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et gesta morum; et primum perfidia Judaeorum, qui semper in Deum et in Mosem contumaces exstiterunt, qui cum a Deo secundum Mosem initium anni mensem Martium acceperint, illi dictum pravitatis sive superbiae exercentes mensem Septembrem ipsum novum annum nuncupant, quo et mense magistratus sibi designant, quos Archontas vocant. Neben der Wahl auf bestimmte Zeit scheint aber auch die Wahl auf Lebenszeit vorgekommen zu sein. Es ist wenigstens wahrscheinlich, dass der mehrmals vorkommende räthselhafte Titel dià Biov auf lebenslängliche Archonten zu deuten ist 114).

Wie in Palästina so begegnen wir auch in Rom und Italien, ja überall in der Diaspora dem Amt des άρχισυνάγωγος 115). Ueber die Verschiedenheit dieses Amtes von dem des regovorάoxys und der άoxovtes ist bereits oben (§. 27 S. 366) das Nöthige bemerkt worden. Der Archisynagog ist nicht etwa der Vorsteher der Gemeinde, sondern er hat die Aufgabe, speciell die gottesdienstlichen Versammlungen zu leiten und zu überwachen. Er kann natürlich aus der Zahl der doxovtes genommen werden, so dass ein und dieselbe Person zugleich Archon und Archisynagog war. An sich aber

in Chrysostomi Opp. t. II ed. Paris. 1687. Da mir diese Ausgabe nicht zugänglich ist, gebe ich das Citat nach Wesseling.

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114) Corp. Inscr. Graec. 9903 Fiorelli, Catalogo 1960: Aarißov tov ¿à (= διὰ) βίου ἀπὸ τῆς συναγωγῆς τῶν Αὐγουστησίων. - Corp. Inscr. Graec. 9907: Ζώσιμος διὰ βίου συναγωγῆς Ἀγριππησίων. Garrucci, Dissertazioni II, 184 η. 29: Αιλια Πατρικια Τούλλιο Ειρηναιο κονιούγι βενεμερεντι φηκιτ διαβιο. Mommsen, Inscr. Regni Neap. 2555 Corp. Inser. Lat. t. X n. 1893: Ti. Claudius Philippus dia viu et gerusiarches. Mommsen, IRN. 7190 Fiorelli, Catalogo 1962: Tettius Rufinus Melitius vicxit annis LXXXV iabius. Ascoli, Iscrizioni p. 51 n. 2 Corp. Inscr. Lat. t. IX n. 6208: Tapos Ava diaßiov. Bedenken gegen die obige Erklärung hat Ascoli erhoben, Iscrizioni p. 112. In der That kann bei einigen dieser Inschriften (wo die Formel dià Biov am Ende steht) die Richtigkeit der gegebenen Erklärung bezweifelt werden. Jedenfalls gehört nicht hieher die von Clermont-Ganneau in Emmaus Nikopolis in Palästina gefundene Inschrift εὐτυχῖτε, ὁ γάμος διὰ βίου Archives des missions scientifiques, troisième série t. IX, 1882, p. 307-310; auch in The Survey of Western Palestine, Memoirs III, 81). Es scheint dies einfach ein Hochzeitswunsch zu sein: die Ehe möge währen die Biov.

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115) In Rom: Corp. Inscr. Graec. 9906: Iovλiavov do̟zióvvayóɣov. Garrucci, Cimitero p. 67: Stafulo arconti et archisynagogo. In Capua: Mommsen, Inscr. Regni Neap. 3657 Corp. Inser. Lat. t. X n. 3905: Alfius

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Juda arcon arcosynagogus. In Venosa: Ascoli, Iscrizioni p. 49 not. 1 Corp. Inscr. Lat. t. ΙΧ n. 6201: Ταφος Καλλιστου νιπιου ἀρχοσσιναγωγου Corp. Inscr. Lat. t. IX n. 6232 Lenormant, Re

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(sic).

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Ascoli p. 52 n. 4

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vue des études juires t. VI Nr. 12 P 203: Ταφως Ασηλονυα ἀρχοσηνωγούγου. Lenormant p. 204: Ταφως Ἰοσηφ

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Ascoli p. 57 n. 12 CIL t. IX n. 6205 =

αρχη συναγωγως υἱως Ἰωσηφ ἀρχη συναγογου. – Das übrige Material s. oben §. 27, S. 365.

sind beide Aemter verschieden, wie gerade die Inschriften beweisen. Ueber den späteren Gebrauch des Titels αρχισυνάγωγος als blossen Titels bei unmündigen Kindern und Frauen s. oben S. 367. Ausser dem Archisynagogen hatte auch der Gemeindediener (vangéτns) beim Gottesdienst zu fungiren, der auch einmal auf einer römischen Grabschrift erwähnt wird 116). Ziemlich häufig sind auf den Inschriften endlich die Titel pater synagogae und mater synagogae 117). Schon der Umstand, dass eben auch der letztere Titel vorkommt, macht es wahrscheinlich, dass damit nicht ein eigentliches Amt bezeichnet wird, sondern eine Ehrenstellung in der Gemeinde. Es war ein Titel, der namentlich an betagte und um die Gemeinde verdiente Mitglieder verliehen wurde 118).

