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und andere bedeutende Männer zusammenstoppelte, der Imperatorenzeit an74).

Mit Ehren muß dagegen der einer Gelehrtenfamilie angehörigen und selbst höchst gelehrten, zur Zeit des Nero lebenden Epidaurerin Pamphile gedacht werden, die in ihren von staunenswerther Belesenheit zeugenden 33 Büchern geschichtlicher Denkwürdigkeiten wie von anderen Philosophen, so von Platon gewiß mit derselben gründlichen Kritik geredet hat, die sonst überall in ihren historischen Angaben hervortritt75).

Später hat der gelehrte und geistvolle Gallier Favorinus, ein Zeitgenosse und Freund des Hadrian, der als Philosoph von der bescheideneren Skepsis der neueren Akademie zu der energischeren des Aenesidemos überging, ohne auf sein eigenes, auch stoische und aristotelische Säge gern annehmendes Urtheil zu verzichten, in seinen Denkwürdigkeiten und in einem weitschichtigen geschichtlichen Sammelwerke, das er паvτodαдn fotopía nannte, vom Platon, wte von anderen Philosophen, ohne streng sichtende Prüfung seiner Quellen manche Fabeln und unverbürgte Geschichtchen als wahre Thatsachen erzählt 76).

Der ihm gleichzeitige, von Trajan und Hadrian sehr begünstigte feinfühlende Eklektiker Plutarchos spricht sich oft mit solcher Begeisterung über Platon aus und ist mit einer zu jener Zeit seltenen Tiefe so in den Geist desselben eingedrungen, daß er, obgleich er keiner Schule angehören wollte, doch mit Recht als ein oft schon an den Neuplatonismus anklingender Jünger platonischer Weisheit gelten kann, womit auch seine gläubige Aufnahme mythischer Züge im Leben Platon's zusammenhängt 77). Daß er seine aus

führlichen Berichte über die Reisen des Philosophen nach Syrakus und seine Verhältnisse zu den dortigen Machthabern und Parteien nicht blos aus den Briefen geschöpft hat, wurde schon oben bemerkt.

Aber auch Lucian hat mit seinem zerseßenden, das abgelebte Alte und das verkehrte Neue gleich unerbittlich verfolgenden, dabei nicht selten die Grenzen des Erlaubten überspringenden Wiße, aus dem doch oft ein ernster, sittlicher Sinn hindurchblickt, sich nicht an Platon gewagt, vielmehr des großen Mannes fast nur mit anerkennender Verehrung gedacht 78).

Der Anekdotenjäger Aelian bringt über Platon neben unverbürgten und zum Theil ganz unsinnigen Geschichtchen hier und da einiges Brauchbare 79).

11) Römische Schriftsteller.

Bei den Römern ließ der nüchterne, praktische Sinn des Volkes ein tieferes Verständniß Platon's und eine liebevolle Hingabe an seine Lehre nur selten aufkommen. Doch ist dem Cicero begeisterte Liebe zu dem großen Philosophen nicht abzusprechen, mit welcher er auch einzelne Momente seines Lebens rühmend hervorhebt. Wir finden in diesen Erwähnungen Spuren eigener kritischer Forschung oder doch der Benutzung guter Quellen 80), obgleich er andererseits kein Bedenken trägt, aus den Briefen als aus platonischen Schriften zu schöpfen.

Bei L. Seneca, der von Platon oft mit gleich hoher Verehrung und gründlicherem Verständniß redet, finden wir doch über sein Leben, außer einigen unerheblichen Anekdoten 81),

nichts Neues; eben so wenig bei dem älteren Plinius, der übrigens bereits das Märchen von Platon's Reise nach dem Orient zur Erlernung der Magie gläubig nacherzählt 82).

Dagegen zeigt der kurze Lebensabriß, den der Afrikaner Apulejus seiner Schrift de dogmate Platonis vorausschickt, daß schon zur Zeit der Antonine ein Kreis schwärmerischer Platoniker bestand, in denen Platon zu einem Halbgotte und sein Leben zum Mythos geworden war 83).

12) Athenäos.

