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ὁ αἰών οὗτος und ὁ αἰὼν ὁ μέλλων oder ὁ ἐρχόμενος (z. B. Matth. 12, 32. Marc. 10, 30. Luc. 18, 30. Eph. 1, 21). Aber eine Verschiedenheit der Auffassung bestand insofern, als man die neue Welt entweder mit Beginn der messianischen Zeit oder erst nach Ablauf derselben anbrechen liess. Ersteres z. B. in den Bilderreden des Buches Henoch c. 45, 4-5: „Und an jenem Tage werde ich meinen Auserwählten unter ihnen wohnen lassen, und werde den Himmel umgestalten, und ihn zum ewigen Segen und Lichte machen. Und ich werde die Erde umwandeln und sie zum Segen machen, und meine Auserwählten auf ihr wohnen lassen" (vgl. auch 91, 16). Letzteres im vierten Buch Esra, demzufolge nach Ablauf der messianischen Zeit eine siebentägige Todesstille auf Erden eintritt, worauf dann der Anbruch der neuen und der Untergang der alten Welt erfolgt (7, 30-31). Gemäss dieser verschiedenen Auffassung wird die messianische Zeit entweder mit der zukünftigen Welt identificirt oder noch zu der gegenwärtigen Welt gerechnet. Ersteres z. B. im Targum Jonathan zu I Reg. 4, 33: „Die zukünftige Welt des Messias“ (NIZAT 087 8), und Mischna Berachoth I, 5, wo die gegen

יְמוֹת הַמָּשִׁיחַ) und die Tage des Messias הָעוֹלָם הַזֶּה wärtige Welt

einander entgegengestellt, also letztere mit

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identificirt

werden. Im vierten Buche Esra dagegen werden die Tage des Messias noch zur gegenwärtigen Welt gerechnet, und die zukünftige beginnt erst mit dem, am Schlusse der messianischen Zeit erfolgenden, letzten Gerichte (s. bes. 7, 42-43, womit freilich 6, 9 nicht leicht zu vereinbaren ist). Auch das Buch Sifre scheidet zwischen den Messiastagen und der zukünftigen Welt" 73). Die ältere und ursprüngliche Anschauung ist jedenfalls die, welche die Messiastage mit dem künftigen identificirt. Denn der künftige Weltlauf“ ist eben zünächst nichts anderes als die künftige selige messianische Zeit (so auch noch im Neuen Testamente). Erst infolge der Erwartung einer höheren himmlischen Seligkeit nach Ablauf des messianischen Reiches ist man dann dazu gekommen, die messianische Zeit noch zum gegenwärtigen Olam zu rechnen und die Welterneue

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ferdius, De saeculo futuro (Meuschen, Nov. Test. ex Talmude illustratum 1736, p. 1116-1171). Witsius, De saeculo hoc et futuro (Meuschen, Nov. Test. p. 1171-1183). Schoettgen, De saeculo hoc et futuro (Horae Hebraicae I, 1153-1158). Lightfoot, Horae Hebraicae, zu Matth. 12, 32. Wetstein, Nov. Test. zu Mt. 12, 32. Koppe, Nov. Test. Vol. VI, epist. ad Ephes. Exc. I. Bertholdt, Christologia Judaeorum p. 38–43. Gfrörer, Das Jahrhundert des Heils II, 212-217. Bleek, Hebräerbrief II, 1, 20 ff. Riehm, Lehrbegriff des Hebräerbriefes I, 204 ff. Oehler, in Herzog's Real-Enc IX, 434 f. (2. Aufl. IX, 664 f.) Geiger's Jüdische Zeitschrift 1866, S. 124. Weber, System S. 354 f.

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73) S. Geiger's Jüdische Zeitschrift 1866, S. 124.

rung erst nach Ablauf der messianischen Zeit eintretend zu denken. In der späteren jüdischen Theologie ist diese Auffassung die vorwiegend herrschende geworden (näheres s. in der oben Anm. 72 genannten Literatur). Zuweilen wird der messianischen Zeit eine Mittelstellung zwischen dieser und der zukünftigen Welt angewiesen. So schon in der Apocal. Baruch. 74, 2-3: Tempus illud [die messianische Zeit] finis est illius quod corrumpitur, et initium illius quod non corrumpitur Ideo longe est a malis, et prope is quae

non moriuntur.

