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Einige Schwierigkeiten machen noch die Angaben des Eusebius über den Titel des Gesammtwerkes. Nach der oben (Anm. 61) citirten Stelle der Chronik scheint das Ganze als лQɛσßɛíα bezeichnet gewesen zu sein. Und so sagt Eusebius auch da, wo er den Inhalt des Gesammtwerkes angiebt, dies Alles stehe geschrieben v y оvvéyρауɛ лQɛoßɛig (H. E. II, 5, 6). Dieser Titel ist deshalb möglich, weil Philo's Bericht über die von ihm geleitete Gesandtschaft an Caligula in der That den Kern des Ganzen bildete. Die einzelnen Bücher könnten dann ihre Specialtitel gehabt haben, wie Páxxos oder dgl. (s. oben S. 856). Nun sagt Eusebius weiter am Schlusse jener summarischen Inhaltsübersicht, Philo erzähle noch tausend andere Leiden, welche die Juden zu Alexandria trafen, ἐν δευτέρῳ συγγράμ ματι ᾧ ἐπέγραψε περὶ ἀρετῶν" (Η. Ε. ΙΙ, 6, 3). Hieraus scheint sich zu ergeben, dass Philo jene Ereignisse in zwei Werken behandelt hat, deren eines лоɛσßɛíα, deren anderes лɛì άɛtov betitelt war. Diesem Schlusse steht jedoch nicht nur die Unwahrscheinlichkeit der Sache, sondern auch der Umstand entgegen, dass Eusebius in dem Haupt-Katalog der philonischen Schriften H. E. II, 18 nur den letzteren Titel erwähnt. Er sagt, Philo habe das von den gottlosen Thaten des Cajus handelnde Werk ironisch лɛQì άQɛTov überschrieben II. E. II, 18, 8.). Ein anderes auf jene Ereignisse bezügliches Werk wird nicht erwähnt, während der Katalog doch sonst sehr vollständig ist. Man wird somit, wie mir scheint, zu der Annahme gedrängt, dass das devrioop die Glosse eines Abschreibers ist, der die verschiedenen Titel II, 5, 6 und II, 6, 3 nicht zusammenreimen konnte, dass in der That aber beide Titel sich auf dasselbe Werk beziehen.

Wegen der Wichtigkeit unseres Werkes als historische Quelle ist ihm von jeher ein besonderes Interesse zugewandt worden. Es ist wiederholt separat herausgegeben 69), in moderne Sprachen übersetzt 69)

68) Philonis Judaei lib. de virtutibus s. de legatione ad Cajum imp. graece cura S. F. N. Mori, Lips. 1781. Dahl, Chrestomathia Philoniana, 2 Bde. 1800-1802. Ueber eine Pariser Ausgabe von 1626 vgl. Fabricius-Harles IV, 741. Fürst, Biblioth. Judaica III, 89.

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69) Die Gesandtschaft an den Cajus, aus dem Griechischen des Philo übersetzt von Jo. Frid. Eckhard, Leipzig 1783. Philo Judaeus, om Judarnas förföljelse under Flaccus och Legationen till Cajus Caligula etc. öfversättn. med noter och anmerkn. af J. Berggren. Söderköping 1853. Philon d'Alexandrie, écrits historiques, influence, luttes et persécutions des juifs dans le monde romain, par F. Delaunay, 2. ed. Paris 1870 (giebt eine Uebersetzung von contra Flacc. und Leg. ad Caj.) Ueber eine ältere französ. Uebers. von d'Andilly s. Fabric. - Harl. IV, 749. Ueber eine englische: Fürst, Bibl. Jud. III, 91. Eine engl. Uebers. sämmtlicher Werke Philo's von Yonge erschien in 4 Bden, London 1854-1855.

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Die Bestreitung seiner

und historisch untersucht worden 70).
Echtheit durch Grätz verdient kaum eine Erwähnung 71).
Nicht zu verwechseln ist unser Werk mit dem Buch de tribus virtu-
tibus (s. oben S. 852) oder gar mit dem von Mai herausgegebenen
de virtute ejusque partibus (s. oben Anm. 10).

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Der Titel bei Euseb. H. E.

