Page images
PDF
EPUB

den Laden. Der Krieg zwischen Piemont und Oesterreich stand bevor und die jungen Mannschaften in Rom wurden unter dem falschen Vorwande, sie sollten für den Papst kämpfen, eingezogen und gingen nach dem Kriegsschauplatze ab. Die öffentlichen Demonstrationen folgten sich in steigernder Aufregung. Die Bürger thaten sich in Abtheilungen von Nationalgarden zusammen und paradirten in allen Strassen. Selbst aus Kindern wurden nationale Corps gebildet; in eine bunte Uniform gesteckt, spielten sie militärische Uebungen. Die revolutionären Clubs liessen das Volk gar nicht mehr zur Ruhe und Besinnung kommen. Unter solchen Umständen muss man die Ruhe und die feste Zuversicht des apostolischen Stuhles gesehen und bewundert haben, der inmitten dieser endlosen Unruhen und des aufregenden Lärmes Zeit fand, sich den Angelegenheiten der allgemeinen Kirche zu widmen, sich selbst mit Fragen von so aussergewöhnlichem Charakter, wie die der englischen Hierarchie, so zu beschäftigen, als ob in der Papststadt die gewohnte Ruhe herrsche. Allein in Bezug auf die grossen Angelegenheiten der Kirche bringt nichts den heiligen Stuhl um seinen Gleichmuth.

Am 5. Juni wurde Dr. Ullathorne vom Papste in besonderer Audienz empfangen. Mit achtungsvoller Güte sprach der heilige Vater von den apostolischen Vicaren Englands, und Dr. Ullathorne benutzte die Gelegenheit, dem heiligen Vater eine von allen Bischöfen unterzeichnete Denkschrift zu überreichen, in welcher bis in's Einzelnste die Schwierigkeiten dargestellt waren, unter denen die Bischöfe litten, und in welcher sie den Papst in ernstlichster und bewegendster Sprache beschworen, diesen Uebelständen endlich das einzige Heilmittel zu bringen, welches hier helfen könnte, die hergestellte Hierarchie. Im Laufe der Unterhaltung setzte der Papst die Ursachen der Verzögerung auseinander, und betonte ganz besonders die Schwierigkeiten, die unter den englischen Bischöfen selbst entstanden seien, und welche die eingehendste Prüfung erheischten. Er hoffe noch immer die Bulle bald publicirt zu sehen. Und als Dr. Ullathorne auf die ernsten Nothstände hinwies, welche durch die Hinausschiebung der Sache den englischen Kirchenverhältnissen bereitet würden, bemerkte Se. Heiligkeit, auch die politische Unruhe der Zeit sei in Betracht zu ziehen, da ihm diese nicht gestatte, sich so ganz der Sache zu widmen, als ob alles um seinen Thron herum ruhig wäre, jedoch vertraue er; Bischof Ullathorne solle noch vor seiner definitiven Abreise von Rom die Bulle publicirt sehen.

Die der Propagande in Betreff der bischöflichen Titel noch

vorzulegende Denkschrift beanspruchte nach zwei Seiten grosse Umsicht. Einmal war der heilige Stubl ängstlich darauf bedacht, allen und jeden Conflict mit den englischen Gesetzen zu vermeiden. Dann aber zeigte sich das starke traditionelle Selbstbewusstsein der englischen Katholiken gerade in der Titelfrage empfindlich und man dürfte die alten Titel nicht gänzlich ausser Acht lassen. Jene alten, historischen Bischöfe und Heilige, welche Englands erste Väter im Glauben und die grossen Lehrer der Nation gewesen, standen in zu lieber und zu tiefer Verehrung, als dass der Wunsch nicht lebendig gewesen wäre, zwischen ihnen und ihren spätestgeborenen Kindern ein sichtbares Band in der restaurirten Hierarchie, eine unverkennbare Verbindung der neuen Stühle mit den uralten des katholischen England hergestellt zu sehen. Dies durfte bei Weitem nicht als eine blosse Gefühlssache betrachtet werden. In der anglikanischen Kirche gab es seit kurzem eine einflussreiche und immer stärker werdende Partei, welche den Anglikanismus als einen lebensvollen und ächten Zweig der Einen katholischen Kirche hinstellte, und welche es liebte, aus dem Besitze aller alten Bischofstitel einen Beweis für die Gültigkeit der anglikanischen Weihen, eine Anerkennung ihrer Gemeinschaft als der >>Schwesterkirche,« eine Bestätigung ihrer vollen Gleichheit und Gleichstellung mit der katholischen und römischen Kirche herzuleiten. Indessen so grundlos die Voraussetzung, so entgegengesetzt unserer Absicht, der Lehre, aller kirchlichen Praxis der katholischen Kirche diese Versicherungen der Anglikaner waren, so würde doch gerade diese irrige anglikanische Auffassung nach der Gewohnheit der Anglikaner, mit rein negativen und in die Irre führenden Behauptungen gegen die Kirche zu operiren, für sie ein Anlass geworden sein, alle, welche sich von der Wahrheit der Lehre der Kirche überzeugt hätten, von dem definitiven Eintritt in sie abzuhalten. Sowohl die Wahrheit als die Liebe erforderten, gegen eine solche Entstellung und ihre ernsten Folgen auf der Hut zu sein.