Leicht unterscheiden wir von Platon's Tode an bis tief in die ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung in der Auffassung der Persönlichkeit Platon's und in den Darstellungen seines Lebens eine doppelte Strömung 84). Die reinere ist die vom Spensippos und andern Schülern Platon's ausgeflossene, in den verschiedenen platonischen Schulen durch Wort und Schrift weiter getragene Ueberlieferung, die auch durch einige leicht ablösbare Niederschläge des bei den Griechen überall mit der Geschichte der Stämme und einzelner großer Männer sich verschlingenden Götter- und Heroenmythos nicht wesentlich verdunkelt wird. Daneben geht eine trübere her, entsprungen theils aus dem einseitig strengen Urtheil politischer oder philosophischer Gegner, theils aus der neidischen Verkleinerungssucht persönlicher Feinde, verstärkt durch den Spott der Komödie, durch die herabseßenden Urtheile einiger Historiker, besonders des Theopompos, genährt durch den eigenthümlichen Hang der Griechen zur Fabelei und Fälschung und durch die unermüdliche Anekdotensucht unkritischer Literaten; in ihr spiegelte

sich das edle Bild des großen Meisters, zur Freude flacher und gemeiner Naturen, als ein oft kaum noch erkenntliches Zerrbild ab.

Alle diese trüben Wasser der Lüge und Verleumdung, der frechsten Klätscherei und des absichtlich verdunkelnden Neides sind nun um das 3. Jahrhundert n. Chr. wie in einem Sumpfe zusammengeflossen in den höchst gelehrten, an trefflichem Stoff für Literaturgeschichte und Alterthumsfunde überreichen, aber durchaus geistlosen und von einer gemeinen Gesinnung durchdrungenen Deipnosophisten des Athenäos von Naukratis 85). Schwerlich dürfte die leichtfertige Verlogenheit, die consequente Verdrehung der Geschichte, das übelwollende Misverständniß der Lehre und der Schriften des Gescholtenen, das in dieser angeblichen Kritik einem solchen Manne gegenüber sich geltend macht, in der Literaturgeschichte irgendeines Volkes ein Seitenstück finden. Hier haben alle jene Märchen von Platon's abstoßendem Hochmuthe, wo doch selbst der kühl genug über ihn urtheilende Dionysios nur von Ehrgeiz geredet hatte 86), von seiner niedrigen Gewinnsucht und der kleinlichen Eifersucht, mit welcher er den übrigen Sokratikern entgegengetreten sein soll, von seiner Feindschaft mit Xenophon, von seiner_carifirenden Darstellung des Sokrates und der großen Sophisten, besonders des Protagoras und Gorgias, und der Verherrlichung verwerflicher Charaktere, wie des Menon, von seiner Tyrannenschmeichelei, ja sogar von den Plagiaten, die er nicht blos am Epicharmos, sondern auch am Aristippos, Antisthenes, Bryson und ähnlichen Leuten begangen haben soll, eine willkommene Aufnahme gefunden. Die dichterische Freiheit, mit welcher er in seinen Dialogen bald ganz er

dichtete Situationen einführt, bald verschiedene Zeiten miteinander vermischt, erscheint hier als böswillige Lüge. Manche unleugbare Irrthümer und Fehlgriffe des Philosophen, die gewiß schon von seinen Zeitgenossen strenge und nicht mit Unrecht getadelt wurden, seine Gleichgültigkeit gegen die Geschicke seiner Vaterstadt, seine Verkennung ihrer großen Staatsmänner und ihrer Demokratie, die doch so herrliche Früchte getragen hatte, seine Lakonomanie, die er doch mit Xenophon theilte, seine Hingabe an die Interessen eines fremden Staates, werden ihm als schwere Verbrechen angerechnet. Nur darüber mag man sich wundern, daß Athenäos nicht in gleichem Sinne auch das in philosophischen Kreisen so breit getretene und mit den lächerlichsten Erdichtungen aufgestußte, vermeintliche Misverhältniß zwischen Platon und Aristoteles ausgebeutet hat; vielleicht hat er es verschmäht, weil in jenen Fabeln meistens der Stagirit der schuldige Theil ist, für dessen Leben ihm freilich auch die Lästerungen eines Epikuros als lautere Quelle galten 87).

13) Diogenes.

Leider ist ein nach den lautersten Quellen mit echtem Künstlergeist ausgeführtes Lebensbild Platon's, das wir jener Schmähschrift entgegenstellen könnten, nicht auf uns gekommen, wahrscheinlich gar nicht geschrieben. Wir müssen uns mit dem dürftigen, aber bei solchem Mangel immer noch willkommenen Ersatz begnügen, den uns der Laertier Diogenes bietet. Um die Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr., also in einer Zeit, wo bereits der Neuplatonismus eine Macht zu werden begann, schrieb jener gelehrte Sammler,

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