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§ 26. Jesaja I: Die kritischen Fragen.

1. Jes 36–39. In Bezug auf diesen historischen Anhang steht fest, daß er von Jes verfaßt weder zu sein beansprucht noch sein kann. Gründe : a. Jes hat schwerlich noch den 37,38 erwähnten Tod Sanheribs (Dez. 682 oder Jan. 681) erlebt. b. Das Datum 36,1,,im 14. Jahre Hiskias" kann nicht auf 36. 37 gehn, sondern nur auf 38. 39. Wahrscheinlich stand 38f früher vor 36f gleich hinter diesem Datum (s. §24,3). c. Dieser ganze Anhang ist fast wörtlich gleich 818,13. 17—20,19, u. zwar ist er aus Kg herübergenommen. Letzteres wird bewiesen erstens durch die Übereinstimmung mit der Ausdrucksweise des Schlußverfassers von Kg (beachte Jes 37,35 ,,um meines Knechtes David willen" vgl. 711,12. 13. 32. 34 usw; ferner Jes 38,3 vom Herzen, vgl. 78,61; 11,4 usw); zweitens durch die Thatsache, daß 820,1-11 in Jes 38 teilweise verkürzt ist. Aus einer unabhängigen Quelle, vielleicht aus einer Sammlung liturgischer Stücke, hat der Entlehner den Psalm des Hiskia 38,9-20 eingefügt; 38,21 f ist wohl nur durch eine Schreiberirrung von 38,1-5 getrennt. || Die Anfügung dieser Kapp. an das Jes-buch war um so passender, als in den Reden uns echtjesajanisches Gut geboten wird. Auch Di. sagt von 37,22—32: „In Gedanken, Ausdruck u. Bildern ist hier alles jesajanisch."

2. Kapp. 13-14,23, Spruch wider Babel. Del. hebt als wichtig hervor, daß diese Weissagung keinen zeitgeschichtlichen Halt in der Gegenwart Jes.s hat". Daß Jahve sein Volk . . . an Babel durch ein hinter dem chald. Weltreich aufsteigendes medisches (medopersisches) rächen u. die Exulanten erlösen werde, das ist eine tröstliche Hoffnung, deren Organ zu werden sich ein Prophet des angehobenen babyl. Exils besser eignet als Jes." Die Zeit dieses Exils ist daher jetzt fast allgemein angenommen; Or. nennt wenigstens den eben angeführten Hauptgrund „einen nicht zu verachtenden". Bredk. hält 13 für jesajanisch; 14,1-13 sei von zwei späteren Verfassern, der Maschal etwa von einem Zeitgenossen Nebukadnezars. Da die Angabe der Überschrift, daß Jes. das Folgende geschaut habe, nicht ohne zwingenden Grund verworfen werden darf, empfiehlt es sich allerdings eine Teilung des Abschnitts zu versuchen: der erste, bis 13,13 reichende Teil spricht allgemein von einem Gerichtstage des Herrn u. zeigt viele Berührungen mit sicher Jesajanischem; er kann von Jes. herrühren. Erst der zweite Teil nennt Babel u. setzt voraus, daß Babel, bezw. sein Herrscher als tyrannisch sich gezeigt hat.

3. Kapp. 21,1-10, der Spruch „Meereswüste". In v. 10 wird das zerdroschene Volk Isra'el getröstet, der Sturz B.s als ein Glück für Isra'el bezeichnet. Demnach sind die Seufzer v. 2 Seufzer I.s über den von B.

ausgegangenen Druck, u. dann sind diese Verse nicht von Jes, sondern aus der Zeit des babyl. Exils. So Ew. u. die meisten, auch Del., jetzt auch Dri. u. Cheyne. Für Abfassung durch Jes namentlich PKleinert ThStK 1877, 174-179, Or. u.,,,wenn auch nicht ohne Bedenken", Bredk.

