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IV. Formen der nachbiblischen hebr. Poesie. Franz Delitzsch, Zur Geschichte der jüdischen Poesie, L. 1836. || SJKämpf, Die ersten Makamen aus dem Tachkemoni oder Divan des Charizi, Be. 1845, 15-46. || David Rosin, Reime und Gedichte des Abraham ibn Esra, Heft 1 (Breslau 1885), 5—14. || Martin Hartmann, Die Hebräische Verskunst nach dem metek sĕfatājim des ́Immanū’ēl Fransis und anderen Werken jüdischer Metriker, Be. 1894 (100). Dazu: HBrody, Offener Brief an Herrn Prof. M. Hartmann, Frankf. a. M. 1894 (20).

§ 49. Die erhaltenen Poesieen im A. Test.

1. Die Hebräer haben Profandichtung wie gekannt so auch gepflegt. Beweise: a. Die auf uns gekommenen Überbleibsel: 421,17 f das Brunnenliedchen; 27-30 das Triumphlied anläßlich der Eroberung von Cheschbon; $1,19-27 Davids Elegie auf den Tod Sauls u. Jonathans; 3,33 f Davids Klage um Abners Tod. Das HL und 45 waren bei ihrer Aufnahme in den Kanon schon religiös gedeutet. | b. „Das Buch des Wackeren“ D scheint, nach den erhaltenen Proben zu urteilen (610,13; ß1,18), besonders Heldenlieder enthalten zu haben (doch vgl. noch §23,1d). Die Poesieen im „Buch der Kriege Jahves", 421,14, dagegen sind, wenn der Titel zu einer Folgerung berechtigt, mehr oder weniger religiöser Art gewesen. c. Andre ausdrückliche Zeugnisse: a 18,7 die Weiber singen zu Davids Ehren; ẞ19,36 Sänger u. Sängerinnen an Davids Hofe, besonders wohl bei der Tafel; Am 6,5 Trinklieder der schwelgenden Vornehmen; Jes 23,16 Saitenspiel u. Gesang der Buhlerin; 69,12f Spottlieder über einen Unglücklichen.

2. Die eigentlich epische Dichtung ist im AT nicht vertreten. Daß sie den alten Israeliten ganz gefehlt habe, möchte ich nicht geradezu behaupten. Man denke an den Titel „Buch der Kriege Jahves". Zwar nicht als eigentliches Drama, vielleicht aber als Singspiel kann das Hohelied bezeichnet werden. Zu hoher Ausbildung gelangt ist dagegen erstens die lyrische, zweitens die sententiöse (gnomische, didaktische) Poesie. a., eigentl. Gesang; besondere Arten: Loblied, in Danklied,

תּוֹדָה,Loblied תְּהִלָּה

Gebet(slied), p. Klagelied. | b. b, Spruch, eigentl. Vergleichung. Teils einzelne Sinnsprüche (bes. in Spr 10-29), teils zusammenhangende Lehrreden (zB in Spr 1-9). Nebenarten: Rätsel 714,14; Bildrede (zB Ez 17 Adler und das Reis der Ceder; 79 Jothams Parabel); symbolische Handlung, sofern sie nur Darstellungsform ist.

3. Die erhaltenen Poesieen.

a. Ganze Bücher: Ps, Spr, Hi, HL, Klagl, in gewisser Weise auch Prd. b. Einzelne Stücke. Im Pt: 14,23 f S Lied Lamechs; 9,25-27 Noahs Worte über seine Nachkommen; 27,27-29 Isaaks Segensworte an Jakob; 39 f Isaaks Worte an 'Esau; 49,1-27 Jakobs

