Page images
PDF
EPUB

rechten und Frommen werden aufgenommen in das Paradies und werden wohnen in den Höhen jener Welt und schauen die Majestät Gottes und seiner heiligen Engel. Ihr Angesicht wird leuchten wie die Sonne und sie werden ewiglich leben (Daniel 12, 3. Baruch 51, 3. 7-14. Esra 6, 1-3; 68-72; bei Bensly S. 55 f. 69 f. Vgl. auch Assumptio Mosis 10, 9—10)88).

12. Anhang. Der leidende Messias 89). Wir hatten im Bisherigen nirgends Veranlassung, von Leiden oder vollends von einem Versöhnungstode des Messias zu reden. Denn die Weissagung des vierten Buches Esra, dass der Messias nach 400 jähriger Herrschaft sterben werde (IV Esra 7, 28-29), hat selbstverständlich mit der Idee eines Versöhnungstodes nichts gemein. Aber es darf nun doch die Frage nicht unerörtert bleiben: Ob das Judenthum im Zeitalter Christi einen leidenden und zwar zur Sühnung der menschlichen Sünde leidenden und sterbenden Messias erwartet habe. Nach dem Bisherigen scheint sich die Frage von selbst zu verneinen, wie sie denn auch von Vielen (unter eingehendster Begründung namentlich von de Wette) verneint worden ist. Andere dagegen, wie z. B. Wünsche, glauben sie ebenso entschieden bejahen zu können. Allerdings ist nun im Talmud wiederholt von Leiden des Messias die Rede. Aus dem Worte Jesaja 11, 3 wird geschlossen, dass Gott den Messias beladen habe mit Geboten und Schmerzen gleich Mühl

(so z. B. Aboth nur von einem Arachin III, 2).

88) Im Rabbinischen heisst das Paradies gewöhnlich V, 20), oder auch, letzteres aber seltener (in der Mischna Park im natürlichen Sinne, Sanhedrin X, 6. Chullin XII, 1. In den Testam. XII Patr. kommt beides vor ('Edu Test. Dan. 5, лαоádeιoos Test. Levi 18). Im N. T. лαρáðɛioos Luc. 23, 43. II Kor. 12, 4. Apoc. 2, 7. Viel Material bei Eisenmenger, Entdecktes Judenthum II, 295–322. Wetstein, Nov. Test. I, 818-820 (zu Luc. 23, 43). Vgl. auch Lightfoot, Horae hebr. zu Luc. 23, 43. Schöttgen, horae hebr. zu II Kor. 12, 4 und Apoc. 2, 7. Ueberhaupt die Ausleger zu den Stellen des N. T.'s. Joh. Schulthess, Das Paradies, das irdische und überirdische, historische, mythische und mystische (Zürich 1816) S. 345 ff. Arnold, Art. „Paradies" in Ersch und Grubers Encykl. Section III Bd. 11 (1838) S. 304 ff. bes. 310 ff. Thilo, Cod. apocr. Nov. Test. p. 748 sqq. Klöpper, Commentar zum zweiten Korintherbrief S. 506 ff. Weber, System S. 330 ff. Hamburger, Real-Enc. II, 892-897 (Art. „Paradies“).

oder Die יְסוּרֵי הַמִּשִׁיחַ,Winsche

89) Vgl. De Wette, De morte Jesu Christi expiatoria (Opuscc. p. 1—148). Gfrörer, Das Jahrhundert des Heils II, 265–272. Oehler, in Herzog's Real-Enc. IX, 440 f. (2. Aufl. IX, 670 f.). Leiden des Messias. Leipzig 1870. Delitzch, Sehet welch' ein Mensch! (Leipzig 1872), S. 13. 30 f. Castelli, Il Messia p. 216–224, 329 ff. 335 ff. — Hamburger, Real-Enc. II, 765-767 (Art. ,Messiasleiden“). Die ältere Literatur verzeichnet De Wette a. a. O. S. 6-9.

Weber, System S. 343-347.