2. Staatsrechtliche Stellung der Gemeinden.

Die jüdischen Gemeinden sind im Rahmen der griechisch-römischen Welt keineswegs eine singuläre Erscheinung. Der lebhafte Verkehr, durch den alle grösseren Hafenplätze des mittelländischen Meeres in der hellenistischen Zeit mit einander verbunden waren, hatte zur Folge, dass nicht nur Juden, sondern auch Phönicier, Syrer, Aegypter, Kleinasiaten in vielen Hauptstädten Griechenlands und Italiens bald in grösserer, bald in kleinerer Zahl sich ansiedelten. Alle Angehörigen derselben Nation waren aber in der Fremde durch die Gemeinschaft der materiellen und geistigen Interessen, vor allem durch die Gemeinschaft des religiösen Cultus von selbst auf gegenseitige Unterstützung, also auf gemeinschaftliche Organisation angewiesen. Sie bildeten, wo sie in grösserer Zahl an einem Orte beisammen wohnten, eine geschlossene Gemeinschaft, deren Zweck vor allem eben die Pflege des religiösen Cultus war. Wie es also jüdische Diasporagemeinden gab, so gab es auch phönicische, ägyptische u. s. w.

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116) Garrucci, Dissertazioni II, 166 n. 22: 2ßios 'lovhiaròs vangitys. 117) лatno ovvaywyns' Corp. Inscr. Graec. 9904. 9905. 9908. 9909. Garrucci, Cimitero p. 52. Ders., Dissertazioni II, 161 n. 10. pater sinagogae: Orelli-Henzen, Inscr. Lat. n. 6145 Corp. Inscr. Lat. t. VIII n. 8499. Codex Theodosianus (ed. Haenel) XVI, 8, 4: Hiereos et archisynagogos et patres synagogarum et ceteros, qui synagogis deserviunt. pater (ohne Zusatz): Garrucci, Dissertazioni II, 164 n. 18. Ascoli p. 58 n. 15 Corp. Inscr. Lat. t. IX n. 6221. Ascoli p. 61 n. 19 Corp. Inscr. Lat. t. IX n. 648 u. 6220 Lenormant p. 205 sq. mater synagogae: Corp. Inser. Lat. t. V n. 4411.

Orelli 2522.

118) Vgl. die Altersangaben: Corp. Inser. Graec. 9904: Ilavɣágios naτno συναγωγῆς Ἐλαίας ἐτῶν ἑκατὸν (sic) δέκα. Orelli 2522: Beturia Paulina. . . quae bixit an. LXXXVI. meses VI . . . mater synagogarum Campi et Bolumni.