Die Aufgabe der Denkschrift war also der Beweis, dass es möglich sei, alle Conflicte mit den englischen Gesetzen zu vermeiden und doch wenigstens einige der alten Titel zu restauriren, ohne damit irgend der Parlamentsacte vom Jahre 1829 entgegenzutreten. Diese Acte vom Jahre 1829 liess den Gebrauch jedweder Titel, welche nicht thatsächlich von Mitgliedern der Staatskirche geführt würden, frei. Die Parlamentsacte von 1829 war eine Massregel zu Gunsten der Katholiken und bezweckte offenbar nur, Niemanden daran zu hindern, irgend einen kirchlichen Titel anzunehmen

und zu führen mit alleiniger Ausnahme der im Gesetz selbst als verboten specificirten. Englische Staatsminister hatten sich öfters zu Gunsten der Verleihung der Rechte eines Ordinarius an englische Bischöfe ausgesprochen, was doch die Anerkennung englischer Titel in sich schloss. Mehr noch, als Erzbischof Polding von Sidney dem Mitgliede der Staatsregierung für die Colonien den Wunsch ausdrückte, für Australien eine Hierarchie zu erlangen, lautete die Antwort, welche er empfing: »Handeln Sie nach Belieben, nur kommen Sie uns damit nicht! Thatsächlich hatten nicht nur die katholischen Bischöfe in verschiedenen britischen Colonien dieselben Titel angenommen, welche die protestantischen Bischöfe schon besassen, ohne durch die Acte von 1829 behelligt zu werden, sondern diese Bischöfe wurden thatsächlich und noch augenblicklich aus öffentlichen Geldern sustentirt.

Als Beleg dieser Ausführungen führte die Denkschrift Mr. Anstey's 1) Ansicht an. Dieser angesehene Criminalist bemerkt über die Acte von 1829: insoweit das Gesetz bestimme, dass jeder, welcher ohne legale Autorität den Namen und Titel eines Erzbischofs irgend einer Provinz, oder eines Bischofs irgend eines Bisthums, oder eines Decanes irgend eines Decanates in England oder Irland annehme, für jeden solcher Acte 100 Pfd. St. zahlen müsse; das Gesetz beschränke sich auf die Annahme des Titels, aber verbiete nicht den Gebrauch, das Geben des Titels in einer Anrede oder in einer Schrift, und es würde sehr schwer sein, eben mit Rücksicht auf eine Person, welche solche Titel wirklich annehme, in allen Fällen, wo Jemand einen solchen Titel nicht buchstäblich führe, ein Verdict zu erzielen; die Anwendung dieses neuen Strafgesetzes, welches seiner Natur nach strikter Interpretation sei, von den englischen Gerichten zu erzwingen, würde überhaupt schwer sein.

Während nun die Denkschrift auf die Thatsache aufmerksam machte, dass es noch alte Titel gebe, welche man, ohne mit protestantischen Benennungen in Conflict zu gerathen oder das Gesetz zu übertreten, recht wohl annehmen könne, wurde zugleich mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass die grossen Centren der Population, in welchen die Katholiken meist wohnten, gewöhnlich Städte von verhältnissmässig sehr neuem Datum seien, in welchen keine anglikanischen Bischöfe residirten und welche ohne Zweifel die besten und passendsten Mittelpunkte für die Residenz und die Arbeiten eines katholischen Bischofs seien.

1) Treatise on the Penal Law. (p. 23.)

