame Unterdrückung der einzelnen aufsteigenden Gegenstimmen sich so lange behauptet hat, und die Zeiten, in welchen dieser Glaube geherrscht, theils gar herbe Früchte getragen, theils ihre Endschaft selbst herbeigeführt haben, während die Ansicht, welcher wir uns anschließen, in dem Maaße allgemeiner (fas tholisch) geworden, in welchem das die Menschheit Entehrende, Zwiespältende und Unseligmachende mehr und mehr ausgemerzt worden ist, wozu wir vor Allem zählen müssen: die Kreuzz ů g e und die Kezer- und Heren-Verbrennungen, die Folter und Marterstrafen, die Leibs Seelund Geist-Eigenschaft, die ewigen Klosters gelübde, die Interdikte und Verfluchungen, den Ablaß- und Meßhandel u. s. w. u. s. w.

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Zweites Capitel.

Allgemeiner geschichtlicher Ueberblick.

Denn was die Menschen trennet, ist allein das Menschliche; das Göttliche vereiniget sie immerdar.

Marheinecke. (Gesch. der teutsch. Reform.
B. I. Vorr. S. XXIII.)

In der That zeigt uns die Geschichte, daß dasjenige, was, der Vernunft nach, nicht seyn kann, auch wirklich nicht ist, daß, was nicht entstehen foll, unausbleiblich wieder vergeht, und daß, was zwar entstehen und erscheinen, aber nicht bestehen soll, durch sich selbst seinen Vergang veranlaßt, — ja erzwingt, wie denn rückwärts aus diesem Res jultat geschlossen wird, daß was, und insoweit es der un abwendbaren Vergånglichkeit unterliegt, - es auch entweder gar nicht entstehen, oder gewiß doch — nicht ein für allemal bestehen sollte. Es beruht dies aber auf der wahrhaften, wenn auch nicht immer in's Bewußtseyn erhobenen, doppelten Voraussegung; einerseits: daß, wie ein unverbrüchliches Gesez in der Natur, so noch viel gewisser eine ewige Liebe in der Geschichte walte; anders seits: daß, wie in der Natur ein jedes Individuum alles dasjenige, was das allgemeine Wesen ihm zur Befriedigung seines wirklichen Bedürfnisses darbietet, auch ergreift und das Ergriffene festhält, - ebenso die Menschheit, die Völker, Nichts untergehen lassen, was ihre wirklichen Bedürfnisse befriedigte. Daß aber unter allem Befriedigenden Friede des Einzelnen

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