letzte Worte; 215,1-18. 21 Meerlied; 310,3 ein Wort Gottes über sein Heiligsein gegenüber den ihm Nahen; 46,24-26 aaronitische Segensformel; 10,35 f Signalworte; 21,14 f Citat aus dem Buch der Kriege Jahves; 17 f Brunnenliedchen; 27-30 Triumphlied aus Anlaß der Eroberung von Cheschbon; 23,7-10. 18-24 u. 24,3-9. 15-24 Sprüche Bileams (mit Nachträgen); 532,1—43 Lied Moses; 33 letzte Worte Moses. | In den proph.historischen Büchern: 610,12f Citat aus dem „,,Buch des Wackeren", betreffend den Sieg Josuas; 75 Lied der Debora; 14,14. 18 Simsons Rätsel; 16,23 f Freude der Philister über Simsons Gefangensein; a 2,1-10 Lied der Hanna; 18,7 Lob Davids seitens der singenden Weiber; ẞ1,19-27 Davids Klage über den Tod Sauls u. Jonathans; 3,33 f desgl. über Abners Tod; 22 (18); 23,1-7 Davids letzte Worte. Nicht sowohl wegen der Form als des Inhalts wegen kann man hierher ziehen die Parabeln Jothams 79,8-15 u. Nathans ẞ12,1-4, sowie die Worte des klugen Weibes von Theqoa $14,6 ff. | Aus den Schriften prophetischer Rede gehören in ganz besondrer Weise nach Inhalt und Form hierher: Jes 5,1 ff Lied von Jahves Weinberge; 12. 24,15 u. 25,1-5. 9 u. 26,1-7 Hymnen der Erlösten; 14,4-21 Isra'els Spottlied (ironisches Klaglied) über den gestürzten König von Babel; 27,3-5 Gesang Gottes von seinem Weinberge; 28,23-29 Gleichnisrede vom zweckmäßigen Thun des Landmanns; 38,9-20 Psalm Hiskias; Ez 7,5-7. 10 f das Ende kommt; 21,14-22 das mordende Gottesschwert ; 19. 26,17f u. 28,12-19 u. 32 die Klaglieder; in gewisser Weise auch die Parabeln Ez.s, bes. 17. 31. 16. 23; Jona 2,3-10 Gebet des Jona; Hab 3,1-19 Hymnus. Aus den Hagiographen sei hier 16,8-36, Davids Lobgesang bei Überführung der Bundeslade nach Jerusalem, genannt (zusammengestellt aus 105. 96. 106).

§ 50. Die Formen der alttestamentlichen Poesie.

1. Die alttest. Poesie ist nicht metrisch. Vergeblich hat man sich bemüht, in ihr Metra nachzuweisen. Mißglückt sind speziell auch Bickell's Versuche, zu zeigen, daß die hebr. Metrik auf denselben Grundlagen beruhe wie die syrische: Silbenzählung, regelmäßiger Wechsel betonter u. unbetonter Silben, Identität des grammatischen u. des metrischen Accentes, welcher stets eine um die andre Silbe treffe, Zusammenfallen der Verszeilen mit Sinnabschnitten, Vereinigung gleichartiger oder ungleichartiger Stichen zu gleichmäßig wiederkehrenden Strophen (ZdmG 1881, 415. 418). Richtige Beobachtungen liegen aber zu Grunde der namentlich von Ley, Neteler u. Briggs verfochtenen These, daß die betonten Silben, bezw. die Wörter selbständigen Sinnes (d. h. nicht Partikeln u. einige andre kleine Wörter) gezählt worden seien.

2. Der Reim, zu dessen Verwendung die Flexionsendungen und die Suffixe geradezu einluden, findet sich nicht selten, ist aber in keinem einzigen Gedichte durchgeführt. Gereimte Verse zB 14,23; 716,23. 24; a18,7; 46,2; 8,5; 34,5.6; 106,4. 5; Spr 22,10; 24,28. 29; 26,25; Hi 10,8-11 (ēnī).

3. Allitteration (Stabreim) u. andre Arten der Lautmalerei kommen zuweilen vor, bes. in Jes u. Dt-Jes; nirgends aber so, daß ihre regelmäßige Anwendung für ein ganzes Gedicht oder auch nur für einen längeren Abschnitt charakteristisch wäre. Allitteration: Jes 13,6; 14,22 7 13 7. Lautmalerei: 2,3. 5 viermal Endung ēmō; Jes 2,19. 21 ut terreat terram; 11,16. 11; 13,12.

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4. Akrosticha sind im AT nicht nachgewiesen mit Ausnahme der alphabetischen Dichtungsweise, welche das erste Wort mit Aleph, dann jeden folgenden massoretischen Halbvers, Vers, bezw. auch zweiten Vers mit dem folgenden Buchstaben des Alphabets beginnen läßt. Auch ist durchgeführte Wiederholung der Buchstaben zulässig (Klagl 3 beginnen je drei Verse mit Aleph, mit Beth usw; 119 je acht Verse). Die vorkommenden Beispiele sind: 9 f. 25. 34. 37. 111. 112. 119. 145; Spr 31,10-31; Klagl 1-4; vgl. auch Nah 1,3-7; Si 51,13-30.