Schon im J. 333 vor Chr. wurde durch einen Beschluss der Athener den Kaufleuten aus Kitium (vлоооi Kitiεis) gestattet, im Piräus ein Heiligthum der Aphrodite zu erbauen, wobei erwähnt wird, dass die Aegypter (oi Aiyiлτioi) ebendaselbst bereits einen Tempel der Isis hätten (Corp. Inser. Attic. II, 1 n. 168). Auf der Insel Delos finden wir im Anfang des zweiten Jahrh. vor Chr. eine Gemeinde tyrischer Kaufleute (Corp. Inser. Graec. 2271: i ovvodos tov Tvgiov ¿prógov zaì vavzλýgow) 119). Aus einer Inschrift vom J. 174 nach Chr. wissen wir, dass damals in Puteoli eine Gemeinde von Tyriern lebte, die zur Erhaltung ihres vaterländischen Gottesdienstes eine Subvention von der Heimath erbitten (Corp. Inser. Graec. 5853: οἱ ἐν Ποτιόλοις κατοικοῦντες, scil. Τύριοι) 120). Gleichfalls in Puteoli gab es cultores Jovis Heliopolitani Berytenses qui Puteolis consistunt (Orelli, Inser. Lat. 1246 Corp. Inser. Lat. t. X n. 1634). Diese nach dem Westen gekommenen Orientalen haben sich aber nicht damit begnügt, sich selbst zu solchen Gemeinden zusammenzuschliessen: sie haben ebenso wie die Juden auch für ihren Glauben Propaganda gemacht unter Griechen und Römern, und zwar z. Th. mit grossem Erfolge. Die griechische Religion hat ja schon in alter Zeit unter dem Einfluss des Orients gestanden. In der hellenistischen Zeit gewannen die orientalischen Culte immer mehr an Boden. In Rom hat sich der Cultus der ägyptischen Gottheiten schon in der letzten Zeit der Republik eingebürgert; in der Kaiserzeit folgten die syrischen und persischen Culte, namentlich der des Mithras (näheres s. unten Nr. V). Zur Pflege dieser Culte wurden, soweit sie nicht geradezu von Staats wegen betrieben wurden, von den Anhängern derselben ebenfalls religiöse Genossenschaften gebildet, die in ihrer inneren Organisation und in ihrer staatsrechtlichen Stellung den erwähnten Corporationen auswärtiger Kaufleute ganz analog zu denken sind. - Die staatliche Gesetzgebung hat für alle diese Vereine sowohl in Griechenland als in Rom bestimmte rechtliche Formen geschaffen, unter deren Schutz sich dieselben zu hoher Blüthe entwickeln konnten. In Griechenland begegnen wir diesen Vereinen schon seit dem vierten Jahrh. vor Chr. unter dem Namen der dicoot oder parot. Sie weisen trotz aller sonstigen Mannigfaltigkeit doch sämmtlich gewisse gemeinsame Merkmale auf, wie sie eben durch die staatliche Ge

119) Ueber die Zeit der Inschrift s. Foucart, Des associations religieuses chez les Grecs p. 225. Daselbst p. 223-225 auch der Text der Inschrift correcter als im Corp. Inser.

120) Vgl. zu dieser interessanten Inschrift den Commentar von Mommsen in den Berichten der sächs. Gesellsch. der Wissensch., phil.-hist. Cl. 1850 S. 57 ft.

setzgebung geregelt waren 121). In Rom gab es collegia seit alter Zeit zu sehr verschiedenartigen Zwecken; theils vorwiegend zu religiösen Zwecken, theils zu politischen (diese seit Cäsar und Augustus verboten), theils zum Zwecke der gegenseitigen Unterstützung ihrer Mitglieder, namentlich um den Angehörigen des Collegiums ein ehrliches Begräbniss zu sichern (collegia tenuiorum, collegia funeraticia). Sie unterscheiden sich von den sacerdotia publica populi Romani hauptsächlich dadurch, dass sie vom Staate zwar anerkannt, aber nicht mit Grundbesitz dotirt, sondern auf die freien Beiträge ihrer Mitglieder angewiesen waren 122).

Die hier gezeichnete Stellung freier religiöser Vereine nahmen nun auch die jüdischen Gemeinden in Griechenland und Rom ein, wofern sie nicht etwa wie in Alexandria noch weitergehende politische Rechte genossen, was aber doch im eigentlichen Griechenland und Rom sicherlich nicht der Fall war. In den Reichen der Ptolemäer und Seleuciden war die Duldung der jüdischen Gemeinden und ihres Cultus eine selbstverständliche Sache. Haben doch die ersten Ptolemäer und Seleuciden den in ihren Reichen wohnenden Juden wichtige politische Rechte eingeräumt (s. unten Abschnitt III). Ptolemäus II soll sogar die Uebersetzung des jüdischen Gesetzes in's Griechische veranlasst, Ptolemäus III in Jerusalem geopfert haben 123). Als man freilich mehr und mehr sah, wie spröde

121) Vgl. über die religiösen Genossenschaften in Griechenland: Wescher, Revue archéologique Nouv. Série t. X, 1864, S. 460 ff. XII, 1865, S. 214 ff. XIII, 1866, S. 245 ff. Foucart, Des associations religieuses chez les Grecs, thiases, éranes, orgéons, avec le texte des inscriptions relatives à ces associations. Paris 1873. Lüders, Die dionysischen Künstler, Berlin 1873. Heinrici, Die Christengemeinde Korinths und die religiösen Genossenschaften der Griechen (Zeitschr. für wissensch. Theol. 1876, 465-526, bes. 479 ff.). Ders., Zur Geschichte der Anfänge paulinischer Gemeinden (Ebendas. 1877, S. 89-130). Neumann, cõõrai 'Inσov (Jahrbb. für prot. Theol. 1885, S. 123–125).

