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strafen sollen. Belagerung der Festung Bethulia, griech. Barvλova (d. i. Beth-El. Haus Gottes Jerusalem ?); Errettung der Juden durch Judith, welche den Führer der Feinde getötet habe. Die meisten Forscher sind der Ansicht, daß der Inhalt gar keine historische Grundlage habe, sondern lediglich Fiktion sei. Diejenigen, welchen diese Ansicht zu weit geht, vermögen doch nicht Wahrheit und Dichtung von einander zu scheiden. Unter den Protestanten ist nur OWolff für die volle historische Glaubwürdigkeit der Erzählung eingetreten.

Das Buch ist eine paränetische Schrift, wohl aus der Makkabäerzeit, also noch aus dem 2. Jahrh. v. Chr.; Reuss AT, VII 225 f denkt speziell an die Zeit der Belagerung des Johannes Hyrkan in Jerusalem durch Antiochos VII. Sidetes. Wahrscheinlich aber hat der Verf. das Material zu seiner paränetischen Schrift aus der Geschichte des Perserkönigs Artaxerxes III. Ochus, 359-338, genommen (v. Gutschmid, Nöldeke, Schü). Da schon gegen Ende des 1. christl. Jahrh. Clemens Romanus (1 Kor 55) Iovdu panagía erwähnt, ist es jedenfalls nicht zulässig, das Buch zu erklären aus Ereignissen der Zeit Trajans (Volkmar) oder gar Hadrians (JOppert, RÉj 1894, XXVIII, 35). || Hieronymus behauptet aus einem „chaldäischen“ (d. h. aramäischen) Texte übersetzt zu haben. Dafür daß der griechische Text nicht Original ist, spricht auch der Umstand, daß etliche Stellen wohl nur als Übersetzungsfehler zu erklären sind (Fritzsche). Ob freilich das Original in (neu)hebräischer oder in aramäischer Sprache geschrieben war, ist fraglich. In ersterem Falle würde wohl anzunehmen sein, daß Hier. nicht das Original, sondern eine Übersetzung vor sich gehabt hat. Denn schwerlich ist Grätz, MGWJ 1879, 385 f, im Recht, welcher meint, daß Hi. die neuhebräische Sprache des Buches wegen der ..Chaldaismen" u. der vom Althebräischen abweichenden Konstruktionen nicht erkannt habe.

2. Das Buch Tobias, LXX Toßit, Liber Tobiae. (LXX nennt den Vater Tobit, den Sohn Tobias. Tobit ist hebr. i, dies Abkürzung aus maio; vgl. "y u. Hieron. nennt beide Tobias; ebenso Luther). a. Inhalt. Der Naphthalit Tobit, Angehöriger einer der aus Samarien deportierten Familien, in Ninive; seine Frau Anna; seine Gesetzestreue u. seine guten Werke; Erblindung. Achiachar.* Der Sohn Tobias reist mit dem Engel Rapha'el (Herz, Leber u. Galle des Fisches) nach Rhages (jetzt Teheran) in Medien zu Gabael, ehelicht in Ekbatana Sara,

* Die altlatein. Übersetzung hat: Achicarus. Über den weisen Achikar vgl. BMeißner ZdmG 1894, 171-197; MLidzbarski 671-675 u. desselben: Geschichten u. Lieder aus den neuaram. Handschriften der Kgl. Bibliothek zu Berlin, Weimar 1896, 1—41.

seines reichen Verwandten Ragu'el einziges Kind, also eine Erbtochter. Rückkehr zum Vater, dessen Heilung. Tobits Lobgesang. Nach des Vaters. Tode zieht T. nach Ektabana u. erlebt noch die Zerstörung Ninives.

