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„Großvezier," sprach vor der Thüre der Kalif, „das ist ein dummer Handel, aber Ihr könntet sie schon nehmen."

So?" antwortete dieser, „daß mir meine Frau, wenn ich nach Haus komme, die Augen auskraßt? Auch bin ich 5 ein alter Mann, und Ihr seid noch jung und unverheirathet, und könnet eher einer jungen schönen Prinzessin die Hand geben."

„Das ist es eben," seufzte der Kalif, indem er traurig die Flügel hängen ließ, „wer sagt Dir denn, daß sie jung und 10 schön ist? Das heißt die Kaße im Sack kaufen!"

Sie redeten einander gegenseitig noch lange zu, endlich aber, als der Kalif sah, daß sein Vezier lieber Storch bleiben, als die Eule heirathen wollte, entschloß er sich, die Bedingung lieber selbst zu erfüllen. Die Eule war hoch erfreut. Sie 15 gestand ihnen, daß sie zu keiner bessern Zeit hätten kommen können, weil wahrscheinlich in dieser Nacht die Zauberer sich versammeln würden.

Sie verließ mit den Störchen das Gemach, um sie in jenen Saal zu führen; sie gingen lange in einem finstern 20 Gang hin; endlich strahlte ihnen aus einer halbverfallenen Mauer ein heller Schein entgegen. Als sie dort angelangt waren, rieth ihnen die Eule, sich ganz ruhig zu verhalten. Sie konnten von der Lücke, an welcher sie standen, einen großen Saal übersehen. Er war ringsum mit Säulen 25 geschmückt und prachtvoll verziert. Viele farbige Lampen ersezten das Licht des Tages. In der Mitte des Saales stand ein runder Tisch, mit vielen und ausgesuchten Speisen besezt. Rings um den Tisch zog sich ein Sopha, auf welchem acht Männer saßen. In einem dieser Männer 30 erkannten die Störche jenen Krämer wieder, der ihnen das

Zauberpulver verkauft hatte. Sein Nebensiger forderte ihn

auf, ihnen seine neuesten Thaten zu erzählen. Er erzählte unter Andern auch die Geschichte des Kalifen und seines Veziers.

„Was für ein Wort hast Du ihnen denn aufgegeben ?“ fragte ihn ein anderer Zauberer. Ein recht schweres la- 5 teinisches, es heißt Mutabor."

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5.

Als die Störche an ihrer Mauerlücke dieses hörten, kamen sie vor Freude beinahe außer sich. Sie liefen auf ihren langen Füßen so schnell dem Thor der Ruine zu, 10 daß die Eule kaum folgen konnte. Dort sprach der Kalif gerührt zu der Eule: Retterin meines Lebens und des Lebens meines Freundes, nimm zum ewigen Dank für Das, was Du an uns gethan, mich zum Gemahl an." Dann aber wandte er sich nach Osten. Drei Mal bückten die 15 Störche ihre langen Hälse der Sonne entgegen, die so eben hinter dem Gebirge heraufstieg; Mutabor, riefen sie und im Nu waren sie verwandelt, und in der hohen Freude des neu geschenkten Lebens lagen Herr und Diener lachend und weinend einander in den Armen. Wer beschreibt aber ihr 20 Erstaunen, als sie sich umsahen? Eine schöne Dame, herrlich geschmückt, stand vor ihnen. Lächelnd gab sie dem Kalifen die Hand. Erkennt Ihr Eure Nachteule nicht mehr?" fagte sie. Sie war es; der Kalif war von ihrer Schönheit und Anmuth so entzückt, daß er ausrief: Es sei sein größtes 25 Glück, daß er Storch geworden sei.

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Die Drei zogen nun miteinander auf Bagdad zu. Der Kalif fand in seinen Kleidern nicht nur die Dose mit Zauberpulver, sondern auch seinen Geldbeutel. Er kaufte

H. K.

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daher im nächsten Dorfe, was zu ihrer Reise nöthig war, und so kamen sie bald an die Thore von Bagdad. Dort aber erregte die Ankunft des Kalifen großes Erstaunen. Man hatte ihn für todt ausgegeben, und das Volk war 5 daher hoch erfreut, seinen geliebten Herrscher wieder zu haben.

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Um so mehr aber entbrannte ihr Haß gegen den Betrüger Mizra. Sie zogen in den Palast und nahmen den alten Zauberer und seinen Sohn gefangen. Den Alten 10 schickte der Kalif in daffelbe Gemach der Ruine, das die Prinzessin als Cule bewohnt hatte, und ließ ihn dort aufhängen. Dem Sohn aber, welcher nichts von den Künsten des Vaters verstand, ließ der Kalif die Wahl, ob er sterben oder schnupfen wolle. Als er das Leztere wählte, bot ihm 15 der Großvezier die Dose. Eine tüchtige Prise, und das

Zauberwort des Kalifen verwandelte ihn in einen Storch. Der Kalif ließ ihn in ein eisernes Käfig sperren und in seinem Garten aufstellen.