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10. Allgemeine Auferstehung74). Ehe nun das letzte Gericht gehalten wird, erfolgt eine allgemeine Auferstehung der Todten. Doch herrscht gerade in Betreff dieses Punktes in der jüdischen Theologie eine so grosse Mannigfaltigkeit der Anschauungen, dass es zu weit führen würde, auf alle Einzelheiten näher einzugehen 75). Nur die Hauptpunkte können hier angedeutet werden. Im Allgemeinen stand der Glaube an eine Auferstehung oder Wiederbelebung der Todten ( )76), der im Buche Daniel zum erstenmale bestimmt und deutlich ausgesprochen wird (Daniel 12, 2), in unserer Periode bereits unumstösslich fest (vgl. z. B. II Makk. 7, 9. 14. 23. 36. 12, 43-44. Henoch. 51, 1. Psalt. Salom. 3, 16. 14, 2 ff. Joseph. Antt. XVIII, 1, 3. Bell. Jud. II, 8, 14. Apocal. Baruch. 30, 1—5. 50, 1-51, 6. IV Esra 7, 32. Testam. XII Patriarch. Judae 25, Benjamin 10. Schmone Esre, 2. Beracha. Mischna Sanhedrin X, 1. Aboth IV, 22; vgl. auch Berachoth V, 2. Sota IX, 15 fin.). Wenigstens gilt dies in Betreff aller vom Pharisäismus beeinflussten Kreise; und diese bildeten ja bei weitem die Majorität. Nur die Sadducäer läugneten die Auferstehung 77), und die alexandrinische Theologie setzte an deren Stelle die Unsterblichkeit der Seele 78). Für die Zwi

74) Die Reihenfolge: 1) Welterneuerung, 2) Allgemeine Auferstehung, 3) Letztes Gericht, nach IV Esra 7, 31-34. So auch Gfrörer II, 272. 275. 285. 75) Vgl. Bertholdt, Christologia Judaeorum p. 176-181. 203–206. Gfrörer, Das Jahrhundert des Heils II, 275-285. 308 ff. Herzfeld, Gesch. des Volkes Jisrael III, 307-310. 328-333. 349-351. 504—506. Langen, Das Judenthum in Palästina S. 338 ff. Rothe, Dogmatik II, 2, S. 68–71. 298-308. Oehler, Theologie des A. T. II, 241 ff. Herm. Schultz, Alttestamentl. Theologie 2. Aufl. S. 713 ff. 807 ff. Hamburger, Real-Enc. II, 98 ff. (Art. Belebung der Todten"). Stähelin, Jahrbb. f. deutsche Theol. 1874, S. 199 ff. Drummond, The Jewish Messiah p. 360 sqq. Weber, System S. 371 ff. Gröbler, Die Ansichten über Unsterblichkeit und Auferstehung in der jüdischen Literatur der beiden letzten Jahrh. v. Chr. (Stud. und Krit. 1879, S. 651-700).

76) Dieser Ausdruck z. B. Berachoth V, 2. Sota IX, 15 fin. Sanhedrin X, 1. 77) Joseph. Antt. XVIII, 1, 4. Bell. Jud. II, 8, 14.

78) Sapientia Salom. 3, 1 ff. 4, 7. 5, 16. In Betreff Philo's vgl. Gfrörer, Philo und die alexandrinische Theosophie I, 403 ff. Auch die Essener

schenzeit zwischen Tod und Auferstehung nahm man in der Regel eine Scheidung zwischen Gerechten und Ungerechten an, indem man für erstere, d. h. für deren abgeschiedene Seelen, eine vorläufige Seligkeit, für letztere einen vorläufigen Zustand der Qual statuirte (s. bes. Henoch c. 22, und im IV. B. Esra den im gewöhnlichen lateinischen Texte ausgemerzten Abschnitt c. 6, 49-76 nach Zählung der äthiopischen Uebersetzung, ed. Fritzsche p. 609-611) 79). Dieselbe Erwartung liegt ja auch dem Gleichniss vom reichen Mann und armen Lazarus zu Grunde (Luc. 16, 22 ff.). In der Apokalypse Baruch's und im vierten B. Esra ist häufig von Behältnissen (promptuaria) die Rede, in welche die Seelen der verstorbenen Gerechten nach dem Tode aufgenommen werden (Apocal. Baruch, 30, 2. IV Esra 4, 35. 41. 7, 32; in dem ausgemerzten Abschnitt c. 6, 54. 68. 74. 76; bei Bensly v. 80, 95, 101). Wenn an manchen Stellen des Neuen Testamentes die Hoffnung hervortritt, dass schon unmittelbar nach dem Tode die Versetzung in den Zustand der höchsten, himmlischen Seligkeit stattfinden werde (Luc. 23, 43. II Kor. 5, 8. Phil. 1, 23. Act. 7, 59. Apoc. 6, 9 ff. 7, 9 ff.), so ist dies auch nicht ohne Analogie in der jüdischen Anschauung, insofern hier dasselbe wenigstens für hervorragende Gottesmänner erwartet wird (nicht nur für Henoch und Elia, sondern z. B. auch für Esra und seines Gleichen, IV Esra 14, 9: tu enim recipieris ab hominibus et converteris residuum cum filio meo et cum similibus tuis, usquequo finiantur tempora) 19a). Fest fixirte und allgemein gültige Anschauungen haben sich auf diesem Punkte überhaupt nicht gebildet 80). -- Ueber die neue Leiblichkeit der Auferstandenen giebt die Apokalypse Baruch's ausführlichen Aufschluss (50, 1-51, 6. Vgl. auch IV Esra 6, 71 in dem ausgemerzten Abschnitte; bei Bensly v. 97). Eine Hauptdifferenz in der Auferstehungslehre besteht nun aber darin, dass man entweder nur eine Auferstehung der Gerechten zum Zweck der Theilnahme am messianischen Reiche erwartete, oder eine allgemeine Auferstehung (der Gerechten und Gottlosen) zum Gericht, und zwar bald vor Anbruch des messianischen Reiches bald nach Ablauf desselben. Die älteste Form ist wohl die zuerst genannte (vgl. Anm. 65). Sie findet sich z. B. im Psalt. Salom. 3, 16; 14, 2 ff.; wird aber auch noch von Josephus als pharisäische Durchschnittsmeinung erwähnt (Antt. XVIII,

