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standen im Lande. Herodes hatte sogar thracische, germanische und gallische Miethstruppen 208). Die Festspiele, die Herodes in Jerusalem gab, brachten nicht nur fremde Künstler, sondern auch auswärtige Zuschauer in die heilige Stadt 209). Am stärksten war aber der Fremdenzufluss bei den grossen jüdischen Jahresfesten. Die Tausende von Juden, die bei dieser Gelegenheit aus aller Welt nach Jerusalem kamen, waren zum grossen Theil nach Sprache und Bildung Hellenisten. Aber nicht nur griechische Juden, sondern auch wirkliche Griechen, nämlich Proselyten, kamen zu den jüdischen Festen nach Jerusalem, um im dortigen Tempel zu opfern und anzubeten (vgl. Ev. Joh. 12, 20 ff.). Man wird die Zahl dieser alljährlich nach Jerusalem wallfahrenden Proselyten sich als ziemlich erheblich vorzustellen haben. Von den Juden, die im Auslande griechische Bildung angenommen hatten, liessen wiederum manche sich in Jerusalem zu dauerndem Aufenthalte nieder und bildeten dort sogar eigene Gemeinden. So finden wir zur Zeit der Apostel in Jerusalem eine Synagoge der Libertiner, Cyrenäer, Alexandriner, Cilicier und Asiaten, wobei dahingestellt bleiben mag, ob es sich um eine oder um fünf Gemeinden handelt (Apgesch. 6, 9. Vgl. 9, 29) 209a). In Galiläa hatten die grösseren Städte wahrscheinlich einen Bruchtheil griechischer Einwohner. Bestimmt wissen wir dies von Tiberias 210), um von dem vorwiegend nicht-jüdischen Cäsarea Philippi zu schweigen. Bei diesem starken Hereindringen griechischer Elemente in das Innere Palästina's muss doch auch dort eine nothdürftige Kenntniss des Griechischen nicht ganz selten gewesen zu sein. Und so weisen nun einzelne Spuren in der That auf eine solche hin. Während noch die Hasmonäer ihre Münzen mit griechischer und hebräischer Aufschrift prägen liessen, haben die von den Herodianern und Römern auch für das eigentlich jüdische Gebiet geprägten Münzen lediglich eine griechische Aufschrift; und es ist aus der evangelischen Geschichte bekannt, dass die (zweifellos griechische) Aufschrift der Kaisermünzen in Jerusalem ohne Schwierigkeit gelesen wurde (Matth. 22, 20 f. Marc. 12, 16. Luc. 20, 24)211). Die Angabe der Mischna, dass sogar im Tempel gewisse Gefässe mit griechischen Buchstaben bezeichnet waren, ist dort allerdings nur durch eine Autorität (R. Ismael) ver

208) Antt. XVII, 8, 3.

209) Antt. XV, 8, 1.

209a) Eine Synagoge der Alexandriner zu Jerusalem auch Tosefta Megilla III ed. Zuckermandel p. 224, 26. jer. Megilla 73d (bei Lightfoot, Horae zu Act. 6, 9).

210) Jos. Vita 12.

211) Vergl. die Abbildung eines Denares, wie ihn damals Jesus wahrscheinlich in Händen hatte, bei Madden, History of Jewish Coinage p. 247.

treten, während nach vorherrschender Ueberlieferung die Buchstaben hebräische waren 212). Wenn ferner in der Mischna bestimmt wird, dass Scheidebriefe auch griechisch geschrieben sein dürfen 213), und dass die heiligen Schriften auch in griechischer Uebersetzung gebraucht werden dürfen 214), so kann sich beides auf die jüdische Diaspora ausserhalb Palästina's beziehen. Die Notiz dagegen, dass zur Zeit des Titus- (oder richtiger Quietus-) Krieges verboten wurde, dass Jemand seinen Sohn im Griechischen unterrichte 215), setzt doch voraus, dass bis dahin auch in den Kreisen des rabbinischen Judenthums das nun Verbotene vorkam 215a). Ebenso lässt es sich nur aus einer gewissen Vertrautheit mit dem Griechischen erklären, wenn in der Mischna öfters zur Veranschaulichung gewisser Figuren griechische Buchstabennamen gebraucht werden, z. B. zur Veranschaulichung der Figur X, oder zur Veranschaulichung der Figur I216).