[ocr errors]

steinen (718) 90). An einer andern Stelle wird geschildert, wie der Messias an den Thoren Roms sitzt und seine Wunden auf- und zubindet 91). Wichtiger ist, dass schon in Justin's Dialogus cum Tryphone von dem Vertreter des jüdischen Standpunktes wiederholt zugegeben, ja als selbstverständlich versichert wird, dass der Messias leiden müsse. Wenn wir (so berichtet Justin c. 68) ihnen die Schriftstellen nennen, welche deutlich beweisen, dass der Messias leiden muss und anzubeten ist und Gott ist, so geben sie zwar gezwungen zu, dass dort vom Messias die Rede ist, aber trotzdem wagen sie zu behaupten, dass dieser (Jesus) nicht der Messias sei. Vielmehr glauben sie, er werde erst kommen und leiden und herrschen und ein anbetungswürdiger Gott werden." Noch bestimmter äussert sich Trypho selbst an einer andern Stelle c. 89: Hadntò v μὲν τὸν Χριστὸν ὅτι αἱ γραφαί κηρύσσουσι, φανερόν ἐστιν· εἰ δὲ διὰ τοῦ ἐν τῷ νόμῳ κεκατηραμένου πάθους, βουλόμεθα μαθεῖν, εἰ ἔχεις καὶ περὶ τούτου ἀποδείξαι. Hier überall ist nun freilich nur von Leiden im Allgemeinen, nicht von einem sühnenden Leiden die Rede, und die Idee eines Kreuzestodes wird bestimmt abgewiesen. Aber es finden sich auch Stellen, in welchen im Anschluss an Jesaja 53, 4 ff. deutlich von einem Leiden um der Sünde der Menschheit willen die Rede ist. So wird einmal dem Messias unter anderen Namen auch der Name Chulja ( der Kranke, nach anderer Lesart der Aussätzige) beigelegt, und dies begründet durch Berufung auf Jes. 53, 4: „Fürwahr unsere Krankheiten hat er getragen und unsere Schmerzen hat er auf sich genommen; wir aber hielten ihn für einen, der geplaget und von Gott geschlagen und gedemüthigt wäre 92). Nach dem Buche Sifre sagte R. Jose der Galiläer: Der König Messias ist erniedrigt und klein gemacht worden wegen der Abtrünnigen, wie es heisst: Er ist durchbohrt. wegen unserer Frevel u. s. w. (Jes. 53, 5). Um wie viel mehr wird er deshalb für alle Geschlechter Genugthuung schaffen, wie geschrieben steht: Und Jahve liess ihn treffen die Schuld von uns allen (Jes. 53, 6)* 93). Schon die letztere Stelle beweist, dass man im zweiten Jahrhundert nach Christo in manchen Kreisen Jes. 53, 4 ff. auf den Messias deutete 94). Bestätigt wird dies durch die Worte

[ocr errors]

90) Sanhedrin 93b, mitgetheilt bei Wünsche, Die Leiden des Messias S. 56 f.

91) Sanhedrin 98a, bei Delitzsch, Hebräerbrief S. 117. Wünsche S. 57 f. 92) Sanhedrin 98b, bei Gfrörer II, 266. Wünsche S. 62 f.

93) S. Wünsche S. 65 f. Delitzsch, Paulus' Brief an die Römer (1870) S. 82 f. Stellen aus späteren Midraschim und anderen Werken jüdischer Theologen bei Wünsche S. 66–108.

94) R. Jose der Galiläer war ein Zeitgenosse des R. Akiba, lebte also in Schürer, Zeitgeschichte II.

30

Trypho's bei Justin. Dial. c. Tryph. c. 90: Haðɛiv μèv yào xaì ởs πρόβατον ἀχθήσεσθαι οἴδαμεν· εἰ δὲ καὶ σταυρωθῆναι κ. τ. λ. Der jüdische Gegner Justin's gab also zu, dass Jes. 53, 7 auf den Messias zu beziehen sei. Es wird sich hiernach nicht bestreiten lassen, dass man im zweiten Jahrhundert nach Chr. wenigstens in gewissen Kreisen des Judenthums sich mit der Idee eines leidenden, und zwar zur Sühne der menschlichen Sünde leidenden Messias vertraut gemacht hat. Es ist damit ein Gedanke auf den Messias angewandt, der an sich dem rabbinischen Judenthum ganz geläufig ist: dass nämlich der vollkommene Gerechte nicht nur alle Gebote erfüllt, sondern auch durch Leiden die etwa begangenen Sünden büsst, und dass das überschüssige Leiden der Gerechten. den Anderen zu gute kommt95). Aber so sehr sich von diesen Prämissen aus die Idee eines leidenden Messias auf dem Boden des Judenthums begreifen lässt, so wenig ist sie doch die herrschende Anschauung des Judenthums geworden. Das, sozusagen officielle, Targum Jonathan lässt zwar die Beziehung von Jes. 53 auf den Messias im Ganzen stehen, deutet aber gerade diejenigen Verse, welche vom Leiden des Knechtes Gottes handeln, nicht auf den Messias 96). In keiner der zahlreichen von uns besprochenen Schriften fanden wir auch nur die leiseste Andeutung von einem sühnenden Leiden des Messias. Wie fern diese Idee dem Judenthume lag, beweist auch das Verhalten der Jünger wie der Gegner Jesu zur Genüge (Mt. 16, 22. Luc. 18, 34. 24, 21. Joh. 12, 34). Man wird nach alledem wohl sagen dürfen, dass sie dem Judenthum im Grossen und Ganzen fremd gewesen ist.