4) Περὶ προνοίας. De providentia.
II, 18, 6. Praep. evang. VII, 20 fin. VIII, 13 fin. Das Werk ist
nur armenisch erhalten und von Aucher mit lateinischer Ueber-
setzung herausgegeben worden 72). Zwei griechische Fragmente, ein
kleineres und ein sehr grosses bei Euseb. Praep. evang. VII, 21 und
VIII, 14. Der armenische Text umfasst zwei Bücher. Hiervon
ist aber das erste, wenn überhaupt echt, jedenfalls nur in verkürzter
und zum Theil überarbeiteter Gestalt erhalten 73). Eusebius scheint
nur das zweite gekannt zu haben; wenigstens gehören beide Frag-
mente diesem Buche an und werden von Eusebius mit der Formel
ἐν τῷ [Sing.] περὶ προνοίας eingeführt 14). In der Kirchengeschichte
schwankt die Lesart zwischen τὸ περὶ προνοίας und τὰ περὶ προνοίας.
Citate auch bei Johannes Damascenus und Johannes Monachus ine-
ditus 75).

5) Αλέξανδρος ἢ περὶ τοῦ λόγον ἔχειν τὰ ἄλογα ζώα (dieser Titel
bei Euseb. H. E. II, 18, 6). De Alexandro et quod propriam rationem

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70) Vgl. oben §. 17c und die dort erwähnte Literatur. Fabricius -
Harles, Biblioth. graec. IV, 740 sq. und die daselbst erwähnten Werke und Ab-
handlungen von Boecler, Tillemont, Ernesti und bes. Jo. Christ. Gott-
leber, Animadversiones historicae et philologico-criticae ad Philonis legationem
ad Cajum, 4 Thle. Meissen 1773-1774. Dähne in Ersch und Gruber Art.
,Philon" S. 439-440. Bloch, Die Quellen des Flavius Josephus (1879)
S. 117-123.

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71) Grätz, Gesch. der Juden 2. Aufl. III, 487-492, verkürzt in der 3. Aufl.
III, 681. Vgl. auch Monatsschr. für Gesch. und Wissensch. des Judenth. 1877,
S. 97 ff. 145 ff.

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72) Aucher, Philonis Judaei sermones tres etc. (1822) p. 1–121. La-
teinisch auch in der Handausgabe von Richter (8. Bdchen) und in der Tauch-
nitz'schen Ausgabe (8. Bdchen).

73) Vgl. hierüber Diels, Doxographi Graeci (1879) p. 1-4. Zeller, Die
Philosophie der Griechen III, 2 (3. Aufl. 1881) S. 340.

74) Das erste Fragment (VII, 21) ist aus der Mitte des zweiten Buches
(Aucher p. 80-82); das zweite (VIII, 14) besteht aus mehreren grossen Stücken,
welche sich über das ganze zweite Buch erstrecken und einen Auszug aus demsel-
ben darstellen (Aucher p. 44—121). Die von Höschel (1614) herausgegebenen
zwei kleinen Fragmente, die er aus der 'Iwvid des Michael apostolius entnom-
men hat (s. über diesen Fabricius-Harles V, 110 sq. IX, 758. XI, 189 sqq. Nico-
lai, Griech. Litgesch. III, 316 ff.), stammen vielleicht ebenfalls aus Eusebius,
s. die Fragmente in der Frankfurter Ausg. p. 1197 sq. und dazu Euseb. Praep.
ev. ed. Gaisford VIII, 14, 2-7 und 39-41.

75) S. Mangey II, 634 not. x.

muta animalia habeant (so Hieronymus, de viris illustr. c. 11)76). Auch diese Schrift ist nur armenisch erhalten und von Aucher herausgegeben worden 77). Zwei kleine griechische Fragmente finden sich in dem Florilegium des Leontius und Johannes 78). Das Buch gehört zu den späteren Schriften Philo's, da p. 152 (ed. Aucher) bereits der Gesandtschaft nach Rom gedacht wird.