Seit Beginn der römischen Herrschaft ist zu der griechischen Sprache und Cultur auch die lateinische hinzugekommen. Doch ist das Lateinische, wie überhaupt in den östlichen Provinzen so auch in Palästina, erst in der späteren Kaiserzeit stärker eingedrungen. In den ersten Jahrhunderten bedienten sich die römischen Beamten im Verkehr mit den Provinzialen wohl ausschliesslich der griechischen Sprache. Nur für officielle Urkunden, Inschriften und dergl. wurde schon seit Cäsar's Zeit auch das Lateinische angewandt. So befahl z. B. Cäsar den Sidoniern, sein Ernennungsdecret für den jüdischen Hohenpriester Hyrkan II auf einer ehernen Tafel in griechischer und römischer Sprache in Sidon aufzustellen (Antt. XIV, 10, 2). Ein anderes Actenstück aus jener Zeit sollte in derselben Weise in römischer und griechischer Sprache in den Tempeln zu Sidon, Tyrus und Askalon aufgestellt werden (Antt. XIV, 10, 3). Marcus Antonius befahl den Tyriern, ein von ihm erlassenes Decret in römischer und griechischer Sprache an einem öffentlichen Orte aufzustellen (Antt. XIV, 12, 5). In Jerusalem waren im Tempel an der Umfriedigung (dovpaztos), über welche hinaus den Heiden ein weiteres Vordringen in das Heiligthum nicht gestattet war, an verschiedenen Stellen Tafeln (ornia) mit Inschriften angebracht, welche theils in griechischer, theils in römischer Sprache jenes Verbot verkündigten (Bell. Jud.

212) Schekalim III, 2.

213) Gittin IX, 8.

214) Megilla I, 8.

215) Sota IX, 14.

215a) Vgl. überh. über die Stellung des rabbinischen Judenthums zur griechischen Bildung: Hamburger, Real-Encycl. II. Abth. Art. „Griechenthum“. 216) Menachoth VI, 3. Kelim XX, 7. Middoth III, 1. Kelim XXVIII, 7.

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V, 5, 2. VI, 2, 4). Auch die Aufschrift am Kreuze Christi war ja in hebräischer, griechischer und lateinischer Sprache ausgefertigt (Joh. 19, 20). Ueber einen derartigen officiellen Gebrauch wird aber die Verbreitung des Lateinischen in Palästina in der ersten Zeit der römischen Herrschaft nicht weit hinausgegangen sein.

III. Stellung des Judenthums zum Heidenthum.

Je stärker und beharrlicher das Heidenthum fortwährend nach Palästina hereindrängte, um so energischer fühlte sich das gesetzliche Judenthum zur Abwehr desselben aufgefordert. Im Allgemeinen konnte ja freilich, wie gezeigt wurde, das Hereindringen heidnischer Cultur nicht verhindert werden. Eben deshalb aber wurden von der wachsamen Schriftgelehrsamkeit nur um so ängstlicher und peinlicher die Schranken zur Abwehr alles Ungesetzlichen gezogen. Die äusserste Wachsamkeit in dieser Beziehung war allerdings für das Judenthum eine Lebensfrage. Wollte es in dem Kampf um das Dasein, den es führte, nicht unterliegen, so musste es mit grösster Energie den Gegner von sich abwehren. Aber die Peinlichkeit, mit der hierbei verfahren wurde, hat die Gefahr, die man abwehren wollte, und die man in der That auch siegreich bestand, dabei doch zugleich unendlich vervielfacht. Denn je subtiler die Casuistik die Fälle festsetzte, welche als eine directe oder indirecte Befleckung durch heidnisches Wesen zu betrachten seien, um so häufiger war eben die Gefahr einer solchen. So brachte denn die Entwickelung der Dinge den frommen Israeliten in eine fast unerträgliche Situation. Fast täglich kam er in Berührung mit heidnischem Wesen: sei es nun mit den Personen oder doch mit den Waaren und Gegenständen, welche auf dem Wege des Handels und Verkehres in Palästina Eingang suchten und fanden. Und dabei wurde durch den Eifer der Schriftgelehrten eine immer grössere und mannigfaltigere Zahl von Fällen aufgestellt, in welchen der gesetzesstrenge Israelite durch heidnisches Wesen verunreinigt werden konnte.

