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3. Das Gebet Manasses ist auf Grund des (33,11-13 Erzählten (vgl. auch 18. 19) von einem frommen Juden verfaßt (nur 8 ein unbiblischer Gedanke). Die Vermutung, daß der griechische Text aus dem Hebräischen übersetzt sei (Ew., JFürst, Gesch. der bibl. Literatur u. des jüdisch-hellenist. Schriftthums, II 399, L. 1870; KBudde, ZatW 1892, 39 f), liegt daher nahe, läßt sich aher nicht zur Gewißheit erheben. Obwohl zuerst in den Constitut. apost. II 22 angeführt, kann das Gebet doch aus vorchristlicher Zeit stammen. || Das Gebet steht nur in einigen Handschriften der LXX; im Codex Alex. u. im Psalterium Turicense findet man es unter den dem Psalter angehängten Hymnen.

Kapitel VI. Die Pseudepigraphen.

§ 72. Vorbemerkungen.

Unter Pseudepigraphen des AT versteht man diejenigen an das kanonische Schrifttum sich anlehnenden jüdischen Litteraturerzeugnisse, welche in der alten Kirche nicht in demselben Grade oder (und) Umfange Anerkennung gefunden haben wie die Apokryphen. Der Name bezeichnet eigentlich nur solche Schriften, welche von einem Verfasser herrühren wollen, von dem sie nicht sind; „jedoch da die pseudepigraphische Form wenigstens den allermeisten dieser Schriften eignet, da ferner diese Form mit der Unzuverlässigkeit u. Unächtheit des Inhalts in innerem Zusammenhange steht, da endlich pseudepigraphische Schriftstellerei für den ganzen Zeitraum, dem diese Bücher hauptsächlich entstammen, ein charakteristisches Merkmal bildet, so behält doch dieser Name immer seinen guten Sinn u. sein Recht" (Di.). Die Pseud. sind Lehr-, Mahn- und Trost-bücher, meist prophetischer, speziell apokalyptischer Art. Nicht geringe Bedeutung haben mehrere von ihnen dadurch, daß sie einen Übergang von der alttestamentl. zur neutestamentl. Zeit bilden und uns Einblicke in die Geschichte der messianischen Idee thun lassen.

$73. Das Buch der Jubiläen.

Das Buch der Jubiläen, Tà 'Iwẞniała (Epiphanius), oder Die Kleine Genesis, Дεлτη T'évεois (Epiph., Hieron.). Der zweite Name deutet auf das, im Verhältnis zur kanonischen Gn geringere Ansehen. Hieron. bezeugt hebräisches Original; daher ist Abfassung in Palästina wahrscheinlich. Das Buch ist erhalten nur erstens in äthiopischer Über

setzung (Kûfâlê), zweitens teilweise in lateinischer Übersetzung, welche beide nicht aus dem Original, sondern aus einer gleichfalls verlorenen griech. Übersetzung gemacht sind. Letztere wird seit dem 4. Jahrh. von Kirchenvätern erwähnt. Der Verf. hat wohl im 1. vorchristl. Jahrh. geschrieben; denn er hat das Buch Henoch benutzt, aber sein Buch scheint in den Testamenten der 12 Patriarchen benutzt zu sein. Dazu kommt, daß Jerusalem als Central-Kultusstätte vorausgesetzt ist. Der Verf. steht wesentlich auf pharisäischem Boden, spricht jedoch gegen die pharis. Kalenderberechnung und lehrt Seelenfortdauer ohne leibl. Auferstehung. Der Inhalt ist freie, legendenartige Wiedergabe von 11-212 in Form einer dem Mose auf dem Sinai gewordenen Offenbarung. Der Verf. rechnet nach Jobelperioden, die aus je 7 Jahrwochen zu 7 Jahren bestehen. Man beachte die starke Hervorhebung der Engel u. die Präexistenz des Gesetzes.