der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts nach Chr. (s. oben S. 313). Ebenfalls ein Zeitgenosse dieser Männer war R. Tarphon, der wahrscheinlich mit Justin's Trypho identisch ist (s. oben S. 312). Wenn also Trypho bereit ist, dem Justin die genannten Concessionen zu machen, so vertritt er damit nur die in den Kreisen seiner palästinensischen Collegen gültigen Anschauungen. 95) S. Weber, System S. 313-316.

96) Näheres s. bei Oehler in Herzog's Real-Enc. IX, 441 (2. Aufl. IX, 670 f.). Weber, System S. 344 f. Zur Geschichte der Auslegung von

Jes. 53 bei den Juden vgl. auch Origenes c. Cels. I, 55; und besonders: Driver and Neubauer, The fifty-third chapter of Isajah according to the Jewish Interpreters. 2 Bde. I: Texts. II: Translations. Oxford and London 1876-1877 (Theol. Litztg. 1877, 567 f.).

§. 30. Die Essener.

Literatur:

Triglandius, Trium scriptorum illustrium de tribus Judaeorum sectis syntagma. 2 Bde. Delphis 1703.

Joh. Gottlob Carpzov, Apparatus historico criticus antiquitatum sacri codicis (1748) p. 215-240.

Ugolini, Trihaeresium etc., in seinem Thesaurus antiquitatum sacrarum t. XXII.

Bellermann, Geschichtliche Nachrichten aus dem Alterthume über Essäer und Therapeuten, Berlin 1821.

Credner, Ueber Essäer und Ebioniten und einen theilweisen Zusammenhang derselben, in: Winer's Zeitschr. für wissenschaftl. Theol. Bd. I, Heft 2 (1827) S. 211-264, und Heft 3 (1829) S. 277-328.

Gfrörer, Philo und die alexandrinische Theosophie Bd. II (1831) S. 299-356. Dähne, Geschichtliche Darstellung der jüdisch-alexandrinischen ReligionsPhilosophie Bd. I (1834) S. 439–497. Ders., Art. Essäer" in Ersch und Gruber's Allg. Encyklop. Section I, Bd. 38 (1843) S. 173–192.

Frankel, Die Essäer. Eine Skizze (Zeitschr. für die religiösen Interessen des Judenthums 1846, S. 441-461).

Frankel, Die Essäer nach thalmudischen Quellen (Monatsschr. für Gesch. und Wissensch. des Judenth. 1853, S. 30-40. 61-73).

Lutterbeck, Die neutestamentlichen Lehrbegriffe Bd. I (1852), S. 270–322. Uhlhorn, Art. „Essener" in Herzog's Real-Enc. Bd. IV (1855), S. 174-177 (2. Aufl. IV, 341–344).

Zeller, Die Philosophie der Griechen Thl. III, Abth. 2 (1. Aufl. 1852), 2. Aufl. 1868, S. 234-292 (3. Aufl. 1881, S. 277-338). Ders., Ueber den Zusammenhang des Essäismus mit dem Griechenthum (Theol. Jahrbb. 1856, S. 401-433).

Ritschl, Ueber die Essener (Theol. Jahrbb. 1855, S. 315-356).

Entstehung der altkathol. Kirche (2. Aufl. 1857) S. 179-203. Mangold, Die Irrlehrer der Pastoralbriefe (1856) S. 32-60. Hilgenfeld, Die jüdische Apokalyptik (1857), S. 243–286.

[ocr errors]

Ders., Die

Ders., Zeitschr.

für wissensch. Theol. Bd. I, 1858, S. 116 ff. III, 1860, S. 358 ff. X, 1867, S. 97 ff. XI, 1868, S. 343 ff. XIV, 1871, S. 50 ff. XXV, 1882, S. 257 ff. Herzfeld, Gesch. des Volkes Jisrael Bd. III, S. 368 ff. 388 ff. 509 ff. Jost, Geschichte des Judenthums und seiner Secten Bd. I, S. 207-214. Grätz, Geschichte der Juden (3. Aufl.) Bd. III, S. 99 ff. 657-663 (Note 10). Ewald, Geschichte des Volkes Israel Bd. IV, S. 483 ff.