122) Vgl. über die römischen collegia bes. Mommsen, De collegiis et sodaliciis 1843. Ders., Zeitschr. für geschichtl. Rechtswissenschaft Bd. XV, 1850, S. 353 ff. Max Cohn, Zum römischen Vereinsrecht, Berlin 1873 (hierzu Bursian's philol. Jahresbericht 1873, II, 885-890). Boissier, La religion romaine d'Auguste aux Antonins, 2. ed. 1878, II, 238-304. Duruy, Du régime municipal dans l'empire romain (Revue historique t. I, 1876, p. 355 sqq.). De Rossi, Roma sotterranea t. III, 1877, p. 37 sqq. und bes. p. 507 sqq. Eine gute übersichtliche Zusammenfassung bei Marquardt, Römische Staatsverwaltung III, 1878, S. 131-142. Noch andere Literatur bei Hatch, Die Gesellschaftsverfassung der christlichen Kirchen im Alterthum (deutsche Ausg. 1883) S. 20. Viel Material geben die Indices zum Corp. Inscr. Lat. Für das Juristische kommt in Betracht Digest. XLVII, 22: de collegiis et corporibus.

123) S. überh. über die judenfreundliche Stellung der ersten Ptolemäer: Josephus contra Apion. II, 4-5.

sich die Juden gegenüber dem Hellenismus verhielten, wie sie im Unterschied von allen anderen Nationen auf religiösem Gebiete eine scharfe Scheidewand zwischen sich und den übrigen Völkern aufrichteten, da haben wohl einzelne Könige wie Antiochus Epiphanes diesen Widerstand zu brechen, den jüdischen Cultus mit Gewalt zu unterdrücken gesucht. Die Geschichte hat aber gelehrt, dass das Unternehmen unausführbar war; und es ist im Grossen und Ganzen auch später bei der früheren Duldung geblieben. Ein Haupt-Judenfreund war Ptolemäus VI Philometor, der sogar die Erbauung eines jüdischen Tempels in Aegypten gestattete (s. unten Abschnitt IV). Wenn Ptolemäus VII Physkon eine feindliche Haltung gegen die Juden einnahm, so geschah dies nicht wegen ihrer religiösen, sondern wegen ihrer politischen Parteistellung 124). Auch die rö

mische Gesetzgebung hat die freie Religionsübung der Juden ausdrücklich anerkannt und gegen etwaige Unterdrückungsversuche der hellenistischen Communen geschützt. Namentlich waren es Cäsar und Augustus, welchen die Juden ihre formelle Anerkennung im römischen Reiche zu danken hatten. Es sind uns durch Josephus (Antt. XIV, 10. XVI, 6) eine ganze Anzahl von Actenstücken aufbewahrt theils Senatsconsulte, theils Erlasse des Cäsar und Augustus, theils solche von römischen Beamten oder Communalbehörden aus jener Zeit, welche alle den Zweck haben, den Juden die freie Ausübung ihrer Religion und die Aufrechterhaltung ihrer Privilegien zu sichern 125). Die Politik Cäsars war im Allgemeinen gerade diesen

124) Josephus erzählt von Ptolemäus VII Physkon folgendes (c. Apion. II, 5): Nach dem Tode Ptolemäus' VI suchte Ptolemäus VII die Wittwe und Nachfolgerin des ersteren Kleopatra zu stürzen, deren Heer von dem jüdischen Feldherrn Onias befehligt wurde. Während nun Ptolemäus VII gegen Onias zu Felde zog, liess er die in Alexandria wohnenden Juden gefesselt den Elephanten vorwerfen, damit sie von ihnen zertreten würden. Die Elephanten aber wandten sich statt dessen gegen die Freunde des Königs, worauf dieser von seinem Unternehmen reumüthig abstand. Zur Erinnerung an diese wunderbare Errettung feiern die Juden Alexandria's seitdem alljährlich ein Dankfest. Die Geschichte von der wunderbaren Errettung vor den Elephanten bildet auch den Hauptinhalt des abgeschmackten Romanes, welcher unter dem Namen des dritten Makkabäerbuches bekannt ist, wo ebenfalls die Notiz beigefügt ist, dass die Juden seitdem alljährlich ein Dankfest feiern (III Makk. 6, 36). Als Thäter wird aber hier nicht Ptolemäus VII, sondern Ptolemäus IV genannt. Durch diese Parallele wie durch ihren Inhalt selbst wird die Geschichte mehr als verdächtig. Wenn aber so viel historisch ist, dass Ptolemäus VII gegen die Juden eine feindliche Stellung einnahm, so war der Grund nicht deren religiöses Bekenntniss, sondern ihre politische Stellung auf Seiten Kleopatra's.

125) Vgl. über diese Actenstücke: Gronovius, Decreta Romana et Asiatica pro Judaeis, Lugd. Bat. 1712. Krebs, Decreta Romanorum pro Judaeis

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