§ 74. Weissagungen in Apokalypse-Form.

1. Das Buch Henoch, ursprünglich hebräisch (oder aramäisch) geschrieben, ist vollständig nur in äthiopischer Übersetzung erhalten, welche nicht aus dem Grundtexte, sondern aus einer griech. Übersetzung gemacht ist. Letztere schien bis auf einige kleine Stücke verloren; erst 1886/87 hat man bei Ausgrabungen in Akhmim (Ägypten) 1-32,6, teilweise sogar doppelt, im griechischen Wortlaut gefunden. || Das Buch ist keine litterarische Einheit. Bemerkenswert ist auch, daß Origenes (Gegen Celsus V, 54 u. sonst) den Plural braucht: „Bücher Henoch". Auszusondern sind: a. die Bilderreden (Überschrift: Das zweite Gesicht der Weisheit, welches H. sah) 37—71, ein späteres Einschiebsel; sie setzen Kap. 56 den Einfall der Parther in Palästina (40-38 v. Chr.) voraus, können also frühestens in der Zeit des Herodes I. geschrieben sein. Schü.2 II 626 ist für diese Zeit; v. Hofmann, Hilgenfeld, Philippi, Kö. behaupten christlichen Ursprung. b. die ,,noachischen Bestandteile" 54,7-55,2; 60. 65-69,25 u. wohl auch 106. 107, so genannt, weils sie teils von Noah u. seiner Zeit handeln, teils als von ihm geschrieben sich ausgeben. 68,1 wird sogar ,,Das Buch der Bilderreden Henochs" citiert. | c. 108, ein selbständiger späterer Zusatz.

Die Hauptmasse, also 1—36 u. (mit Ausnahmen) 72-105, ist höchst wahrscheinlich in der Zeit des Johannes Hyrkanos (135-105) verfaßt; denn 85-90 wird die Geschichte der Theokratie unter dem Bilde von Rindern u. Schafen bis auf diesen Herrscher fortgeführt, u. es ist kein Grund vorhanden, die übrigen Stücke dieses Hauptteils aus andrer Zeit abzuleiten. Inhalt: 1-5 Einleitung. 6-11 Fall der Engel. 12-36

was H. auf seinen Reisen durch den Himmel u. die Erde gesehen habe. 72-82 Astronomisches. 83-91 zwei Traumgesichte. 92-105 Mahnreden. || Benutzt wird das H.-buch schon im Buche der Jubiläen, in den Testamenten der 12 Patr., im Briefe des Judas v. 14, im Briefe des Barnabas 4. 16.

2. Die Hinaufnahme Moses, 'Aválnyis Mwvoéws, Assumptio Mosis, ist nur unvollständig erhalten, u. zwar in einer latein. Übersetzung aus griechischer Vorlage. Letztere stammt vielleicht aus einem hebr. oder aram. Original (FRosenthal, Vier apokryphische Bücher, L. 1885, 34—38); für hebr. Grundsprache auch Charles. Dieser u, Schü. vermuten, daß Kapp. 8. 9 an falscher Stelle stehen. Abfassungszeit wahrscheinlich bald nach dem Tode Herodes' I. (Schü., Zö.); dann sind die homines pestilentiosi 7,3 die Pharisäer, u. der Verf. hat zur Partei der Zeloten gehört. Langen, Baldensperger (Das Selbstbewußtsein Jesu 1892) u. Kö. sagen „nach 66 n. Chr."; dann wäre die Polemik gegen die römischen Prokuratoren gerichtet. || Inhalt. Ansprache Moses an seinen Nachfolger Josua: Mose weissagt die künftige Geschichte seines Volkes mit besondrem Eingehn auf die Hasmonäer u. Herodes. Der jetzt fehlende Schluß hat über den Tod u. die Hinwegnahme Moses berichtet. Hier war auch der Streit des Erzengels Michael mit dem Satan um den Leichnam Moses erwähnt. Das erhaltene Stück würde daher besser Testamentum Mosis genannt werden. Der Brief des Judas v. 9 nennt zwar keine Quelle; aber Origenes, De principiis III, 2,1 bezeugt, daß Judas aus der Hinaufnahme Moses" geschöpft habe.