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4. Kapp. 24-27 u. Kapp. 34. 35, die beiden eschatalogischen Abschnitte. Der wichtigste Grund gegen die Autorschaft Jes.s in Bezug auf 24-27 scheint mir der zu sein, daß ein historisches Verständnis aus der Zeit Jes.s sich nicht gewinnen läßt. Der Inhalt führt, um in den Entwickelungsgang der alttest. Heilserkenntnis eingegliedert zu werden, in nachjesajanische Zeit" (Del. 4). Auch 26,19 beweist, wenn mit Recht von der Auferstehung der Toten gedeutet, gegen vorexilische Abfassung. Die meisten (Ew., Del., Di., Dri.) sind für die ersten Jahrzehnte des neuen Jerusalem: in einer Zeit gedrückter Stimmung solle die Hoffnung Isra'els neu belebt werden; Vatke, Smend, Kue., Co., nicht mit ausreichenden Gründen, für das 4. Jahrhundert. Bredk. meint, der Abschnitt sei wesentlich jesajanisch, doch mit späteren lyrischen Stücken versetzt: 25,1-5. 9-10; 26,1-13. 20-21; 27,2—6. Or. ist geneigt noch an Jes festzuhalten; gegen nachexil. Entstehung verweist er auf das starke Hervortreten Mo'abs 25,10 ff und auf die Verschuldung durch Ascheren u. Sonnensäulen 27,9. 34. 35 setzt man wegen der Äußerungen über Edom, s. bes. 34,8, wohl am besten in die Zeit des babyl. Exils. Bredk. hält noch Jes für den Verf.; Or. hält die Gegengründe wenigstens für „nicht zwingend". Gegen Jes als Autor zeugen bei beiden Abschnitten auch Gründe sprachlicher Art.

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5. Minder allgemein oder nur von Einzelnen angefochtene Stücke: a. 2,2-4 nach Stade (ZatW 1881, 165 f; 1884, 292), Guthe, Co., Cheyne nachexil. Interpolation aus Mi 4,1-8. Höchst wahrscheinlich haben Jes u. Mi dasselbe Wort eines älteren Propheten angeführt.

b. 11,10-12 nach Kue. §43,7 exilische Erweiterung der vorangegangenen Prophetie, nach Co. eher noch später. Kö. hält noch 11,10 für ächt. Nach Ew., Di. ist nur 12 später; in der That zeigt dies Kap. nahe Verwandtschaft mit jüngeren Psalmen.

c. 14,24-27 u. 17,12-14 hat Stade (ZatW 1883, 16) „aus jesajanischen Phrasen zusammengeleimt" genannt, aber sogar von Kue. §43,12. 13 Widerspruch erfahren.

d. 19. Die Gründe gegen v. 16-25 (Hitzig, Vatke) oder 18-25 (Koppe, Oort) sind auch von Kue. §43,24. 25, Co. als nicht ausreichend bezeichnet. Nur v. 18 ist nach Kö. ganz, nach Di. teilweise später.

e. 23. Jes.s Autorschaft ist außer von Hitzig, Bleek, Vatke usw bestritten worden von Co. (,,das Werk eines jüngeren Zeitgenossen Jeremias")

u. Kö. 320. Kue. §42,23. 24 erklärt v. 15-18 für nachexil. Zusatz; Di. auch V. 13 u. einiges andre in v. 1-—14. Ew., Schrader, Or., denen Dri. zuzustimmen geneigt ist, lesen v. 13 y u. halten das ganze Kap. für jesajanisch.

f. 32. 33 sind nach Stade (ZatW 1884, 256 ff) u. Co. Erzeugnisse der reproducierenden prophet. Schriftstellerei der nachexil. Zeit, während Kue. §46,1-6 sie zwar als unächt, als Nachbildungen jesajanischer Weissagungen ansieht, aber doch vorexilischen Ursprung annimmt. Nach Di. sind beide Kapp., bes. 33, inhaltlich jesajanisch, aber schwerlich von Jes selbst aufgeschrieben, sondern erst von einem seiner Schüler (8,16) bei Neuherausgabe der alten Redesammlung 28-31 schriftlich gemacht.

