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Schule copirenden trockenen Ton durchgeführt wird, der constructiven Darstellung der platonischen Philosophie_bahnbrechend vorangehen mußte, so ist doch nicht unwahrscheinlich, daß er diese gründlichen und tiefsinnigen Dialoge, die eine ungestörte philosophische Muße voraussehen, bald nach der Rückkehr von seinen Reisen verfaßt habe. Für die Ausarbeitung der andern vorhergenannten konnte ihm zuerst das ruhigere Leben in Megara, sodann die sehr wahrscheinlich zwischen Megara und die ägyptische Reise einerseits und zwischen diese und die italisch-ficilissche Reise andererseits fallende doppelte Zwischenzeit eines längern Aufenthaltes in Athen genügende Muße gewähren.

Steinhart, Platon's Leben.

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VI.

Platon's vierzigjährige Lehrthätigkeit in der Nähe der Akademie.

Uebersicht.

Unvermählt und allen Staatsgeschäften sich entziehend, doch nicht ohne gemüthliche Theilnahme an dem Wohl seiner Familie und des Staates, führte er auf seinem Grundstück bei der Akademie ein stilles, nur zweimal durch Reisen nach Syrakus unterbrochenes, an herrlichen Früchten einer bis in das höchste Alter fortgesetzten schriftstellerischen Thätigkeit reiches Leben eines ohne ascetische Strenge der Welt und gesellschaftlichen Beziehungen nie entfremdeten, in edelster Sittlichkeit ganz der Erforschung und Verbreitung der höchsten Wahrheiten hingegebenen Weisen. Wie seine gesammte stets unentgeltliche Lehrthätigkeit die Mitte hielt zwischen der strengen Geschlossenheit der Pythagoreer und der weiten, freien Oeffentlichkeit des Sokrates, so wechselte er auch zwischen der dialogischen und akroamatischen Lehrweise, der er sich in spätern Jahren mehr und mehr zugeneigt zu haben scheint. Daß er neben dem engern Kreise philosophischer Schüler auch einen weitern gebildeter oder bildungsbedürftiger Männer und Frauen um sich versammelte und daß diesem weitern Kreise manche berühmte Feldherren,

Staatsmänner und Redner angehörten, ist nicht zu bezweifeln; ebenso wenig, daß sein Rath und seine Lehre auch in politischen Dingen weit über Athens Grenzen hinaus, nicht blos in Syrakus, gesucht wurden. Doch wird über beides manches Unhaltbare oder Unerwiesene berichtet. Von seinen philosophischen Schülern war nur der sehr verschieden angelegte Aristoteles, der später ganz andere Wege einschlug, ihm ebenbürtig durch schöpferische Genialität, speculative Tiefe und seinen nach einem großen Zusammenhang aller Erkenntnisse strebenden Forschungsgeist, überragte ihn aber bald durch die allumfassende Fülle des reichsten naturhistorischen und politisch-geschichtlichen Wissens, während das poetische Element des Meisters bei ihm zurücktrat hinter der Schärfe eines in den Schranken fester, selbstgefundener Denkgesetze sich bewegenden und das Allgemeine nie von dem Einzelnen trennenden Verstandes. Alles, was man sich über persönliche Misverhältnisse zwischen Platon und seinem größten Schüler, fast immer zu des letztern Nachtheil, erzählte, beruht auf tendenziöser Erfindung und leichtfertig böswilliger Klätscherei. Von jenen Schülern, die Platon's System am treuesten fortzupflanzen glaubten, hat keiner ihn lebenskräftig ergänzt und fortgebildet, vielmehr sind gerade die bedeutendsten vielfach hinter ihn zurückgegangen. Dennoch durchdrang seine Lehre die ganze griechische und hellenisirte Welt viele Jahrhunderte wie ein bald im engern Bette oder gar unterirdisch, bald weiter und voller fließender, doch unerschöpflich quellender und in bedeutenden Momenten unaufhaltsam sich ergießender Lebensstrom.

VII.

Platon's häusliches Leben.

Wir wissen nicht, welche Gründe den Platon bewogen haben, gleich unserm Kant, auf die Ehe zu verzichten, dürfen aber annehmen, daß sie nicht principielle, sondern rein persönliche waren, die man schon im Alterthum nicht kannte und die selbst der Klätscherei und Verleumdung, mit der man doch sonst gegen ihn nicht kargte, keinen Stoff darboten. Denn in seinen Schriften und Lehren finden wir nirgends, wie etwa bei den Kynikern, Spuren einer selbstfüchtigen Verschmähung oder ascetischen Herabsetzung der Ehe und des Familienlebens, so wunderlich auch immer seine Reformplane in der Republik über diesen Punkt erscheinen mögen. Vielmehr stellt er in seinem Gesezesstaate die Familie als die stärkste Wurzel eines gesunden Staatslebens sehr hoch und verdammt ebenso sehr das chelose Leben, das er mit Geld- und Ehrenstrafen bedroht 6o), als unnatürliche von der Ehe abziehende Leidenschaften 61). Hiernach ist anzunehmen, daß er wol nur, um sich in voller, durch Familiensorgen nie gestörter Muße ganz und ungetheilt der hohen Aufgabe seines Lebens widmen zu können, dem Glück des Familienlebens entsagte, zumal, da er bei

der damaligen Durchschnittsbildung der athenischen Frauen nicht leicht auf eine sympathische, ihn ganz verstehende Lebensgefährtin rechnen konnte. Wie treu er im übrigen an seiner Familie hing, haben wir schon früher an dem Verhältniß zu feinen Brüdern und an der mit so sichtlicher Liebe entworfenen Schilderung derselben sowie auch seiner Oheime Charmides und Kritias gesehen. Dafür zeugt aber auch sein echt väterliches Verhältniß zum Speusippos, dem Sohne seiner Schwester Potone, während vielleicht die eine oder andere ihrer Töchter oder Enkelinnen die Pflegerin seines Alters wurde, so wie das Vermächtniß seines im Demos Hephästiadä gelegenen Grundstückes an den jungen Adeimantos, wahrscheinlich einen Enkel seines gleichnamigen Bruders 62). Wem er das andere, zum Demos Eirefidä gehörige Gütchen vererbt hat, wird im Testament nicht gesagt; vielleicht dem Speusippos, da das Grundstück neben der Akademie, das in späterer Zeit einen viel größern Umfang hatte und noch den Neuplatonikern reiche, den Bestand der Schule sichernde Erträge gewährte, damals schwerlich schon Gewinn brachte, sondern nur der Schule, deren Collectiveigenthum es blieb, einen festen Standort sichern sollte. Nirgends wird berichtet, daß Platon ein Amt verwaltet oder auch nur an den beiden gefeßgebenden Versammlungen und an den Schwurgerichten sich betheiligt habe; wahrscheinlich hat er auch die Rednerbühne nie betreten 63); doch wird er, wenn die Verpflichtung zu Liturgien oder andern Staatslasten an ihn herantrat, sich seiner Bürgerpflicht nicht entzogen haben 64). Die ihm angedichteten erotischen Verhältnisse zu jüngern Freunden, zu deren Beglaubigung die oben erwähnten Epigramme dienen sollten,

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