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II, Kapp. 7-12. Gesichte. Vier Visionen, in denen Dn über den künftigen Verlauf der Geschichte (Weltreiche, Frevel gegen das Heiligtum, schließliche Aufrichtung eines ewigen Gottesreiches) belehrt wird. a. 7 Vision von den vier Weltreichen, im 1. Jahre Belsazers: Löwe, Bär. Panther, furchtbares Ungeheuer mit eisernen Zähnen u. zehn Hörnern; das kleine Horn, der Alte an Tagen, Einer wie eines Menschen Sohn. Die Deutung durch den Engel (8,16 Gabriel; vgl. Sach.s Nachtgesichte). || b. 8 Vision im 3. Jahre Belsazers. Ein Widder, dessen zweites Horn später wuchs als das erste, aber höher wurde [Medien u. Persien], wird niedergetreten durch einen von Westen kommenden einhörnigen Ziegenbock [Griechenland]; die von diesem emporwachsenden vier Hörner [die Diadochenreiche], aus einem dieser geht ein frevelndes Horn hervor [ein frevelnder König (Antiochus Epiphanes)], Dauer des Frevels 2300 Abendmorgen. Deutung durch den Engel Gabriel. | c. 9 Vision im 1. Jahre Darius' des Meders. Daniels Gebet; die 70 [Jahr-]Wochen. || d. 10—12 Letzte Vision, im 3. Jahre des Cyrus. 10 Einleitung: Engelerscheinung am Flusse Hiddekel 11 Der Engel giebt dem Dn Aufschluß über den künftigen Verlauf der Geschichte, 5-20 mit zunehmender Ausführlichkeit (doch ohne Nennung von Namen) über die Ptolemäer u. die Seleuciden bis auf Seleukus IV, dann 21-45 über Auftreten und Untergang des Antiochus Epiphanes. 12 Der Errettung des Volkes Dan.s sollen noch schwere Drangsale vorhergehn; aber die Zeit dieser Drangsale ist von Gott bestimmt und begrenzt.

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2. Die kritischen Fragen. Gegen Dn als Verfasser u. zugleich für Abfassung in spät nachexilischer Zeit entscheiden, abgesehen von dem Fehlen jedes auf das ganze Buch bezüglichen Selbstzeugnisses, folgende Gründe a. Die Stellung des Buches im letzten Teile des Kanons. Die von HWitsius (Miscellanea sacra I, 15) aufgebrachte Unterscheidung zwischen donum propheticum u. munus proph. entkräftet diesen Grund nicht. b. Die Nichterwähnung in dem Verzeichnisse Si 49 ist um so auffälliger, als v. 15 gesagt ist: „Auch nicht wie Joseph wurde ein Mann geboren." Durch Traumdeutungen u. hohe Stellung ist Dn gerade dem Joseph sehr ähnlich geworden.

Sprachliches. c. Die Stücke 2,4-7 sind in wes taramäischer Sprache geschrieben, in einer Sprache, deren ein im 6. vorchristl. Jahrh. in Babylonien lebender Jude ganz gewiß sich nicht bedient hat. || d. Die Sprache der hebräischen Stücke 1-2,4; 8-12 weist in ganz späte Zelt. Vgl. zB mitu. Inf. „befehlen etwas zu thun" 1,3. 18; 2,2 (wie Ch, Neh, Est), während im älteren Hebraismus stets die direkte Rede gebraucht wird; Kenntnis 1,4. 17 (Ch, Prd); 72 das tägliche Brandopfer

אָמַר

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8. 11. 12, statt 7 niy; ph Stärke 11,17 (Est). || e. Etwa 15 Wörter sind sicher persischen Ursprungs. Die Anwendung wenigstens einiger von ihnen setzt längeren Verkehr zwischen Persern u. Juden voraus, so

Stück (in der Wendung: in Stücke hauen) 2,5; 3,29†; Dan Befehl 4,14, Wort 3,16; 17 Geheimnis. || f. Auch einige Wörter griechischen Ursprungs finden sich: ' 3 xivaois; 1 3 yaλtýgiov (2 in n übergegangen,

00uporta 15 .3,5 סומפניה,3,10 סיפניה ; (סַנְהֶדְרִין toy in in abgeschwächt wie in

(vgl. □ ovuqwvo in dem zweisprachigen Zolltarif von Palmyra ZdmG 1883, 569); 1172 Ausrufer 3,4, 1727 sie sollen ausrufen 5,29 ×ηoúooεiv. || g. Die Form etlicher Eigennamen. Nebukadnezar Dn (Ch, Esr, Neh, Est); Ez hat stets, Jer meist (n nur 27,6-29,3) die ältere Form Nebukadrezar [babyl. Nabu-kudurri-uçur „Nebo schütze die Grenze"]. Belsazar xa, ist keine genaue Wiedergabe des babyl. Bêl-šar-uçur „Bel schütze den Fürsten".