g. Cheyne (1895; ähnlich vor ihm Duhm u. Hackmann) erklärt für ächt jesajanisch nur: & Bußpredigt (701 vor der Belagerung Jerusalems) 1,5—20 u., etwas früher, 21-26. Fragment gegen den Baumkultus (vor 722) 1,29-31. || Erste Sammlung. Der bevorstehende Tag Jahves (bald nach 740) 2,6—10. 18—21; 2,11—17. Die Gründe des Falles Judas (um 735) 3,1. 4f. 8f. 12—15 (2 f. 6f haben vielleicht jesajanische Grundlage). Die stolzen Frauen Jerusalems (735) 3,16 f. 24; 4,1. | Parabel vom Weinberg u. sechsfache Anklage (um 735) 5,1—14. 17-22. 23 (dieser V. wohl aus andrem Zusammenhange). 24. 25 b. || Zweite Sammlung. Bericht über die Berufungsvision (um 734) 6,1—13 D. Rezin u. das Reich Immanuels (734) 7,2—8a. 9—14. 16. Fragmente über die Verheerung durch Assur 7,18-20 (ohne die beiden 1). Untergang Syriens u. Ephraims (734) 8,1-4. Drohung mit Assurs Einfall (734) 8,5 f. 7a. sa mit späterem Anhange (723) 8,8b-10. Mahnwort aus der Anfangszeit des syrisch - ephraim. Krieges 8,11-15. Epilog zu den Weissagungen aus dieser Zeit (701 ?) 8,16-18. Die Verzweiflung Judas, Fragment (734) 8,20 -22. | Stadien des Gerichts über ganz Isra'el (735) 9,7—12. 15-10,4; 5,26-29. | Der Plan Assurs u. der Plan Jahves (711) 10,5-9. 13 f. Assurs feindliches Heranrücken (722) 10,28-32. Die letzten Worte in 27 Rest einer Verheißung. | Assurs Untergang (711) 14,24-27 (ohne 25b), wahrscheinlich der falsch gestellte Schluß zu 10,14. Geschick der Philister (720) 14,29-32. | Moab (711) 16,14 von b. Sturz Syriens u. Isra'els (vor 734) 17,1—6. 9—11. Als Anhang (um 723) die Erhaltung Judas 17,12—14. | Vernichtung des assyrischen Heeres, ein an Äthiopien gerichtetes Wort (702) 18,1-6. Gefangenschaft Ägyptens u. Äthiopiens (um 711) 20,1. 3—6. | ♬ Kedar, Fragment (711) 21,16 f. | Die unsühnbare Sünde (701 nach Aufhebung der Blockade Jerusalems) 22,1-5 u., aus einer nahezu gleichzeitigen Weissagung Jes.s, 6-9a. 11b-14. Gegen Schebna (704-701) 22,15 a. 16—18. | Der Fall von Tyrus (725) 23,1f. 3(?). 4. 6—12. 14. | Der bevorstehende Fall Samariens (723) 28,1-4. Später hinzugefügte Rüge an Jerusalem 28,7-19. 21f. | p Das Geschick Ari'els (703) 29,1—4a. 6. Die Blindheit der Volksleiter (703) 9 f. Bestrafung des Formenwesens (703) 13 f. | Das Bündnis mit Ägypten. Drei Fragmente vom J. 703: 29,15 u. 30,1—5 u. 6—7a; eins vom J. 702: 31,1-52. Der drohende Untergang Judas (703) 30,8-16. 17b. Die Beweisführung ist sehr scharfsinnig, aber nicht überzeugend.

6. Von Jes aufgenommene Worte älterer Propheten. a. Der Spruch gegen Mo'ab 15-16,12 stammt aus der Zeit Jerobeams II., also aus vorjesajanischer Zeit. Jes hat ihn nur mit einer bestätigenden Unterschrift

16,13. 14 versehen. So jetzt weitaus die meisten Forscher, auch Kue. §44, Di., Co., Kö. || b. 2,2-4, s. Nr. 5. || c. Auch 21,11 f (über Edom) u. 21,13 f (über Arabien) sind wahrscheinlich ältere Sprüche, welche Jes nur wieder aufgenommen, bezw. (den zweiten) ergänzt hat. So Ew. (Proph. I, 390 ff) u. Di.

7. Wie die Stellung des eschatologischen Abschnittes 24-27 zeigt, ist das Buch Jes I durch Zusammenfügung einiger kleinerer Sammlungen entstanden, als deren älteste wir wohl 1-12 (wenigstens die Hauptmasse) u. 28-31 (oder 28-33) ansehn dürfen.

§ 27. Jesaja II (Kap. 40—66): Inhalt.

Trostworte für das im babylonischen Exil nach Erlösung schmachtende Volk. FrRückert unterschied, weil 48 u. 57 denselben Schluß haben keinen Frieden giebt's für die Gottlosen", drei Hauptteile: 40-48. 49-57. 58-66; so auch Hitzig, Del., Or. Aber die Strafreden 56,9 ff gehen in 57f fort; man beachte auch die Hervorhebung des Sabbaths 56,2 u. 58,13, sowie daß in 58-62 ein zeitlicher Fortschritt gegenüber 48-57 nicht wahrzunehmen ist. Daher läßt man wohl besser (mit Knobel, Di.) den zweiten Teil bis 62 reichen.

I. Kapp. 40-48: die Gewißheit der Erlösung aus Babel, begründet namentlich durch den unendlichen Unterschied zwischen Gott u. den Götzen. Nur in diesem Teil wird, u. zwar wiederholt, die Nichtigkeit des Götzenwesens dargelegt (40,18-20; 41,7; 44,9-20; 46,1-7); nur in ihm wird Cyrus, der von Gott gerufene, genannt (44,28; 45,21). || 40 Jahve, der unvergleichliche, naht, um sein Volk zu erlösen. 41 Gott macht die. Geschichte u. weiß ihren Verlauf zuvor. 42 der Knecht Jahves in seiner doppelten Gestalt. 43-44,5 die Erlösung aus Gnaden. 44,6-23 Nichtigkeit der Götzenbilder. 44,24--45 Cyrus. 46 Sturz der Götter Babels. 47 Fall Babels. 48 Ermahnung für Isra'el.