b. Über die Fragen, wann u. in welcher Sprache das Buch Tobias verfaßt worden sei und welche der verschiedenen uns erhaltenen Textgestalten (griech., lat., „chald.“) der ursprünglichen am nächsten stehe, ist eine Einigung noch nicht erzielt. Der ausführliche Text des Codex Sinaiticus ist wahrscheinlich Umarbeitung des gewöhnlichen Textes (Fritzsche, Nöldeke, Rosenmann; dagegen Grätz, MGWJ 1879, 388). || Hieron. (Vorwort zur Übersetzung) berichtet, daß er librum Chaldaeo sermone conscriptum ins Lateinische übersetzt habe. Der von Neubauer veröffentlichte aramäische Text ist jedenfalls sekundärer Art. Während den Meisten (auch Schü.) der griech. Text wahrscheinlich Original ist, hat Reuss AT, VII 395 die Überzeugung geäußert, daß das Buch „in einer der von Juden gesprochenen semit. Mundarten geschrieben worden ist. Es findet sich keine Spur griechischer oder hellenistischer Ideen". Reuss ist geneigt das Buch für schon im 3. Jahrh. v. Ch. verfaßt zu halten; denn die Heftigkeit des Gegensatzes gegen das Heidentum, welche die jüdische Litteratur seit der Makkabäerzeit charakterisiere, lasse sich nicht darin verspüren. Schü.:,,im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte vor Christo"; ebenso Zö. Für das 2. vorchristl. Jahrh. Fritzsche, Bissell u. neuestens M. Rosenmann. Dieser wegen des hohen Wertes, welchen der Verf. auf die Agnatenehe lege: Sara müsse als Erbtochter nach 436,6 ff dem nächsten Agnaten die Hand reichen. Dieses Gesetz sei aber spätestens im 1. vorchristl. Jahrh. außer Geltung gesetzt worden; denn schon lange vor Zerstörung des Tempels 70 n. Ch. wurde am 15. Ab ein auf die Beseitigung dieses Gesetzes bezügliches Freudenfest gefeiert. Jedenfalls darf man aus 13,16; 14,4f schließen, daß die Abfassung vor dem Tempelbau des Herodes stattgefunden hat. Grätz S. 450 f sagt über die Tendenz: „Es kann nicht übersehen werden, daß auf dreierlei besonders Gewicht gelegt wird: 1. auf Mildthätigkeit u. Almosenspenden an Bedürftige, 2. auf das Heiraten innerhalb der Familie u. 3. auf Bestattung von Leichnamen derer, welche von Tyrannen hingerichtet worden waren."

$ 69. Lehrschriften.

1. Die Weisheit Jesus' des Sohnes Sirachs, Zopía Inoov viov Zagáz, Vulg. Ecclesiasticus, ist von einem im J. 132 v. Chr. nach Ägypten gewanderten Nachkommen des Autors ins Griechische übersetzt worden. Der Übersetzer bezeichnet seinen Vorfahren als ὁ πάππος μου. Wenn

mit diesem Ausdruck der Großvater gemeint ist (so die gewöhnliche Ansicht), wäre das Buch im ersten Viertel des 2. vorchristl. Jahrhunderts verfaßt. Genaue Prüfung der im J. 1896 aufgefundenen Bruchstücke des hebräischen Originals, 39,15-49,11, hat aber sehr wahrscheinlich gemacht (JHalévy), daß zwischen der Abfassung und der Übersetzung ein viel längerer Zeitraum verstrichen ist. Dann steht лáллоs in dem weiteren Sinne,,Vorfahr", u. der Kap. 50 mit lebhaften Farben geschilderte Hohepriester Simon ist Simon I., mit dem Beinamen der Gerechte, der etwa 290 v. Chr. wirkte. Wenn diese Datierung sich bestätigt, hat der Fund auch für die Geschichte des alttestamentlichen Kanons und der hebräischen Sprache sehr große Wichtigkeit. Sa'adia Gaon (892-942), der den Grundtext noch vollständig besaß, nennt den Verfasser i 7. Sira bedeutet in den jerusalemischen Targumen „Panzer": das im Griechischen hinzugefügte % soll das Wort als nicht-deklinierbar bezeichnen, vgl. im NT Axeldaμax Apg 1,19, 'Iwonz Die Talmudisten schätzten u. citierten diese schöne Spruchsammlung (vgl. auch 5,11 mit dem Brief des Jakobus 1,19); es läßt sich aber nicht beweisen, daß sie bei ihnen kanonische Geltung gehabt habe.