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Sachliches. h. Mängel in der Kenntnis der Sprache u. der Geschichte Babyloniens. a. Der Name Beltsazar ist babyl. balâțâšu-uçur ,,sein Leben schirme", wird aber 4,5 abgeleitet von dem Namen des Gottes Bel. ß. Chaldäer 2,2. 4 für die Kaste der Weisen". Diese Bedeutung ist dem babyl. Sprachgebrauch fremd, hat sich erst nach dem Untergange des babyl. Reiches gebildet, KAT2 429. | y. Belsazer 5 wird der Sohn Nebukadnezars genannt, Neb. der Vater B.s, sogar im Munde der Königin-Mutter v. 11:,,der König Neb., dein Vater". In Wirklichkeit war B. der Sohn des Thronusurpators Nabuna'id. Nur in neue Schwierigkeiten verwickelt die Vermutung (Zündel, Behrmann u. andre), der Verf. habe Evil-Merodakh, den Sohn u. Nachfolger Neb.s,,,mit Belsazar zusammengeworfen, wenn wir nicht annehmen wollen, daß Ev. den Nebennamen B. getragen hat, wofür spricht, daß der Verf. doch Ev. aus 2 Kg kennen mußte". | 8. Darius der Meder 6,1; 9,1. Man weiß jetzt, daß Cyrus im 17. Jahre Nabuna'ids (539) dessen Heer besiegte, daß am 16. Thammus Gubara (Gobryas), der Feldherr des Cyrus, ohne Kampf in die Stadt Babylon einzog, daß am 3. Cheschwan Cyrus seinen Einzug hielt u. dann den G. als Statthalter einsetzte (Schrader KB III, 2, S. 123. 135).

Theologisches. i. Die Visionen unterscheiden sich durch die Beschaffenheit ihres Inhalts so sehr von allen andren Weissagungen des AT, daß man annehmen muß, es habe mit ihnen eine besondre Bewandtnis gehabt. Der lange Zeitraum von Cyrus bis zum Auftreten Alexanders des Großen wird mit wenigen allgemeinen Worten abgethan; die Angaben über die ptolemäisch-seleucidische Zeit sind so speziell, gehen auch auf so unbedeutend Einzelheiten ein, so bes. Dn 11, daß man immer wieder den Eindruck hat nicht Weissagung, sondern Geschichte zu lesen. Das

über den Ausgang des Antiochus Epiphanes u. die fernere Geschichte des Gottesreiches Gesagte lautet wieder ganz allgemein. | k. Die Engel Gabri'el 8,16; 9,21 u. Micha'el 10,13. 21; 12,1. Sonst Engelnamen nirgends im AT. Im Buche Tobias: Rapha'el. Noch später ist der Name des vierten Erzengels Uri'el nachweisbar 4 Esr 4,1. Vgl. Henoch 9,1; 10,1; 20. Das Gewicht dieser u. andrer Gründe hat dazu geführt, daß gegenwärtig alle diejenigen Forscher, welche die Berechtigung der Kritik in Bezug auf die biblischen Schriften nicht grundsätzlich bestreiten, Dn in seiner jetzigen Gestalt während der Regierung des Antiochus Epiphanes entstanden sein lassen (auch Kahnis Dogmatik I, 331; Del.; Riehm §101, Kö.), u. zwar wegen 11,31 Greuel der Verwüstung" nach 168 v. Chr.

Für die Autorschaft des Dn, von dem in diesem Buche die Rede ist u. dessen wohl auch Ez 14,14. 20; 28,3 gedenkt, sind nach Hgstb. u. Häv. noch Pusey, Kranichfeld, Keil eingetreten, aber mit ganz unzureichenden Gründen. Wegen der Citate im NT s. §6,1.