Ganz regelmäßig gebaut sind nur die drei anonymen

111. 112. 119; Spr 31 u. Klagl 1. Abweichungen finden sich in: Klagl 2—4 (≥ vor ) und in den fünf „von David" überschriebenen Pss: 9f (vorhanden sind nur -3, -3, p-n; dazwischen 9,8. 9 u. 10,3-11 Verse, die nicht mit den zu erwartenden Buchstaben anfangen); 25 ( verstümmelt, fehlt, statt P zweimal, am Schluß zweites ); 34 ( fehlt, am Schluß zweites ); 37 ( fehlt, □ viel zu lang, auch sonst ungleicher Zeilenbau.

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copulativum vor der -strophe); 145 (♬ fehlt). || Einige der Abweichungen in den Pss. sind wohl lediglich durch Schreibfehler entstanden. Andre sind wahrscheinlich durch die Annahme zu erklären, daß die Pss., damit sie im Gemeindegottesdienste verwendbar seien, überarbeitet worden sind.

5. Das eigentlich Charakteristische für die alttestl. Poesie ist das rhythmische, nicht in Einem Zuge, sondern in zwei oder mehreren Absätzen sich vollziehende Ausdrücken des Gedankens. Die jetzt fast allgemein angewendete, freilich nicht auf alles passende Bezeichnung „Parallelismus membrorum" stammt von Rob. Lowth (Ausg. von Rosenmüller S. 208): ,,Poetica sententiarum compositio maximam partem constat in aequalitate ac similitudine quadam sive parallelismo membrorum cuiusque periodi, ita ut in duobus plerumque membris res rebus, verbis verba quasi demensa et paria respondeant."

a. Der einfachste Vers ist der Zweizeiler, das Distichon (die folgende Einteilung meist nach RLowth):

Synonymer Parallelismus (sehr häufig).

610,12: Sonne stehe stille zu Gibeon,

Und Mond, im Thal Ajalon!
2,3: Lasset uns zerreißen ihre Bande

Und von uns werfen ihre Seile!

Antithetischer Parallelismus (bes. in Spr 10–22,16).
1,6: Denn der Herr kennet den Weg der Gerechten;
Aber der Gottlosen Weg vergehet.

Spr 10,1: Ein weiser Sohn ist seines Vaters Freude;

Aber ein thörichter Sohn ist seiner Mutter Grämen.

Synthetischer Parallelismus (zwei verschiedene, aber miteinander wenigstens in gewisser Weise verwandte Sätze).

Spr 10,18: Falsche Mäuler bergen Haß,

Und wer verleumdet, der ist ein Narr.

(Beide Zeilen sprechen von Zungensünden.)

Eingedankige Zweizeiler (Wenn Eine Zeile für den Ausdruck des Gedankens nicht ausreicht, sondern der Ausdruck erst in der zweiten sich vollendet).

Spr 15,3: Die Augen des Herrn schauen an allen Orten

Beide, die Bösen und Frommen.

2,6: Aber ich habe meinen König eingesetzt

Auf meinem heiligen Berg Zion.

Hierher gehören alle die Zweizeiler, in denen der Gedanke der ersten Zeile durch einen Beziehungs-, Begründungs-, Zweck- oder Folge-satz vervollständigt wird:

3,7: Ich fürchte mich nicht vor viel Tausenden,

Die sich umher wider mich legen.

16,1: Bewahre mich, Gott;

Denn ich traue auf dich.

Parabolische Zweizeiler (Ein Urteil wird ausgesprochen durch eine Vergleichung, welche aus dem Bereiche des Natürlichen und Alltäglichen entnommen ist). Spr 10,26: Wie der Essig den Zähnen und der Rauch den Augen thut, So thut der Faule denen, die ihn senden. || Vgl. Spr 27,15.

Emblematisch nennt Del. diese Sprüche, wenn der Gegenstand und sein Sinnbild ohne Ausdruck der Vergleichung nebeneinander gestellt sind:

Spr 25,14: Gewölk und Wind und doch kein Regen

Ein Mann, der sich rühmt mit erlogenem Geschenke.

Spr 11,22: Ein goldener Ring im Rüssel eines Schweines

Ein Weib, das schön, aber ohne Takt. || Vgl. Spr 25,11. 19. 25.

Aufsparender Parallelismus (Wenn ein Wort der 1. Zeile in der 2.,

ein Wort der 2. in der 1. zu ergänzen ist).