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.3,26 .Lk יוסי

2. Die Weisheit Salomos, Zopía Zoloμartos. Begeistertes Lob der Weisheit, sowie Warnungen vor Gottlosigkeit u. speziell vor Götzendienst. (Der Begriff des Wortes W. ist zwar durch den Glauben Isra'els bestimmt, aber doch kein enger.) Der Verfasser, welcher freilich so redet. als ob er Salomo wäre u. zu den heidnischen Herrschern spräche, ist ein alexandrinisch-jüdischer Philosoph, dessen Standpunkt die Mitte bildet zwischen dem des Siraciden u. dem Philos. Grimm, Reuss, Schü. u. a. lassen daher das Buch zwischen 150 u. 50 v. Chr. geschrieben sein. Kue. § 105,10 freilich meint, Entstehung erst unter Cajus Caligula sei wahrscheinlich. Daß das Buch griechisch abgefaßt worden ist, hat überzeugend JFreudenthal dargethan in JQR 1891 (III), 722-753.

3. Das vierte Makkabäerbuch, richtiger лɛдì avтozgáτoqos hoyiquov (undeutlich ist der lateinische Titel: De imperio rationis), von einem mit der stoischen Philosophie vertrauten alexandrinischen Juden wahrscheinlich vor der Zerstörung Jerusalems geschrieben, zeigt an den Martyrien des Eleasar u. der sieben Brüder (s. 2 Makk 6. 7), daß frommes u. zugleich vernünftiges Denken die Affekte unbedingt beherrsche (avtoδέσποτος ἐστι τῶν παθῶν ὁ εὐσεβὴς λογισμός). Der bei dieser theoretischen Darlegung verfolgte praktische Zweck ist Ermunterung zu gesetzestreuem u. frommem Leben. Eusebius, Hieronymus u. a. haben das Büchlein irrig dem Josephus zugeschrieben (daher in den meisten Ausgaben der Werke des Jos.). 18,3-23 ist ein Anhang von späterer Hand.

$ 70. Prophetische Nachbildungen.

1. Das Buch Baruch, Bagoúz, Prophetia Baruch, welches nach dem aus Jer 32,11; 36. 43. 45 bekannten Sekretär Jeremias genannt ist, besteht aus zwei nicht zusammengehörigen, von verschiedenen Verfassern herrührenden Teilen: a. 1-3,8. historische Einleitung 1,1-14: ein von Baruch dem Joachim u. den andren nach Babel Deportierten vorgelesenes Sündenbekenntnis hat auf die Hörer tiefen Eindruck gemacht, so daß sie das Schriftstück samt Geld zu Opfern nach Jerusalem senden, damit es dort an Festtagen verlesen werde. Zugleich werden die Juden in Jerusalem aufgefordert für den König Nebukadnezar u. seinen Sohn Belsazer zu beten. 1,15-3,8: der Text des Sündenbekenntnisses. || b. 3,9-5. Mahnund Trost-schrift für Volk u. Stadt (in zwei Teilen 3,9-4,4; 4,5—5,9).

Der erste Teil ist, wie Notizen in der syrisch-hexaplar. Übersetzung zu 1,17 u. 2,3 beweisen, ursprünglich hebräisch geschrieben. Die Abfassungszeit ist streitig. Reuss AT, VI 426 deutet Nebukadnezar u. Belsazer 1,11 auf die beiden ersten Ptolemäer, deren zweiter eine Zeit lang Mitregent seines Vaters war u. welchen beiden die Juden sowohl in Ägypten als in Palästina vielfach zu Dank verpflichtet waren". Nach Ansicht der Meisten ist das Sündenbekenntnis von Dn 9 abhängig (vgl. bes. 1,15-18 mit Dn 9,7-10); dann könnte es erst nach 160 v. Chr. entstanden sein. Reuss bemerkt dagegen, daß solche Gebete sich überall in demselben Ideenkreise bewegen; übrigens sei eventuell die Priorität dem Baruchbuche zuzusprechen, weil Bar. 2,17 (anders als Dn 12,2) der Glaube an Auferstehung noch nicht vorhanden sei. Da in der Makkabäerzeit, also etwa von Mitte des 2. bis Mitte des 1. vorchristl. Jahrh. 1,11 befriedigend nicht zu erklären ist, denken Kneucker u. Schü. an Vespasianus u. Titus und finden demgemäß 1,2; 2,23. 26; 4,10-16 deutliche Beziehungen auf die Zerstörung Jerusalems durch Titus. Darf man aber annehmen, daß Juden für diese beiden Römer zu beten aufgefordert haben?? || Kneucker u. Kö. § 103,1 meinen, das ganze Buch sei ursprünglich hebräisch geschrieben. Schon Athenagoras (Schutzschrift für die Christen 9) citiert 3,35 als von einem лооýτηs geredet.