3. Was die Dn-geschichten betrifft, so ist die Behauptung (Hitzig u. a.) zu verwerfen, daß ihr ganzer Inhalt tendenziöse Erfindung der Makkabäerzeit sei. Das über Nebukadnezar u. Darius den Meder Erzählte ist durchaus nicht derart, daß man darin eine Schilderung des Ant. Ep. finden müßte. Auch sprechen positive Gründe dafür, daß schon vor der Makkabäerzeit Dn-geschichten dem Volke bekannt waren. Für die von mir schon in der ersten Auflage vertretene Ansicht, daß diese Geschichten auch in schriftliche Form gebracht waren, sei hier hingewiesen auf die Zweisprachigkeit des Buches u. auf den Umstand, daß das visionäre Kap. 7 sprachlich sich etwas von den erzählenden Kapp. 2-6 unterscheidet. Wie weit der Verf. der hebräisch geschriebenen Visionen 8-12 und der Einleitung 1-2,4a (auch des Kap. 7?) diese seine Vorlage verändert hat, läßt sich nicht mehr bestimmen. || Die prophetische Bedeutung des Buches ist durch das NT sicher gestellt.

$ 64. Die Bücher der Chronika.

Die Bücher der Chronika 2, in der deutschen Bibel nach LXX (Παραλειπομένων πρῶτον, δεύτερον) und Vulg. (Liber primus Paralipomenon, L. secundus Par.) zwei Bücher, im Grundtexte bis auf Dan. Bomberg Ein Buch. Der griechische Name bezeichnet die Ch als eine Ergänzung zu den älteren kanonischen Geschichtsbüchern.

WBacher in ZatW 1895, 305-308 hat wahrscheinlich gemacht (s. Codex Alexandr., Peschittha, äthiop. Übersetzung), daß der volle Titel lautete: II. Tov ẞaoidéwv (ßaoi

hɛir?) Iovða; denn Kg spricht fast nur von den Königen Israels u. verweist mit oft auf „das Buch der Chronik der Könige Judas“, s. § 23,1.

1. Inhalt. a. 1 Ch 1-9 Abriß der Geschichte von Adam bis auf Saul, fast ganz in der Form von Genealogieen. 1 Von Adam bis Isra'el. 2-4 Stamm Juda (3 Davids Nachkommen) mit Anhang über Simeon. 5,1-26 die ostjordanischen Stämme. 5,27-6 Levi. 7 die andren Stämme (Sebulon fehlt; Dan?). 8 Genaueres über Benjamin; das Haus Sauls. 9 die Bewohner Jerusalems; nochmals das Haus Sauls. || b. 1 Ch 10-29 David. 10 Sauls Untergang. 12* Davids Beistand an streitbaren Männern. 15. 16 Überführung der Bundeslade nach Jerusalem (16 Davids Danklied ist aus yy 105. 96. 106 zusammengesetzt). 22,1-26,19 Davids geistliches Regiment: Vorbereitungen zum Tempelbau; Priester, Leviten, Sänger, Thorhüter. 26,20-27 bürgerliche u. militärische Beamte. 28. 29 Zurüstung des Tempelbaus, Davids Ende. || c. 2 Ch 1-9. Salomo. 2-7 Tempelbau u. Tempelweihe. || d. 2 Ch 10-36. Geschichte des Reiches Juda bis zur Wegführung ins babylonische Exil. 11. 12 Rehabeam. 13 Abia. 14-16 Asa (14,6—15,15). 17. 18. 19. 20 Josaphat. 17. 18. 19. 20 Josaphat. 21 Jehoram (2-4. 10-19). 22. 23 Ahasjahu, Athalja. 24 Jehoas (146-22). 25 Amazja (5-16). 26 Usia (5-15). 27 Jotham. 28 Ahas. 29-32 Hiskia (29,3-32,8). 33 Manasse (11-19 Gefangenführung nach Babel usw), Amon. 34. 35 Josia. 36 die letzten Könige u. die Zerstörung Jerusalems (22. 23 Cyrus erlaubt die Heimkehr).