lehrten nach Josephus keine Auferstehung, sondern eine Unsterblichkeit der Seele, s. Antt. XVIII, 1, 5. Bell. Jud. II, 8, 11. Vgl. auch das Buch der Jubiläen in Ewald's Jahrbb. III, 24.

79) Bei Bensly, The missing fragment of the latin translation of the fourth book of Ezra (1875) p. 63–71, vers. 75-101.

79a) Vgl. auch Wetstein, Nov. Test. zu Luc. 23, 43.

80) Vgl. über den Zwischenzustand auch Weber, System S. 322 ff.

1, 3. B. J. II, 8, 14). Eine Erweiterung dieser ältesten Auferstehungshoffnung ist die Erwartung einer allgemeinen Auferstehung zum Gericht. So Daniel, Henoch, Apocal. Baruch, IV Esra, Testam. XII Patriarch. und die Mischna, an den oben angeführten Orten 81). Hiebei besteht wieder der Unterschied, dass man Auferstehung und Gericht entweder vor Anbruch der messianischen Zeit erwartete oder nach Ablauf derselben. Die erstere, von Daniel 12, 2 und Henoch 51 vertretene Anschauung ist sicher die ältere; denn das Gericht hat ursprünglich den Zweck, die messianische Zeit zu inauguriren. Erst als die messianische Seligkeit nicht mehr als die letzte und höchste betrachtet wurde, hat man auch das Gericht, als die Entscheidung über das Endgeschick der Menschen, an den Schluss der messianischen Zeit verlegt. So namentlich Apocal. Baruch und IV Esra. In der neutestamentlichen Apokalypse ist die Erwartung einer Auferstehung der Frommen vor Anbruch des messianischen Reiches combinirt mit der Erwartung einer allgemeinen Auferstehung nach Ablauf desselben. - Die Auferweckung selbst erfolgt durch den Schall der göttlichen Posaune (I Kor. 15, 52. I Thess. 4, 16. Vgl. Matth. 24, 31. IV Esra 6, 23) 82).

11. Letztes Gericht. Ewige Seligkeit und Verdammniss 83). Von einem letzten Gerichte nach Ablauf der messianischen Zeit kann nur da die Rede sein, wo dem messianischen Reiche eine begrenzte Dauer zugeschrieben wird. Es kommen hier also von älteren Dokumenten nur die Apokalypse Baruch's und das vierte Buch Esra in Betracht. Bei den Uebrigen fällt das Gericht zusammen mit der Vernichtung der feindlichen Mächte, welche vor Anbruch des messianischen Reiches erfolgt (s. oben Nr. 5). In der Apokalypse Baruch's wird das letzte Gericht nur kurz angedeutet (50, 4). Etwas ausführlicher ist das vierte Buch Esra (7, 33-35, und in dem ausgemerzten Abschnitte c. 6, 1-17; bei Bensly S. 55-58). Wir erfahren aus ihm namentlich, dass Gott selbst es ist, der das

81) In der Mischna vgl. bes. Aboth IV, 22: „Die geboren werden, sind bestimmt zu sterben; die Gestorbenen, auferweckt zu werden; die Auferweckten, vor Gericht zu stehen, damit man lerne, lehre und überzeugt werde, dass er der Allmächtige ist etc." Auch Sanhedrin X, 3 wird die Auferstehung als eine allgemeine vorausgesetzt, insofern nur ausnahmsweise von einzelnen hervorragenden Sündern, die schon bei Lebzeiten ihr Gericht empfangen haben, gesagt wird, dass sie nicht zum Gericht auferstehen werden.