Besonders zwei Punkte waren es, welche bei der Abwehr heidnischen Wesens in's Auge zu fassen waren: 1) der heidnische Götzendienst und 2) die heidnische Nichtbeobachtung der levitischen Reinheitsgesetze. In Bezug auf beide Punkte wurde von der pharisäischen Schriftgelehrsamkeit mit äusserster Peinlichkeit verfahren. - 1) In dem Interesse, jede auch nur scheinbare Annährung an den Götzendienst abzuwehren, wurde vor allem das mosaische Bilderverbot (Exod. 20, 4 f. Deut. 4, 16 ff. 27, 15) mit rücksichtsloser Consequenz gehand

habt 217). Dass man freilich lieber alles dulden, als die Aufstellung von Caligula's Bildniss im Tempel zu Jerusalem zugeben wollte, war ganz in der Ordnung 218). Aber man wollte überhaupt von bildlichen Darstellungen, wie etwa zur Zeit des Herodes von den Trophäen im Theater 219) oder von dem Adler am Tempelthore 220) nichts wissen. Als Pilatus seine Truppen mit den Legions-Adlern in Jerusalem einziehen liess, erhob sich ein förmlicher Volkstumult 221). Vitellius liess seine Truppen auf einem Umweg von Antiochia gegen Petra marschiren, um nur den heiligen Boden Judäa's nicht durch die römischen Adler zu beflecken 222). Und beim Ausbruch des Krieges hatte man in Tiberias nichts Eiligeres zu thun, als den Palast des Antipas zu zerstören, da er mit Thierbildern geschmückt war 223). Es scheint zwar, dass in Judäa auch Münzen mit dem Kaiserbilde circulirten (Mt. 22, 20 und Parallelen); aber die dort geprägten Münzen waren aus schonender Rücksicht nicht mit einem solchen versehen 224). Wenn der berühmte Schriftgelehrte Gamaliel II seinen Besuch des Bades der Aphrodite zu Akko (Ptolemais) damit rechtfertigte, dass ja das Bild der Aphrodite um des Bades willen, und nicht das Bad um der Aphrodite willen da sei 225), so war dies eine Betrachtungsweise, die in den Kreisen des gesetzlichen Judenthums keineswegs allgemein als gültig anerkannt war. Um der Gefahr einer directen oder indirecten Begünstigung des Götzendienstes oder irgend welcher Berührung mit demselben vorzubeugen, wurde verboten, dass ein Israelite drei Tage vor den heidnischen Festtagen, nach R. Ismael auch drei Tage nach ihnen, mit Heiden Geschäfte mache, ihnen etwas leihe oder von ihnen etwas entleihe, ihnen eine Zahlung mache oder von ihnen eine solche annehme 226); und an den heidnischen Festtagen selbst sollte ein Israelite überhaupt nicht in der Stadt verkehren 227). Alle Gegenstände, die auch nur möglicherweise mit dem Götzendienst in Zu

217) Vgl. Winer RWB. Art. „Bildnerei“. Rüetschi Art. Bilder" in Herzog's Real-Enc. 2. Aufl. II, 460 ff. Wieseler, Beiträge zur richtigen Würdigung der Evv. S. 84 ff.

218) Antt. XVIII, 8. B. J. II, 10.

219) Antt. XV, 8, 1—2.