Lange und vergnügt lebte Kalif Chasid mit seiner Frau, 20 der Prinzessin; seine vergnügtesten Stunden waren immer die, wenn ihn der Großvezier Nachmittags besuchte; da sprachen sie dann oft von ihrem Storchabenteuer, und wenn der Kalif recht heiter war, ließ er sich herab, den Großvezier nachzuahmen, wie er als Storch aussah. Er stieg dann 25 ernsthaft, mit steifen Füßen im Zimmer auf und ab, klapperte, wedelte mit den Armen, wie mit Flügeln, und zeigte, wie jener sich vergeblich nach Osten geneigt und Mu — Mu — dazu gerufen habe. Für die Frau Kalifin und ihre Kinder war diese Vorstellung alle Mal eine große Freude; wenn aber Mu 30 der Kalif gar zu lange klapperte und nickte und Mu

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schrie, dann drohte ihm lächelnd der Vezier: „Er wolle

Das, was vor der Thüre der Prinzessin Nachteule verhandelt worden sei, der Frau Kalifin mittheilen.“

Als Selim Baruch seine Geschichte geendet hatte, bezeugten sich die Kaufleute sehr zufrieden damit. „Wahrhaftig, der Nachmittag ist uns vergangen, ohne daß wir 5 es merkten, wie!" sagte Einer derselben, indem er die Decke des Zeltes zurückschlug. „Der Abendwind wehet kühl, wir könnten noch eine gute Strecke Weges zurücklegen." Seine Gefährten waren damit einverstanden, die Zelte wurden abgebrochen, und die Karavane machte sich in der nämlichen 10 Ordnung, in welcher sie herangezogen war, auf den Weg.

Sie ritten beinahe die ganze Nacht hindurch; denn es war schwül am Tage, die Nacht aber war erquicklich und sternhell. Sie kamen endlich an einem bequemen Lagerplay an, schlugen die Zelte auf und legten sich zur Ruhe. 15 Für den Fremden aber sorgten die Kaufleute, wie wenn er ihr werthester Gastfreund wäre. Der eine gab ihm Polster, der Andere Decken, ein Dritter gab ihm Sclaven, kurz, er wurde so gut bedient, als ob er zu Hause wäre. Die heißeren Stunden des Tages waren schon heraufgekom- 20 men, als sie sich wieder erhoben, und sie beschlossen einmüthig, hier den Abend abzuwarten. Nachdem sie miteinander gespeist hatten, rückten sie wieder näher zusammen, und der junge Kaufmann wandte sich an den Aeltesten und sprach: Selim Baruch hat uns gestern einen ver- 25 gnügten Nachmittag bereitet, wie wäre es, Achmet, wenn Ihr uns auch Etwas erzähltet, sei es nun aus Eurem langen Leben, das wol viele Abenteuer aufzuweisen hat, oder sei es auch ein hübsches Märchen." Achmet schwieg

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auf diese Anrede eine Zeit lang, wie wenn er bei sich im Zweifel wäre, ob er Dies oder Jenes sagen sollte, oder nicht; endlich fing er an zu sprechen:

Liebe Freunde! Ihr habt Euch auf dieser unserer Reise 5 als treue Gesellen erprobt, und auch Selim verdient mein Vertrauen; daher will ich Euch Etwas aus meinem Leben mittheilen, das ich sonst ungern und nicht Jedem erzähle: die Geschichte von dem Gespensterschiff.“

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Die Geschichte von dem Gespensterschiff.

Mein Vater hatte einen kleinen Laden in Balsora. Er war weder arm noch reich und einer von jenen Leuten, die nicht gerne Etwas wagen, aus Furcht, das Wenige zu verlieren, das sie haben. Er erzog mich schlicht und recht, und brachte es bald so weit, daß ich ihm an die Hand gehen 15 konnte. Gerade als ich achtzehn Jahre alt war, und er eben die erste größere Speculation machte, starb er, wahrscheinlich aus Gram, tausend Goldstücke dem Meere anvertraut zu haben. Ich mußte ihn bald nachher wegen seines Todes glücklich preisen, denn wenige Wochen hernach lief die Nach20 richt ein, daß das Schiff, dem mein Vater seine Güter mitge

geben hatte, versunken sei. Meinen jugendlichen Muth konnte aber dieser Unfall nicht beugen. Ich machte Alles vollends zu Geld, was mein Vater hinterlassen hatte, und zog aus, um in der Fremde mein Glück zu probiren, nur von einem alten 25 Diener meines Vaters begleitet, der sich aus alter Anhänglichkeit nicht von mir und meinem Schicksal trennen wollte.

Im Hafen von Balsora schifften wir uns mit günstigem Winde ein. Das Schiff, auf dem ich mich eingemiethet

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