3. Vision und Martyrium des Jesaja, Ascensio Isaiae. Diese Schrift ist in ihrer äthiopischen Gestalt kein einheitliches Werk. a. Die Vision 6-11 (ohne 11,2-22), welche von Epiphanius Avaßarixòv Hoaïov, von Hieron. Ascensio Isaiae genannt wird, ist von einem Christen verfaßt. | b. Jüdischen Ursprungs ist, wie auch Origenes bezeugt, das Martyrium des Jesaja 2-3,12; 5,2—14. Beide Schriften hat ein Christ unter Hinzufügung von Kap. 1 (Jes. weissagt dem Hiskia die Gottlosigkeit seines Sohnes Manasse) verbunden. | c. Wie eine von O. v. Gebhardt veröffentlichte freie griechische Bearbeitung zeigt, sind die in dieser fehlenden Stücke 3,13-5,1 u. 11,2-22 noch spätere Einschiebsel von christlicher Hand.

4. Die Apokalypse des Baruch war lange nur durch eine aus einem griech. Texte gemachte syrische Übersetzung bekannt. Jetzt kennt man außer einer altslavischen Version auch den griech. Text. Wahrscheinlich ist auch dieser nicht ursprünglich, sondern ein hebr. Original anzunehmen. Wenn Papias, um 163 n. Chr., seine chiliastischen Träumereien wirklich unsrem Buche entnommen hat (Irenäus V 33,3), ist für die Abfassungszeit

ein terminus ante quem gegeben. Die Zerstörung Jerusalems durch Titus ist 32 deutlich vorausgesetzt; fraglich aber ist, wie viel Zeit seit ihr verflossen. Nötigen die starken Berührungen mit 4 Esr ein Abhängigkeitsverhältnis anzunehmen? Wenn ja, auf wessen Seite ist die Abhängigkeit? Hilgenfeld, Fritzsche, Drummond, Schü. lassen die Ap. B.s bald nach der Zerstörung Jerusalems verfaßt sein; Langen, Wieseler, Di., Kö. unter Trajan. || Inhalt. Baruch erzählt, was er unmittelbar vor u. nach der Zerstörung Jerus.s (zur Zeit der Chaldäer) erlebt hat u. welche Offenbarungen ihm zu teil geworden sind.

5. Das vierte Buch ‘Esra, auch die Apokalypse des Esra genannt, ist höchst wahrscheinlich in griechischer Sprache verfaßt, aber nur in Übersetzungen erhalten, von denen die wichtigsten sind: die lateinische, die syrische u. die äthiopische. Die zwei ersten u. die zwei letzten (15. 16) Kapp. sind Zusätze von christlicher Hand; der Hauptteil des Buches ist eine in der Zeit des Nerva (s. Di.) verfaßte jüdische Apokalypse (7 Visionen), welche in trüben Zeiten den Frommen ermutigen will auszuharren. |,,Fünftes Buch "Esra" ist die von Fritzsche geprägte Benennung für 4 Esr 1. 2. 15. 16.

§ 75. Die Testamente der zwölf Patriarchen.