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6) Υποθετικά. - Unsere Kenntniss dieser Schrift beruht lediglich auf den Fragmenten bei Euseb. Praep. evang. VIII, 6-7, welche von Eusebius eingeführt werden mit den Worten (VIII, 5 fin.): Φίλωνος . .. ἀπὸ τοῦ πρώτου συγγράμματος ὧν ἐπέγραψεν Ὑποθετικῶν, ἔνθα τὸν ὑπὲρ Ἰουδαίων ὡς πρὸς κατηγόρους αὐτῶν ποιούμενος λόγον ταῦτά φησιν. Der Titel bedeutet nicht „Muthmassliches über die Judäer* 7), sondern, wie Bernays nachgewiesen hat, „Rathschläge, Empfehlungen". Yлodɛtizoì 2óyoι sind nämlich solche Abhandlungen, welche sittliche Rathschläge oder Empfehlungen enthalten, im Unterschied von den eigentlich theoretischen Untersuchungen über ethische Fragen. Den Schwerpunkt seiner Arbeit wird Philo, wie schon die erhaltenen Bruchstücke erkennen lassen, in die Besprechung solcher jüdischer Gebote verlegt haben, deren Befolgung er auch einem nichtjüdischen Leserkreis, an den sich die Schrift unverkennbar wendet, anrathen konnte 80). — Da das Werk apologetische Zwecke verfolgte, so könnte man geneigt sein, es mit der gleich zu nennenden Apologia pro Judaeis für identisch zu halten, wenn nur nicht Eusebius beide durch die verschiedenen Titel bestimmt unterschiede.

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7) Περὶ Ἰουδαίων. Dieser Titel bei Euseb. H. E. II, 18, 6. Identisch hiermit ist wohl ἡ ὑπὲρ Ἰουδαίων ἀπολογία, aus welcher Eusebius Praep. evang. VIII, 11 die Schilderung der Essener mittheilt. - Nicht unwahrscheinlich ist die Vermuthung Dähne's, dass das Stück de nobilitate (Mangey II, 437-444) ebenfalls unserer Schrift angehört 81). Es handelt von dem wahren Adel, nämlich dem

76) Einige Ausgaben und Handschriften des Hieronymus haben De Alexandro dicente quod etc.

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77) Aucher, Philonis Judaei sermones tres etc. (1822) p. 123-172. Hiernach auch bei Richter (8. Bdchen) und in der Tauchnitz'schen Ausgabe (8. Bdchen).

78) Mai, Script. vet. nov. coll. VII, 1, p. 99b (unten): x тoɩ rɛgì tõv ἀλόγων ζώων. Ibid. p. 100" (oben): ἐκ τοῦ αὐτοῦ.

79) So Ewald VI, 304. Vgl. auch Grossmann I p. 16.

80) Bernays, Philon's Hypothetika und die Verwünschungen des Buzyges in Athen (Monatsberichte der Berliner Akademie 1876, S. 589-609; wieder abgedruckt in: Bernays, Gesammelte Abhandlungen, 1885, I, 262–282. Vgl. bes. S. 599).

81) Dähne, Stud. und Krit. 1833, S. 990. 1037. Im Artikel „Philon“ in

der Weisheit und Tugend, dessen auch das jüdische Volk nicht entbehre; ist also ein sehr passender Bestandtheil einer Apologie für die Juden. Die Echtheit der aлo2oyía ist in neuerer Zeit von Hilgenfeld bestritten worden (s. oben Anm. 58).

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V) Wenn schon die zuletzt genannten Werke uns nur durch Fragmente bekannt sind, so sind vollends ganz verloren folgende, in der bisherigen Uebersicht grösstentheils schon erwähnte Bücher und Werke: 1) Von den Quaestiones et solutiones: zwei Bücher zur Genesis und mehr als drei Bücher zum Exodus (s. oben S. $37). — 2) Zwei Bücher der Legum allegoriae (s. S. 841). 3) Das erste Buch περὶ μέθης (s. S. 843). - 4) Die beiden Bücher περὶ διαθη zov (s. S. 845). 5) Drei von den fünf Büchern de somniis κῶν (s. S. 845). 6) Die beiden Biographien des Isaak und Jakob (s. S. 849). 7) Die Schrift περὶ τοῦ δοῦλον εἶναι πάντα φαῦλον (s. S. 855). 8) Das erste, zweite und fünfte Buch des Werkes über die Verfolgungen der Juden unter Caligula (s. S. 856 f.). — 9) Eine Schrift лεgì άquor, auf welche Philo in der Vita Mosis und sonst verweist 82). 10) Ein Dialog zwischen Isaak und Ismael über den Unterschied der wahren Weisheit und der Sophistik, von dem allerdings nicht gewiss ist, ob Philo ihn nur schreiben wollte oder geschrieben hat 83). 11) Eine Abhandlung über die Herrschaft des Weisen wollte Philo schreiben nach einer Bemerkung in Quod omnis probus liber 4). Ob die Absicht zur Ausführung gekommen ist, wissen wir nicht. 12) In dem Florilegium des Leontius und Johannes wird ein kleines Stück citirt ἐκ τῶν περὶ τοῦ ἱεροῦ 85).

