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Die Handschriften, in welchen unser Buch überliefert ist, sind theils Bibelhandschriften, theils Handschriften des Josephus. Erstere sind nicht zahlreich, da in der Regel nur drei Makkabäerbücher als kanonisch recipirt wurden (Freudenthal S. 118. 119). Doch sind gerade die beiden wichtigsten Handschriften für unser Buch zwei Bibelhandschriften, der codex Alexandrinus (bei Fritzsche Nr. III) und Sinaiticus (bei Fritzsche Nr. X). Ueber die Ausgaben dieser Handschriften s. oben S. 703. Mehr über die Handschriften s. bei Fabricius-Harles, Biblioth. graec. V, 26 sq. Grimm, Handb. S. 294. Freudenthal S. 120-127, 169 f., 173. Fritzsche, Prolegom. p. XXI sq. Collationen hauptsächlich in Havercamp's Ausgabe des Josephus II, 1, 497 ff. II, 2, 157 ff. Ein Fragment bei Tischendorf, Monumenta sacra inedita vol. VI, 1869. Varianten einer Florentiner Handschrift (Acquis, ser. III num. 44) giebt Pitra, Analecta sacra t. II (1884) p. 635-640.

Gedruckt ist der Text, entsprechend der handschriftlichen Ueberlieferung, theils in einigen Septuaginta-Ausgaben und Separat-Ausgaben der Apokryphen, theils und hauptsächlich in den Ausgaben des Josephus. Die meisten Ausgaben haben sich um die Handschriften sehr wenig bekümmert. Der erste Versuch einer auf die besten Quellen zurückgehenden Textrecension ist gemacht in Fritzsche's Ausgabe der Libri apocryphi Vet. Test. graece (Lips. 1871). Mehr über die Ausgaben s. bei Grimm, Handb. S. 294 f. Freudenthal S. 127-133.

Eine lateinische Paraphrase des Buches hat Erasmus bearbeitet (gedruckt z. B. auch in Havercamp's Josephus II, 2, 148-156). Ueber die ihr zu Grunde liegende alte lateinische Uebersetzung ist bis jetzt nichts zuverlässiges bekannt. S. Grimm S. 296. Freudenthal S. 133 f. Die alte syrische Uebersetzung ist publicirt in Ceriani's photolithographischer Ausgabe der Mailänder Peschitohandschrift (s. oben S. 645).

Einen sorgfältigen Commentar zu unserem Buche hat Grimm geliefert (Exeget. Handbuch zu den Apokryphen, 4. Thl. Leipzig 1857). Eine gründliche Monographie: Freudenthal, Die Flavius Josephus beigelegte Schrift Ueber die Herrschaft der Vernunft (IV Makkabäerbuch), eine Predigt aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert, untersucht, Breslau 1869. — Eine deutsche Uebersetzung ist enthalten in der: Bibliothek der griechischen und römischen Schriftsteller über Judenthum und Juden in neuen Uebertragungen und Sammlungen, 2. Bd. Leipzig 1867.

Vgl. überhaupt: Gfrörer, Philo II, 173-200. Dähne, Geschichtl. Darstellung der jüd.-alex. Religionsphilosophie II, 190-199. Ewald, Gesch. des Volkes Israel IV, 632 ff. Langen, Das Judenthum in Palästina (1866) S. 74-83. Geiger, Jüdische Zeitschr. für Wissensch. und Leben 1869, S. 113-116. - Fritzsche in Schenkel's Bibellex. IV, 98-100. Keil, Einl. in's A. T. 3. Aufl. (1873) S. 722 ff. Grätz, Monatsschr. für Gesch. und Wissensch. des Judenth. 1877, S. 454 ff. Reuss, Gesch. der heil. Schriften A. T.'s §. 570. Zeller, Die Philosophie der Griechen III, 2 (3. Aufl. 1881) S. 275-277.

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Schürer, Zeitgeschichte II.

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VI. Die Apologetik.