18,42: Sie rufen, aber da ist kein Helfer;

Zum Herrn, aber er antwortet ihnen nicht.

(,,Zum Herrn" gehört zu „Sie rufen“). || Vgl. y 22,32; 72,3; 89,6.

b. Sehr häufig sind auch Dreizeiler (Tristicha) und Vierzeiler (Testrasticha). 6,7: Ich bin so müde von Seufzen;

Ich schwemme mein Bette die ganze Nacht

Und netze mit meinen Thränen mein Lager.

2,2: Die Könige der Erde lehnen sich auf,
Und die Herren ratschlagen miteinander
Wider den Herrn und seinen Gesalbeten.
18,5. 6: Es umfingen mich des Todes Bande,

Und die Bäche Belials erschreckten mich.
Der Hölle Bande umfingen mich.

Und des Todes Stricke überwältigten mich.

c. Selten sind Verse von 5 und mehr Zeilen. || Fünfzeiler: 424,8; 40,13. Sechszeiler: 424,17; Hab 3,16; 3,17. Als Siebenzeiler ist mir nur 7,4—6 aufgefallen.

d. Einzeiler, Monosticha, fast nur am Anfang oder am Schluß eines Gedichts (Aufgesang, Abgesang). Am Anfange: 18. 90. 130; am Schluß: 215,18.

6. Der Qina-Rhythmus. In den meisten Klageliedern folgt (vgl. KBudde) auf ein längeres Versglied gewöhnlich ein kürzeres (Verhältnis 32). Wichtigste Beispiele: Klagl. 1-4; Jes 14,4-21; Ez 19. Man findet übrigens diesen Rhythmus auch in andren Dichtungen, wie 19,8 ff; 65,5-8, und es giebt Klaglieder, welche ihn nicht haben, so ẞ1. 3,33 f.

7. Eine höhere Einheit als der (poetische) Vers (welcher mit dem massoretischen sehr oft, aber nicht immer zusammenfällt) ist die Strophe oder „Liedwende". Die Berechtigung nach Strophen zu suchen ist schon durch das Vorhandensein von Kehrversen (Refrains) gegeben.

Verse, bezw. Versteile, die sich wiederholen, findet man: 39,6. 12; 42,6. 12 u. 43,5; 46,8. 12 [nach 4 ist der Kehrvers durch einen Schreiberirrtum ausgefallen]; 49,13. 21; 56,5. 11f; 57,6. 12; 59,7 u. 10 vgl. mit 15 u. 18; 62,2f. 6f; 67,4. 6; 80,4. 8. 20; 87,4bß. 6b; 99,5. 9; 107 (6. 8; 13. 15; 19. 21; 28. 31); 144,7bf. 11. Vgl. ferner ẞ 1,19. 25. 27: .Wie sind die Helden gefallen!"; Jes 9,11. 16. 20 u. 10,4 (vgl. 5,25): „In dem allen lässet sein Zorn nicht ab, seine Hand ist noch ausgereckt"; Hab 2,8b. 17b;,,um des Menschenbluts willen usw". — || Strophische Anlage ist anzunehmen für einen großen Teil der Pss, des Buches Hi, der einleitenden Reden in Spr, außerdem oft in den prophetischen Schriften. Hinsichtlich der Einzelheiten weichen die Ausleger sehr voneinander ab. A priori sind, wie Kue. mit Recht bemerkt, kleine Strophen von 2 bis 4 Versen, weil am leichtesten zu erkennen, am annehmbarsten: die Symmetrie muß sich dem Leser oder Hörer bemerkbar machen, ohne daß er besondere Mühe anwendet.

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§ 51. Die Psalmen: Namen, Inhalt, Einteilung, Anordnung.

1. Namen. Psalmen, (D), Yahuoí, Liber psalmorum. 7 (pal. Talmud Sabbath 16,1 Bl. 15°; auch verkürzt pal. Baba bathra 13a und pal. Kethuboth 35a) ist nur Buchtitel, während die Form in gewöhnlich „Lobgesänge" bedeutet; doch kommt auch D nban vor (Abr. ibn 'Esra am Schluß seines Kommentars, die massor. Zählungsnotiz am Ende des Psalters). Ersteren Namen kennen auch Origenes (bei Eusebius Kirchengesch. VI 25): Zpaodellɛíu, Hieronymus (Vorrede zur Übersetzung): Sephar Tallim, u. a. Auch das am Schlusse

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