II. Kapp. 49-62: Der Knecht Jahves* und die Zukunft Isra'els; Bedingungen u. Hemmnisse der Erlösung. 49. 50 der Knecht Jahves, sein Wesen und Wirken; dazwischen 49,9-50,3 Erlösung u. Beseligung Zions, als Jahves Werk unter Beteiligung seines Knechts. 51—52,12 Er

עֶבֶד יי Der Begriff

* In 49-53. Im ersten Hauptteil 41,8. 9; 42,1. 19; 43,10; 44,1. 2. 21. 26; 45,4; 48,20. Von 54,17 an stets Plural, vgl. noch 63,17; 65,9. 13. 14. 15; 66,14. ist nämlich, um es figürlich zu sagen, eine Pyramide. Die unterste Basis ist Gesamtisra'el; der mittlere Durchschnitt das Isra'el, welches es nicht bloß xarà oάgza, sondern zarà лvεõμa ist; die Spitze ist die Person des aus Isra'el erstehenden Mittlers des Heils“ (Del.).

munterungsworte an die Heilsempfänglichen, teilweise in Form eines Anrufs an das darniederliegende Jerusalem. 52,13-53 das stellvertretende Leiden des Knechtes Jahves. 54 die Beseligung Zions, der Gemeinde der Knechte Jahves (reicher Kindersegen, Allseitigkeit des Heilszustandes). 55-56,8 Aufforderung das Heil zu ergreifen, schließend mit der Mahnung zu rechtem Wandel, insonderheit zum Halten des Sabbathgebots. 56,9-57 ernste Rüge an die pflichtvergessenen Häupter u. die ungebesserten, in Götzendienst versunkenen Glieder des Volkes. 58. 59 neue Mahnrede: nicht durch Ohnmacht Gottes, sondern durch die sittlichen Schäden im Volke wird der Eintritt des Heils verzögert. 60 Zions Herrlichkeit im Glanze der göttlichen Gnadensonne (Huldigungen der Völker). 61. 62 zusammenfassende Schlußankündigung des Heils.

III. Kapp. 33-66: Anhänge. a. 63,1-6 Gericht über Edom. || b. 63,7-65 Gebet der Sehnsucht u. die Antwort Gottes. || c. 66 Erfüllung der Verheißungen für Zion und das Gericht über die Heiden wie über die abtrünnigen Juden; auch die Heiden werden Gotte in Jerusalem huldigen (Gott wird auch von ihnen zu levitischen Priestern nehmen v. 21).

§ 28. Jesaja II: Die kritischen Fragen.

1. Dafür, daß die Kapp. 40-66 des kanonischen Jesajabuches von Jes. verfaßt seien, giebt es kein äußeres Zeugnis; denn die Kapp. 36-39 sind ein nicht von Jes herrührender, sondern aus Kg herübergenommener historischer Anhang zu Jes 1-35 (s. §26,1). Im hebr. Kanon war die älteste Reihenfolge der großen Schriften prophetischer Rede ($79,6): Jer, Ez, Jes. Daher konnte eine hinten angefügte anonyme Schrift leicht als zu Jes gehörig angesehen werden, zumal da in Gedanken u. Ausdrücken gar manche Übereinstimmungen sich zeigen. Schon Si 48,27 f hat Gleichheit des Verf. angenommen; ebenso diejenigen, welche aus chronologischen Gründen das Jes-buch vor das Jer-buch stellten erst dadurch, daß das jetzt als Kapp. 40-66 bezeichnete Buch der Tröstungen von dieser Umstellung mit betroffen war, wurde ein scheinbares äußeres Zeugnis geschaffen. Da nun der Verf. das babylonische Exil nicht weissagt, sondern voraussetzt und da diejenigen, zu denen er redet, ersichtlich während des babyl. Exils lebende sind, ist die Zeit dieses Exils auch als die Zeit der Abfassung dieses Trostbuches anzusehn und wird als solche jetzt fast allgemein anerkannt, auch von GFÖhler (Theol. des AT), Or., Del. Der auch durch das NT feststehende hohe Wert dieses Evangeliums vor dem Evangelium wird dadurch, daß der Verf. nicht Jes., sondern ein während des babyl. Exils lebender unbekannter Prophet ist, nicht gemindert. Für

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