Die Eigenart des jüdischen Volkes brachte es mit sich, dass die Juden mehr als andere Orientalen im Rahmen der griechischrömischen Welt als eine Anomalie empfunden wurden. Da sie den anderen Religionen jede Berechtigung absprachen, wurde ihnen mit gleicher Münze vergolten und ihnen das Existenzrecht auf dem Boden der hellenistischen Cultur bestritten. Die städtischen Communen suchten sich dieser unbequemen Mitbürger zu entledigen; der Pöbel war jederzeit bereit, die Hand gegen sie zu erheben; von den Gebildeten wurden sie verachtet und verspottet (s. oben S. 535-537, 549 ff.). Das hellenistische Judenthum befand sich also im fortwährenden Kriegszustand mit der übrigen hellenistischen Welt; es hatte stets das Schwert zur Vertheidigung zu führen. Ein grosser Theil der gesammten hellenistisch-jüdischen Literatur dient daher apologetischen Zwecken. Namentlich die historische und die philosophische Literatur verfolgt wesentlich auch den Zweck, zu zeigen, dass das Judenthum durch seine grosse Geschichte und seine reine Lehre den andern Völkern mindestens ebenbürtig, wo nicht überlegen sei. Neben diesen indirect apologetischen Werken giebt es aber auch einige Werke, welche in systematischer Weise die gegen das Judenthum erhobenen Vorwürfe zu widerlegen suchten. Sie sind hervorgerufen durch die zum Theil ganz abgeschmackten Märchen, welche von einigen griechischen Literaten über die Juden verbreitet worden waren, überhaupt durch die directen Anklagen, welche man in der griechischen und römischen Literatur gegen sie erhoben hatte. Ihren Ursprung haben diese Anklagen in Aegypten (Jos. contra Apion. I, 25). Alexandrinische Literaten waren die ersten, welche gegen die Juden geschrieben haben. Aus dieser trüben Quelle haben dann Spätere, namentlich auch Tacitus geschöpft. Wir besprechen im Folgenden zuerst die literarischen Gegner, dann die Vertheidigungsschriften und die Streitpunkte selbst (Anklage und Vertheidigung).

1. Die literarischen Gegner.

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1. Manetho (vgl. Josephus, contra Apion. I, 26-31). Der ägyptische Priester Manetho hat zur Zeit des Ptolemäus II Philadelphus, also um 270-250 vor Chr., ein gelehrtes Werk über die ägyptische Geschichte in griechischer Sprache verfasst, welches aus den heiligen Urkunden selbst geschöpft war (Joseph. contra Apion. 1, 14: γέγραφε Ελλάδι φωνῇ τὴν πάτριον ἱστορίαν, ἔκ τε τῶν ἱερῶν, ὡς φησὶν αὐτός, μεταφράσας. Ibid. I, 26: ὁ τὴν Αἰγυπτια

κὴν ἱστορίαν ἐκ τῶν ἱερῶν γραμμάτων μεθερμηνεύειν ὑπεσχημένος). Aus diesen Alyvлτiazά des Manetho theilt Josephus an zwei Stellen (contra Apion. I, 14-16 und I, 26-27) grössere Bruchstücke mit, die aber, wie Josephus selbst hervorhebt, sehr verschiedenen Charakters sind. Die Stücke in I, 14-16, welche die Zeit der Hyksosherrschaft in Aegypten behandeln (aus dem zweiten Buche der AlyvлTIάzá), machen durch die Reichhaltigkeit ihres Inhaltes und die Knappheit ihrer Form den günstigsten Eindruck. Nichts giebt hier Veranlassung, daran zu zweifeln, dass ihr Inhalt wirklich aus den alten Urkunden geschöpft ist. Ganz anderer Art sind die Stücke in I, 26-27. Sie wollen auch gar nicht als urkundliche Geschichte gelten, sondern geben nach dem eigenen Geständniss Manetho's nur die über die Juden in Umlauf befindlichen Legenden (I, 16: ὁ Μανεθὼν οὐκ ἐκ τῶν παρ' Αιγυπτίοις γραμμάτων, ἀλλ' ὡς αὐτὸς ὡμολόγηκεν, ἐκ τῶν ἀδεσπότως μυθολογουμένων προστέ θεικεν. Ι, 26: μέχρι μὲν τούτων ἠκολούθησε ταῖς ἀναγραφαῖς, ἔπειτα δὲ δοὺς ἐξουσίαν αὑτῷ διὰ τοῦ φάναι γράψειν τὰ μυθευ όμενα καὶ λεγόμενα περὶ τῶν Ἰουδαίων, λόγους ἀπιθάνους παρευ έβαλεν). Es wird hier erzählt, wie der König Amenophis von Aegypten alle Aussätzigen aus dem ganzen Lande, 80000 an der Zahl, an einen Ort habe zusammenbringen lassen, und sie in die Steinbrüche östlich vom Nil zur Arbeit geschickt habe. Nachdem sie dort längere Zeit gearbeitet, hätten sie den König gebeten, er möge ihnen die Stadt Auaris, die einst von den Hyksos bewohnt war, zum Wohnort anweisen. Der König habe ihrer Bitte willfahrt. Als sie aber die Stadt in Besitz hatten, seien sie vom König abgefallen und hätten einen Priester von Heliopolis Namens Osarsiph zu ihrem Oberhaupte gewählt. Dieser habe ihnen neue Gesetze gegeben, in welchen namentlich geboten war, keine Götter zu verehren und die heiligen Thiere zu schlachten. Auch habe er die Hyksos aus Jerusalem als Bundesgenossen herbeigerufen. Mit deren Hülfe hätten nun die Aussätzigen den König Amenophis vertrieben und Aegypten dreizehn Jahre lang beherrscht. Jener Priester Osarsiph aber habe den Namen Moses angenommen. Nach dreizehn Jahren seien dann die Hyksos und die Aussätzigen von Amenophis aus Aegypten vertrieben worden. Diese Geschichte über den Ursprung der Juden hat also Josephus in seinem Texte des Manetho gelesen. Ob sie von Manetho selbst herrührt, ist fraglich. Manche neuere Forscher, z. B. Boeckh, Carl Müller, Kellner halten sie für einen späteren Einschub 32). Die Möglichkeit eines solchen lässt sich nicht bestreiten,