220) Antt. XVII, 6, 2. B. J. I, 33, 2.

221) Antt. XVIII, 3, 1. B. J. II, 9, 2—3.

222) Antt. XVIII, 5, 3.

223) Vita 12.

224) Ewald, Gesch. des Volkes Israel V, 82 f. Madden, History of Jewish Coinage p. 134-153. De Sauley, Numismatique de la Terre Sainte p. 69 sqq.

pl. III u. IV.

225) Aboda sara III, 4.
226) Aboda sara I, 1–2.

227) Aboda sara I, 4.

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sammenhang stehen konnten, wurden verboten. So durfte von heidnischem Weine, da er möglicherweise Libationswein sein konnte, nicht nur kein Gebrauch gemacht, sondern überhaupt kein Nutzen gezogen werden 228). „Hat man Holz von einem Götzenhaine genommen, so ist von solchem alle Nutzung verboten. Hat man damit den Ofen geheizt, so muss derselbe, wenn er noch neu war, zerstossen werden. Ist er aber alt, so muss man ihn auskühlen lassen. Hat man Brod damit gebacken, so ist (nicht nur der Genuss, sondern auch) jede Nutzung von demselben verboten. Wurde dieses Brod mit anderem vermischt, so ist davon jede Nutzung verboten. Wenn man aus einem solchen Baume ein Weberschiff gemacht hat, so ist jede Nutzung verboten. Hat man ein Kleid damit gewirkt, so ist vom Kleide jede Nutzung verboten. Ward dieses Kleid unter andere und diese anderen wieder unter andere vermengt, so ist von allen die Nutzung verboten" 229).

War schon durch alles dies für eine Trennung von Judenthum und Heidenthum hinlänglich gesorgt, so wurde sie 2) noch verschärft durch die Anschauung, dass der Heide, weil er die Reinheitsgesetze nicht beobachtet, unrein sei; daher aller Verkehr mit ihm verunreinige; dass ferner aus demselben Grunde auch die Häuser der Heiden, ja alle von ihnen herrührenden Gegenstände sofern sie überhaupt der Annahme levitischer Unreinheit fähig sind als unreine zu betrachten seien 230). Wenn es in der Apostelgeschichte heisst, dass ein Jude nicht mit einem Heiden verkehren dürfe (Act. 10, 28: ἀθέμιτόν ἐστιν ἀνδρὶ Ἰουδαίῳ κολλᾶσθαι ἢ προσέρχεσθαι ἀλλοφύλῳ, so ist dies zwar nicht dahin misszuverstehen, als ob der Verkehr schlechthin verboten gewesen wäre; wohl aber ist damit gesagt, dass jeder solche Verkehr eine Verunreinigung bewirkte. Alle heidnischen Häuser waren als solche unrein 231). Ihr blosses Betreten verunreinigte (Joh. 18, 28). Alle Gegenstände, die von Heiden herrührten und die überhaupt der Annahme levitischer Unreinheit fähig waren, waren unrein und bedurften vor ihrem Gebrauch irgend einer Art

228) Aboda sara II, 3. Vgl. dazu die Gemara (Abodah Sarah oder der Götzendienst, ein Tractat aus dem Talmud, übersetzt von Ferd. Christian Ewald, 2. Ausg. 1868, S. 213 ff., bes. 221 ff.).

229) Aboda sara III, 9.

230) Vgl. zum Folgenden auch: Weber, System der altsynagogalen palästinischen Theologie (1880) S. 68 ff.

231) Ohaloth XVIII, 7. Vgl. Kirchner, Die jüdische Passahfeier und Jesu letztes Mahl (Progr. des Gymnasiums zu Duisburg 1870) S. 34-41. Delitzsch, Talmudische Studien, XIV: Die im N. T. bezeugte Unreinheit heidnischer Häuser nach jüdischem Begriff (Zeitschr. für luth. Theol. 1874, S. 1-4). Schürer, Ueber payɛiv tò náoza Joh. 18, 28, akademische Festschrift (1883) S. 23 f.

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