2. Quellen. a. Für ε2,3-9 muß der Verf., wie schon die eingestreuten Bemerkungen zeigen, Quellen gehabt haben, insonderheit wohl alte Listen, vgl. 5,17. Manches kann aus dem 9,1 erwähnten Werke

(s. §d) entnommen sein.

b. Für 1,1 2,2 die Gn.

c. Von 10 an die Bücher Sm u. Kg. Beweis: Beide Bücher sind zur Zeit des Chronikers längst abgeschlossen gewesen. In etwa 45 Abschnitten, größeren wie kleineren, stimmt Ch wörtlich oder ziemlich wörtlich überein mit Sm, bezw. Kg. Dieses Übereinstimmen kann nicht durch die Annahme erklärt werden, daß Ch dieselben Quellen benutzt habe wie Sm, bezw Kg; denn die Urteile über die Regierungen der einzelnen Könige sind in Ch ebenso wie in Kg formuliert; diese Formulierung hat aber der Schlußverfasser von Kg nicht in seinen Quellen vorgefunden, sondern selbst gemacht § 23,4b.

d. Mehrfach genannt wird unter vier etwas verschiednen Titeln ein umfängliches Werk über die Geschichte beider Reiche: Buch der

* Kursiv gedruckte Ziffern zeigen an, welche längeren Abschnitte von 10 an nicht aus Sm-Kg herübergenommen sind.

Könige von Juda u. Isra'el 16,11: Asa; 25,26: Amazja; 28,26: Ahas. | Buch der Könige von Isra'el u. Juda (27,7: Jotham; 35,27: Josia; 36,8: Jojakim. | Buch der Könige von Isra'el [u. Juda ?] 9,1: Statistik des ganzen Isra'el; 20,34: Josaphat. Geschichten (Dibrê) der Könige von Isra'el 33,18: Manasse. Dies Werk hat eine synchronistisch zusammengearbeitete Geschichte beider Reiche enthalten, ist aber nicht identisch mit Kg; denn der Chroniker braucht die Verweisungsformel 1 2727 727 ,,und die übrigen Geschichten des N stehen geschrieben in . ." auch da, wo er mehr bietet als Kg, also Verweisung auf Kg sinnlos wäre: 9,1; 27.7; 33,18; 36,8.

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e. Fragliches. Mit den Geschichten" ("), bezw. Weissagungen oder Schauungen der Propheten Samuel, Nathan, Gad, Ahia, 'Iddo, Sema ja 29,29 (David); $9,29 (Salomo); 12,15 (Rehabeam) sind wahrscheinlich nur Abschnitte des §d genannten Werkes gemeint, vgl. die Art, wie die Geschichten Jehus, Sohns des Hanani (20,34 (Josaphat), die Schauung des Propheten Jesaja 32,32 (Hiskia) u. die 7 33,18. 19 [hier Schreibfehler] (Manasse) angeführt werden. || Schrift des Propheten Jesaja über Usia $26,22. || Midrasch des Buches der Könige $24,27 (Jehoas). Midrasch des Propheten 'Iddo 13,22 (Abia). || Vgl. noch & 23,27; 27,24.

Alles nicht aus Sm-Kg Entnommene ist in dem charakteristischen Stil des Chronikers abgefaßt.

3. Glaubwürdigkeit. Der Verf. ist allerdings nicht ein im modernen Sinne objektiver Geschichtsschreiber: er stellt, vermutlich selbst Levit, die Geschichte vom priesterlich-levitischen Standpunkte aus dar, mit besondrer Hervorhebung alles dessen, was auf Tempel u. Kultus Bezug hat; er läßt vieles weg, was dem Ruhme der von ihm gelobten Könige Eintrag thun könnte (Ruth 2,12, Davids Ehebruch, Salomos Vielweiberei u. seine dadurch veranlaßte Hinneigung zum Götzendienst). Aber man irrt. wenn man meint, er habe sich eingebildet durch sein Schweigen diese Thatsachen vergessen machen zu können. Waren sie doch durch Sm, Kg, Ruth längst bekannt! Erwähnte doch 51 in seiner Überschrift den Ehebruch Davids! Sein Schweigen erklärt sich vielmehr aus den Zeitverhältnissen: in trüber Zeit will der Verf. sich selbst u. seine Zeitgenossen durch Vorhaltung eines Idealbildes der Vergangenheit aufrichten. Auch der Verf. von Kg verschweigt: 812,20 f, daß Jehoas Götzendienst gestattet (s. 24,17 ff!), u. $14,17f, daß Amazja den Götzen der Edomiter Verehrung erwiesen hat (s. 25,14 f. 20!). || Die Beurteilung der Königszeit, besonders der Zeit Davids, als einer idealen, war geeignet auf die Darstellung auch positiven Einfluß zu üben, u. so ist es wohl möglich, daß der Verf. Einrichtungen späterer Zeit als schon in früherer vorhanden voraussetzte. Manche Zahlen sind so hoch, daß man sie für geschichtlich nicht halten kann, zumal wenn man die Parallelen in Kg vergleicht.

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