32) Boeckh, Manetho und die Hundssternperiode S. 302. Müller, Fragm. hist. graec. II, 514b. Kellner, De fragmentis Manethonianis p. 52 sq.

da das vielgelesene Werk schon dem Josephus in verschiedenen Recensionen vorgelegen hat 33). Für den vorliegenden Fall scheint mir aber jene Annahme nicht wahrscheinlich. Denn ein Judenfeind, der jenes Stück später eingeschoben hätte, wäre schwerlich so wahrheitsliebend gewesen, ausdrücklich hervorzuheben, dass er nicht eine urkundlich beglaubigte Geschichte, sondern nur τὰ μυθευόμενα καὶ λεγόμενα περὶ τῶν Ἰουδαίων mittheile. Man hört in diesen Worten doch den strengen Forscher selbst sprechen, der zwar als Judenfeind es sich nicht versagen kann, jene Geschichten mitzutheilen, sie aber ausdrücklich als Legenden von der beglaubigten Geschichte unterscheidet. Jedenfalls hat Josephus den Abschnitt in sämmtlichen ihm bekannten Exemplaren des Manetho gelesen, da er in dieser Hinsicht von einer Differenz nichts erwähnt 34).

Die Fragmente Manetho's sind am besten gesammelt bei: Carl Müller, Fragmenta historicorum Graecorum t. II (1848) p. 511-616. Vgl. über Manetho überhaupt: Böckh, Manetho und die Hundssternperiode, ein Beitrag zur Geschichte der Pharaonen, Berlin 1845. Bähr in Pauly's Real-Enc. IV, 1477 ff. Nicolai, Griechische Literaturgeschichte 2. Aufl. Bd. II (1876) S. 198-200. Krall, Die Composition und die Schicksale des Manethonischen Geschichtswerkes (Sitzungsberichte der Wiener Akademie, philos.-histor. Classe, Bd. 95, Jahrg. 1879, S. 123-226; handelt S. 152-169 speciell über die Fragmente bei Josephus).

Ueber die Fragmente bei Josephus: Hengstenberg, Die Bücher Moses und Aegypten, nebst einer Beilage: Manetho und die Hyksos, Berlin 1841. Ewald, Gesch. des Volkes Israel (3. Aufl.) II, 110 ff. Kellner, De fragmentis Manethonianis, quae apud Josephum contra Apionem I, 14 et I, 26 sunt. Marburg. 1859. J. G. Müller, Des Flavius Josephus Schrift gegen den Apion (Basel 1877) S. 120 ff. 185 ff. 214 ff.