Bereits am 3. Juni gelangte diese Denkschrift in die Hände Msgr. Barnabo's. Und als Dr. Ullathorne unterm 14. Juni um Verlängerung der bisherigen ausserordentlichen Facultäten und Privilegien der apostolischen Vicare unter der neuen Ordnung der Hierarchie petitionirte, sagte Msgr. Barnabo dem Petenten im Auftrage des Papstes, die Bulle werde noch, ehe er Rom verlasse, publicirt sein. Msgr. Barnabo kündigte zudem den Zusammentritt der Congregation binnen einer Woche an. Auf die Frage Dr. Ullathorne's ob es die Pflicht des Herkommens erfordere, jedem der die Congregation bildenden Cardinäle vor ihrem Zusammentritt einen Besuch zu machen, bemerkte Msgr. Barnabo, dies erfordere allerdings die Etikette beim Zusammentreten von General-Congregationen, aber nicht bei Special-Congregationen. Dann machte der Secretär der Propaganda dem englischen Bischofe freimüthige Eröffnungen über die folgenden Vorgänge innerhalb der Congregation. Als die Frage der Hierarchie zuerst verhandelt worden sei, hätte der Einfluss der Ansicht Cardinal Acton's die Congregation zu dem Entschlusse gebracht, nichts weiteres dem Papste zu empfehlen, als eine einfache Vermehrung der apostolischen Vicariate; den Bischöfen Sharples und Wiseman sei indessen die Beseitigung der von Cardinal Acton vertretenen Ansichten gelungen. Die Absicht der Congregation, nun thatsächlich sich mit der Frage der Restauration der Hierarchie zu beschäftigen, sei indess durch einen unter den englischen Bischöfen selbst verhandelten strittigen Punkt nochmals vereitelt worden. Ein Summarium der von Bischof Wiseman der Congregation vorgelegten Briefe, die man gewechselt, sei nämlich von der Congregation als nicht genügend angesehen und die Originalien selbst zur Einsicht verlangt worden. Dadurch sei neuer Verzug in den Verhandlungen entstanden. Nach Einsicht dieser Originalien aber hätten sich die Cardinale zu nichts weiterem mehr für den Augenblick entschliessen können, als zur Umwandlung der Vicariate in Titular-Bisthümer. Die Vermehrung der Stühle, die Errichtung der Capitel und die Privilegien des Klerus hätten sich allmälig von selbst bilden und so die Kirche in England nach und nach sich selbst auf den Fuss einer normalen Verwaltung emporarbeiten können.

Die Special-Congregation welche der Papst zur Ordnung der Angelegenheit unserer Hierarchie angeordnet, war endlich vorbereitet. Ihre Mitglieder waren die Cardinäle Fransoni als Präfect, die Cardinäle Ostini, Castracane, Mai, Altieri, Vizzardelli und Orioli und Msgr. Barnabo als Secretär.

Es wird die Vorgänge in der Congregation unseren Lesern an

schaulicher machen, wenn wir die Methode der Verhandlung in einer römischen Congregation überhaupt schildern.

nenza.

Wenn die Materialien einer Frage schriftlich vorliegen und alle Nachforschungen, welche Licht auf die vorliegenden Documente werfen können, angestellt sind, wird durch einen der Untersecretäre eine Zusammenstellung und Uebersicht des ganzen Materials mit genauer Bezugnahme auf das in Frage stehende Gesetz und die darauf bezüglichen Documente gemacht. Diese Uebersicht heisst PoVon ihr werden gedruckte Copien etwa acht oder zehn Tage vor dem Zusammentritt der Congregation an die Cardinäle vertheilt. Hängt die Frage mit schwierigen und dunklen Punkten des canonischen Rechtes oder der Theologie zusammen, so hat die Congregation den Beistand einer Reihe von gelehrten Consultoren; einer oder vielleicht zwei dieser Consultoren werden ersucht, eine Dissertation über die strittige Frage zu schreiben. Diese Auseinandersetzung beisst Votum und wird nöthigen Falles mit der Ponenza gedruckt. Jeder Cardinal macht die vorgelegte Frage zum Gegenstande seines Privatstudiums, bei welchem er durch seine eigenen Consultoren unterstützt wird, denen er eine Copie der betreffenden Documente zu gleichem Zwecke vorlegt. Eine oder zwei Tage vor dem Zusammentritte der Congregation versammelt er seine officiellen Consultoren und hält mit ihnen, was man einen Congresso nennt, eine Privatconsultation über den in Frage stehenden Punkt. Nachdem er in derselben alle einschlägigen Fragen besprochen, und Aller Ansichten gehört, ist der Cardinal für die Congregation vorbereitet. Die Congregation selbst wird mit der Anrufung des heiligen Geistes eröffnet und einer der Cardinäle, der damit speciell beauftragt ist, bringt den Gegenstand als Referent oder Ponente vor. Er legt den Fall vor und leitet die Discussion über denselben. Das Resultat derselben tritt in der Antwort auf die specificirte Fragestellung hervor, welche nach Schluss der Discussion durch offene Abstimmung ihren Ausdruck findet. Trifft es aber zu, dass einzelne Thatsachen, die wesentlich mit dem gerade vorliegenden Falle zusammenhängen, nicht klar und zufriedenstellend bewiesen und belegt sind, so wird. die Sache vertagt und der Secretär erhält den Auftrag, weitere Informationen einzuholen.

Während nun die Congregation aus nicht mehr als sieben oder acht Cardinälen besteht,, bildet die Frage, die ihrer Unterscheidung unterliegt, andauernd der Gegenstand einer viel grösseren Anzahl intelligenter und bestunterrichteter Geister, welche für die Cardinäle etwa das sind, was die Advocaten für die Richter. Die eigentliche

« PreviousContinue »