Harnischmacher, De Essenorum apud Judaeos societate. Bonn 1866 (Gymnasialprogramm).

Keim, Geschichte Jesu Bd. I, S. 282-306.

Holtzmann, in Weber und Holtzmann's Gesch. des Volkes Israel Bd. II, S. 74-89.

Derenbourg, Histoire de la Palestine (1867) p. 166–175. 460–462. Hausrath, Neutestamentliche Zeitgeschichte Bd. I, 2. Aufl., S. 132–146. Tidemann, Het Essenisme. Leiden 1868. Ders., Esseners en Therapeuten

(Theologisch Tijdschrift 1871, p. 177–188).

Ders., De apocalypse van

Henoch en het Essenisme (Theol. Tijdschrift 1875, p. 261-296). Westcott, Art. Essenes in Smith's Dictionary of the Bible (in der amerikani-.

schen Ausgabe giebt Abbot hierzu Literaturnachträge).

Ginsburg, Art. Essenes in Kitto's Cyclopaedia of Biblical Literature.

The Essenes, their history and doctrines, London 1864.

Benamozegh, Storia degli Esseni, Firenze 1865.

Ders,

Lauer, Die Essäer und ihr Verhältniss zur Synagoge und Kirche. Wien, Braumüller 1869 (Separatabdruck aus der Oesterreich. Vierteljahrschr. für kathol. Theol. Jahrg. VII, Heft 4).

Lipsius, Art. „Essäer“ in Schenkel's Bibellex. Bd. II, 181-192.

Clemens, Die Quellen für die Geschichte der Essener (Zeitschr. für wissenschaftl. Theol. 1869, S. 328-352).

Geiger, Jüdische Zeitschr. für Wissensch. und Leben Bd. IX, 1871, S. 30-56. Clemens, Die essenischen Gemeinden (Zeitschr. für wissenschaftl. Theol. 1871, S. 418-431).

Sieffert, Christus und die Essäer (Beweis des Glaubens 1873, S. 481–508). Hamburger, Real-Enc. für Bibel und Talmud II, 172-178 (Art. „Essäer“). Delaunay, Moines et sibylles dans l'antiquité judéo-grecque, Paris 1874. Lightfoot, St. Paul's epistles to the Colossians and to Philemon (2. ed. London 1876) p. 82-98, 349-419.

Pick, Die englische Literatur über die Essäer (Zeitschr. für die lutherische Theologie 1878, S. 397-399).

Demmler, Christus und der Essenismus (Theologische Studien aus Württemberg 1. Jahrg. 1880, S. 29 ff. 122 f.).

Bestmann, Geschichte der christlichen Sitte Bd. I (1880) S. 308 ff.

Lucius, Der Essenismus in seinem Verhältniss zum Judenthum, Strassburg 1881.

Reuss, Gesch. der heiligen Schriften Alten Testaments §. 547.
Klöpper, Der Brief an die Collosser (1882) S. 76–95.

Kuenen, Volksreligion und Weltreligion (deutsche Ausg. 1883) S. 197-206.
Hilgenfeld, Ketzergeschichte des Urchristenthums (1884) S. 87-149.

Von der grossen Heerstrasse des jüdischen Volkslebens abgeschieden lebte im Zeitalter Christi in Palästina eine religiöse Gemeinschaft, die, obwohl auf jüdischem Boden erwachsen, doch in vielen Punkten von dem traditionellen Judenthume wesentlich abwich, und die, wenn sie auch auf die Entwickelung des Volkes keinen massgebenden Einfluss geübt hat, doch schon als eigenthümliches Problem der Religionsgeschichte unsere Aufmerksamkeit verdient. Man pflegt diese Gemeinschaft, die Essener oder Essäer, nach dem Vorgange des Josephus als die dritte jüdische Secte neben die Pharisäer und Sadducäer zu stellen. Aber es bedarf kaum der Bemerkung, dass wir es hier mit einer Erscheinung ganz anderer Art zu thun haben. Während die Pharisäer und Sadducäer grosse politisch-religiöse Parteien sind, lassen sich die Essener am ehesten vergleichen mit einem Mönchsorden. Im Einzelnen ist freilich vieles räthselhaft an ihnen. Schon ihr Name ist dunkel.

Jo

« PreviousContinue »