2. Der Brief des Jeremia, Eлoτohn Tεoεμíov, in der Vulgata u. danach bei Luther mit Unrecht als 6. Kap. des Baruchbuches bezeichnet. In der LXX steht der Brief hinter den Klagliedern, Baruch vor ihnen. || Der Brief giebt sich als eine an die Exulanten in Babylonien gerichtete Mahnung gegen die thörichte Verehrung der Götzenbilder, ist aber wohl von vornherein in griechischer Sprache abgefaßt. Wann? Reuss AT, VII 275 denkt an die Zeit der ersten Ptolemäer, weil v. 2 statt der von Jer voraus

Strack, Einl. in das A. Test. 5. Aufl.

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gesagten 70 Jahre des Exils 7 Generationen gesetzt seien, welche man wohl nach althebräischer Methode gleich je 40 Jahren zu rechnen habe. Daß 2 Makk 2,2 auf den Brief hingewiesen werde (so zB wieder Kö. §102), wird von Schü. u. Zö. bestritten. Meines Erachtens hat der Verf. von 2 Makk an Jer 10,1-16 gedacht; auch der Targum zu Jer 10,11 bezieht sich nicht auf unser Apokryphon (Eb. Nestle, Marginalien u. Materialien, Tübingen 1893, S. 42f).

§ 71. Zusätze zu kanonischen Schriften.

Das lebhafte Interesse, welches die Juden an dem über Esther u. Daniel Berichteten nahmen, gab Anlaß zu manchen apokryphischen Erweiterungen der nach diesen beiden benannten Bücher.

1. Zusätze zum Buche Esther: In der Vulgata am Ende des Buches, bei Luther als „Stücke zu Esther" unter den Apokryphen: a. ein Traum Mardochais, LXX vor 1,1, Vulg. 11,1-12,6, Luther 7; b. Edikt Hamans (vgl. 3,12f), LXX nach 3,13, Vulg. 13,1–7, Lu. 1; c. ein Gebet Mardochais u. der Esther, LXX nach 4,17, Vulg. 13,8-14,19, Lu. 2. 3; d. Ausschmückung der Scene zwischen Esther u. dem Könige, LXX 5,1. 2, Vulg. 15,4-19, Lu. 4; e. Edikt Mardochais (vgl. 8,9), LXX nach 8,12, Vulg. 16,1-25, Lu. 6; f. Auslegung des Traumes Mardochais, Nachricht von dem Bekanntwerden des Purimfestes in Ägypten, LXX u. Vulg. nach 10,3, Lu. 8. Diese ursprünglich griechisch geschriebenen Zusätze sind schon von Josephus, Altert. XI 6 gekannt. Charakteristisch ist für sie die starke Hervorhebung des religiösen Moments. Origenes (Brief an Julius Africanus 3) behandelt das griechische Estherbuch mit den Zusätzen als kanonisch.

2. Zusätze zum Buche Daniel: a. Gebet Asarjas; b. Gesang der drei Männer im Feuerofen (beide hinter 3,23); c. Susanna durch Daniels Weisheit von ungerechter Verurteilung errettet; d. Vom Bel zu Babel u. vom Drachen zu Babel. Der LXX-text dieser beiden Stücke ist nur im Codex Chisianus erhalten, u. zwar mit besonderen Überschriften hinter dem Schlusse des Dn-buches: Σουσάννα und Ἐκ προφητείας Αμβακουμ υἱοῦ Ἰησοῦ ἐκ φυλῆς Λευι. Im Dn-texte des Theodotion (d. h. in den andren Handschriften der LXX) steht die Susannageschichte am Anfange. Daß diese Zusätze von vornherein griechisch geschrieben sind, ist in neuerer Zeit fast nur von einigen katholischen Forschern bestritten worden. Schon Julius Africanus hat gegen Origenes auf die Wortspiele Sus. V. 54 ff σχίνος, σχίζειν und πρῖνος, πρίειν hingewiesen. Die Abweichungen im Texte Theodotions sind, soweit wir wissen, nicht durch irgendwelche dem Th. vorliegende Überlieferung, sondern nur durch das Belieben Th.s veranlaßt.

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