Von den pseudepigraphischen Weissagungen in Testamentgestalt sind die bekanntesten die sogenannten Testamente der zwölf Patriarchen. Jeder Sohn Jakobs erzählt seine Lebensgeschichte u. knüpft daran Ermahnungen an die Nachkommen. Den Schluß bildet stets eine Weissagung mit besondrer Hervorhebung, daß Juda u. Levi von Gott zu Führern berufen seien u. die andren Stämme ihnen sich anschließen sollen. Die Test. sind eine jüdische Schrift, welche in den weissagenden Abschnitten zahlreiche christliche Interpolationen (nach FSchnapp schon vorher jüdische) erfahren hat. Für die Frage nach diesen Einschiebseln ist sehr wichtig die von FAConybeare entdeckte alte armenische Übersetzung (s. JQR 1893 [V], 375-398; 1896 [VIII], 260-268; 471-485. Genaueres soll die 2. Aufl. der Ausgabe von Sinker bringen). || Es scheint, daß einerseits der jüdische Verf. das Buch der Jubiläen benutzt hat, andrerseits die christl. Erweiterungen schon von Irenäus gekannt sind. Abfassungszeit der Grundschrift nach Schü.2 II, 667 nicht später als im 1. Jahrh. n. Chr., nach Conybeare zwischen der Zerstörung Jerus.s durch Titus u. dem Aufstande des Bar Kochba.

$ 76. Die sibyllinischen Orakel und die Psalmen Salomos.

1. Von den teils jüdischen, teils christlichen Xonoμoi Ziẞvilianoí, Oracula Sibyllina waren bis Anfang dieses Jahrh. nur 8 Bücher bekannt. Angelo Mai hat 1817, bezw. 1828 auch die Bücher XI-XIV veröffentlicht. Am meisten Jüdisches ist enthalten in III-V, einiges vielleicht auch in I, II, XI, XIV. Schü. bezeichnet die jüdischen Stücke als Schriften jüdischer Propaganda unter heidnischer Maske: „sie halten dem Heidentum direkt die Thorheit des Götzendienstes u. die Verworfenheit seines sittlichen Wandels vor... u. verheißen für den Fall der Bekehrung Lohn u. ewige Seligkeit." Die Orakel sind in griechischen Hexametern gedichtet u. schließen sich im Ausdruck an Homer an.

Der älteste Complex III97-807 ist wahrscheinlich um 140 v. Chr. verfaßt. Denn der siebente König Ägyptens griechischer Abstammung, unter dem das Ende eintreten werde, kann nur Ptolemäus VII. Physkon während der Zeit seiner Alleinherrschaft (145-117) sein. Auch wird der Anfang schon von Alexander Polyhistor (1. Hälfte des 1. vorchristl. Jahrh.) mit den Worten Zißvlla dé pŋoiv angeführt. || Gleichfalls sehr alt sind die 84 Verse des sogenannten Prooemium, das einst wohl den Eingang zu III bildete. „Den Inhalt dieser Verse kann man als das eigentliche Programm aller jüdischen Sibyllistik bezeichnen: sie enthalten eine energische Hinweisung auf den allein wahren Gott u. eine ebenso energische Polemik gegen den Götzendienst". || III36-92 wahrscheinlich aus der Zeit der bekannten Kleopatra, etwa 40-30 v. Chr. Buch IV etwa 80 n. Chr. Wesentlich in dieselbe Zeit gehört die Hauptmasse von V (in diesem Buche auch einiges Christliche, sicher v. 256-259).

2. Eine Taluoi Zoloμãvτos überschriebene Sammlung von 18 Psalmen ist in einigen Handschriften der LXX erhalten. Die Grundsprache ist sicher das Hebräische gewesen (dagegen nur Hilgenfeld). Gedichtet sind diese Psalmen bald nach der Eroberung Jerusalems durch Pompejus (63 v. Chr.); am spätesten wohl Ps 2, in dem noch der Ermordung des Pompejus (48 v. Chr.) gedacht wird. Sie stehen auf dem Standpunkte des pharisäischen Judentums, fordern die Sıxaιoσúvη лoooτayμáτwv 14,1. Das unrechtmäßige Königtum der Hasmonäer ist beseitigt. Nun hofft der Verf. auf den messianischen König 17,5. 23 ff; 18,6-10. | Mißlungen ist der Versuch WFrankenberg's (1896) nachzuweisen, daß diese Psalmen schon in der Makkabäerzeit entstanden seien.

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