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82) S. auch Weber, System S. 352 f. Stähelin, Jahrbb. f. deutsche Theol. 1874, S. 198; 220, und die Commentare zu I Kor. 15, 52 und I Thess. 4, 16. 83) Vgl. überhaupt: Bertholdt, Christologia Judaeorum p. 206-211. 221-226. Gfrörer, Das Jahrhundert des Heils II, 285 ff. 311 ff. Weber, System S. 371 ff.

Gericht hält. Auch kann darüber kein Zweifel sein, dass nach diesen beiden Apokalypsen am Tage des Gerichts nicht nur über das Volk Israel, sondern über die ganze Menschheit das Urtheil gesprochen wird (Baruch 51, 4-5. Esra 6, 2; bei Bensly S. 55 f.). Als allgemeiner Grundsatz gilt, dass alle Israeliten Antheil haben an der zuX,

. כָּל יִשְׂרָאֵל יֵשׁ לָהֶם חֵלֶק לְעוֹלָם הַבָּא :11,künftigen Welt (Sanhedrin X

Selbstverständlich aber sind alle Sünder in Israel (die in der Mischna Sanhedrin X, 1-4 sorgfältig verzeichnet werden) davon ausgeschlossen. Da das Urtheil über jeden Einzelnen genau nach Massgabe der Werke gefällt werden soll, so werden schon bei Lebzeiten der Menschen ihre Thaten in himmlischen Büchern aufgeschrieben (Henoch 98, 7-8; 104, 7; auch c. 89-90. Jubiläen in Ewald's Jahrbb. III, 38 und sonst. Test. XII Patr. Aser 7. Mischna Aboth II, 1. Ev. Luc. 10, 20. Phil. 4, 3. Apoc. 3, 5. 13, 8. 20, 15. Hermas Vis. I, 3, 2) 84), und nach Ausweis dieser Bücher erfolgt dann der Urtheilsspruch im Gericht. Die Gottlosen werden in das Feuer der Gehenna verstossen (Baruch 44, 15. 51, 1-2. 4-6. Esra 6, 1-3. 59; bei Bensly S. 55 f., 64) 85). Diese Verdammniss wird in der Regel als ewige gedacht $6). Doch findet sich auch die Anschauung von einer zeitlich begrenzten Dauer der Höllenstrafen, wodurch sie also nur die Bedeutung eines Purgatoriums erhalten 87). Die Ge

84) Vgl. über diese himmlischen Bücher bes. Harnack's Anmerkung zu Hermas Vis. I, 3, 2; auch Fabricius, Cod. pseudepigr. I, 551–562. Dillmann, Das Buch Henoch S. 245; Ewald's Jahrbb. III, 83. Langen, Das Judenthum in Palästina S. 385. 499.

85) Das hebr. i Kidduschin IV, 14. Edujoth II, 10. Aboth I, 5. V, 19. 20. Häufig in den Targumen und im Talmud. Im Neuen Testamente yéɛvva Mt. 5, 22. 29 f. 10, 28. 18, 9. 23, 15. 33. Mc. 9, 43. 45. 47. Luc. 12, 5. Jacob. 3, 6. Vgl. auch Henoch c. 27 und c. 108, 4 ff. Eisenmenger,

Entdecktes Judenthum II, 322–369. Lightfoot, Horae zu Matth. 5, 22. Wetstein, Nov. Test., zu Mt. 5, 22. Buxtorf, Lex. Chald. col. 395 sq. Levy, Chald. Wörterb. I, 135 f. Ders., Neuhebr. Wörterb. I, 323. Tholuck und Achelis in ihren Auslegungen der Bergpredigt, zu Matth. 5, 22. Die Lexika zum N. T. 8. v. yéɛvva. Dillmann, Das Buch Henoch S. 131 f. Weber, System S. 326 ff. Sonst wird auch der Hades und dessen Finsterniss als künftiges Loos der Gottlosen bezeichnet, z. B. Psalt. Salom. XIV, 6. XV, 11. XVI, 2.

86) Jes. 66, 24. Daniel 12, 2. Matth. 3, 12 25, 46. Luc. 3, 17. Testam. XII Patr. Sebulon 10. Aser 7. Joseph. B. J. II, 8, 14: dïdly tiwqią. Antt. XVIII, 1, 3: sigyμòv åïdiov (beide Stellen im Zusammenhang oben S. 315 f.). Vgl. Gfrörer, Das Jahrhundert des Heils II, 289.

87) Edujoth II, 10: „R. Akiba sagte: Die Gerichtsvollziehung über Gog und Magog in der Zukunft dauert zwölf Monate und die Verdammungszeit der Gottlosen im Gehinnom dauert zwölf Monate". Es ist dabei aber wohl nur an die Sünder aus Israel zu denken

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