2. Apollonius Molon (oder Molonis?). Unter den literarischen Gegnern des Judenthums nennt Josephus öfters einen Aл02λώνιος ὁ Μόλων (contra Apion. II, 14. II, 36; an letzterer Stelle aucho Mólov Arо22ovios, vgl. II, 7: Apollonium Molonis), dessen

33) In der Stelle I, 14 theilt Josephus ein grosses Stück aus Manetho mit, in welchem der Name Hyksos durch Hirtenkönige" erklärt wird. Hiezu bemerkt aber Josephus, dass , in einem anderen Exemplare" (v čλhọ árτιγράφῳ) eine andere Erklärung gegeben werde. Auch das ἐν ἄλλῃ δέ τινι Bißho (1, 14 gegen Ende) ist in demselben Sinne zu verstehen, also von einer anderen Handschrift, nicht von einem anderen Theile des manethonischen Werkes.

34) Gegen die Herkunft des fraglichen Abschnittes von Manetho darf man auch nicht mit Kellner a. a. O. geltend machen, dass er im Widerspruch mit dem I, 14 mitgetheilten Stücke sich befinde. Ein solcher Widerspruch existirt nur, wenn man, wie Josephus, die Hyksos mit den Juden identificirt, was aber ohnehin sicher falsch ist.

vollen Namen er auch so abkürzt, dass er entweder nur Aлo220vios (II, 14 und II, 37 zweimal) oder nur Móλov (II, 2 ed. Bekker 226, 13; vgl. II, 33 u. II, 41: Móλoovec) sagt. Mit diesem Gegner der Juden bei Josephus ist ohne Zweifel identisch derjenige, aust welchem Alexander Polyhistor ein Stück mitgetheilt hat (bei Euseb. Praep. evang. IX, 19: ὁ δὲ τὴν συσκευὴν τὴν κατὰ Ἰουδαίων γράψας Móλow) 35). Ein Rhetor desselben Namens (Apollonius Molon) wird auch sonst öfters als Lehrer des Cicero und Cäsar und als Schriftsteller über Rhetorik erwähnt 36). Es scheint aber, dass in die Angaben über ihn schon bei den Alten sich einige Verwechselungen eingeschlichen haben. Strabo nämlich unterscheidet, offenbar auf Grund genauer Sachkenntniss, zwei Rhetoren, einen Apollonius und einen Molon. Beide erwähnt er (XIV, 2, 13 p. 655) als berühmte Männer, welche in Rhodus gelebt haben, und bemerkt dabei, dass beide aus Alabanda in Karien stammten, dass aber Molon später als Apollonius nach Rhodus gekommen sei, weshalb Apollonius zu ihm gesagt habe „owè uo2ov". Sie waren also nicht nur ,ὀψὲ μολών. Landsleute, sondern auch Zeitgenossen. Beide unterscheidet Strabo auch noch an einer anderen Stelle, wo er die berühmten Männer aus Alabanda aufzählt (XIV, 2, 26 p. 661). Auch Cicero erwähnt beide, und zwar so, dass er den einen nur Apollonius, den andern, der Cicero's Lehrer war, nur Molon nennt 37). Es sind also sicher beide zu unterscheiden. Apollonius hiess aber mit seinem vollen Namen Απολλώνιος ὁ τοῦ Μόλωνος (Plutarch. Cicero 4, Caesar 3, Joseph. Apion. II, 7); und er scheint, indem er nach einer auch sonst nachweisbaren Sitte den Namen seines Vaters neben den seinigen setzte, sich auch Απολλώνιος ὁ Μόλων genannt zu haben 37). Daraus entstanden dann mehrfache Verwechselungen mit Molon. Cicero hat möglicherweise beide gehört; sein eigentlicher Lehrer war aber Molon. Wir haben es hier nicht mit diesem, sondern mit sei

35) Die Form Mólov giebt Gaisford nach den besseren Handschriften; ältere Ausgaben haben Μήλων.

36) Quintilian. XII, 6, 7. Sueton. Caesar 4. Quintilian. III, 1, 16. Phoebammon in: Rhetores graeci ed. Walz VIII, 494 (hier: Anoλλávios & Exıxhydeis Μόλων).

37) Die Belege s. bei Riese, Molon oder Apollonius Molon? (Rhein. Museum 1879, S. 627-630), welchem überhaupt die ganze obige Ausführung über die Verschiedenheit beider Männer entnommen ist.

37a) Vgl. Lehrs, Quaestiones epicae, 1837, p. 23 Anm. (mit Berufung auf Sturz op. p. 14). Die Annahme von Riese, dass der Name Apollonius Molon aus Missverständniss der Titelüberschrift Απολλωνίου τοῦ Μόλωνος entstanden sei, ist hiernach weder nothwendig noch wahrscheinlich.

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