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Ersch und Gruber S. 440 hat Dähne diese Vermuthung nicht wieder ausgesprochen.

82) Vita Mosis Lib. III §. 11 (Mang. II, 152): Ẵɣei đề xaì tàç ãîλas dμvθήτους ἀρετὰς ἡ τετρὰς, ὧν τὰς πλείστας ἠκριβώσαμεν ἐν τῷ περὶ ἀριθ. μῶν πραγματεία. Quaest. et solut, in Genes. ed. Aucher p. 331: jam dictum fuit in libro, in quo de numeris actum est. Vgl. ebendas. p. 224. 359. Grossmann I p. 24. In der Schrift de opificio mundi verweist Philo auf eine Abhandlung über die Vierzahl als eine erst noch zu schreibende, p. 11 Mang.: πολλαῖς δὲ καὶ ἄλλαις κέχρηται δυνάμεσι ἡ τετράς, ἃς ἀκριβέστε ρον καὶ ἐν τῷ περὶ αὐτῆς ἰδίῳ λόγῳ προσυποδεικτέον. Wenn diese identisch ist mit der Schrift neol açıdμõv, so würde daraus folgen, dass die Vita Mosis später ist als die Schrift de opificio mundi. Vgl. Grossmann II, p. 6. 83) De sobrietate §. 2 (Mang. I, 394 oben): Zogíav μèv yào ’Ioaàn, coφιστείαν δὲ Ἰσμαήλ κεκλήρωται, ὡς, ἐπειδὰν ἑκάτερον χαρακτηρίζωμεν, ἔν τισι διαλόγοις ἐπιδείκνυμεν. Vgl. Grossmann I p. 25.

84) Quod omnis probus liber §. 3 (Mang. II, 448): 422' ò μèv negl tās ἀρχῆς τοῦ σοφοῦ λόγος εἰς καιρὸν ἐπιτηδειότερον υπερκείσθω. Vgl. Grossmann I p. 25.

85) Mai, Script, ret. nov. coll. VII, 1 p. 103a.

Sollte damit eine sonst unter anderem Namen bekannte Schrift gemeint sein?

VI) Als unecht gelten jetzt ziemlich allgemein folgende angeblich philonische Schriften:

"

1) Περὶ βίου θεωρητικοῦ ἢ ἱκετῶν ἀρετῶν. De vita contemplativa (Mangey II, 471-486). - Eusebius citirt den Titel zweimal in folgender Form (H. E. II, 17, 3 und II, 18, 7): лεì ẞiov dεoρητικοῦ ἢ ἱκετῶν. Das am Schlusse hinzugefügte ἀρετῶν ist also zu tilgen. Ausführliche Mittheilungen über den Inhalt giebt Euseb. H. E. II, 17; vgl. auch II, 16, 2. Seit Eusebius erfreute sich die Schrift in der christlichen Kirche einer besonderen Beliebtheit, da man in den Therapeuten", welche hier geschildert und verherrlicht werden, fast allgemein die christlichen Mönche erkannte S). Die Verwandtschaft ist in der That überraschend; eben deshalb aber der Verdacht begründet, dass der Verfasser unter der Maske Philo's das christliche Mönchthum empfehlen will. Auch abgesehen hiervon liegen Verdachtsmomente vor, um derentwillen auch solche Kritiker, welche die Therapeuten nicht als ein christliches sondern als ein jüdisches Lebensideal betrachten, die Schrift dem Philo abgesprochen haben 87). Auf Grund der Identificirung von Therapeuten und christlichen Mönchen hat nach dem Vorgange von Grätz und Jost 88) namentlich Lucius die Schrift für unecht erklärt 89). Durch seine gründliche und methodische Untersuchung ist die Frage nach der

86) Eine Ausnahme macht Photius Bibliotheca cod. 104: Aveyvwodnoav dè xai τῶν παρὰ Ἰουδαίοις φιλοσοφησάντων τήν τε θεωρητικὴν καὶ τὴν πρακτικὴν φιλοσοφίαν βίοι· ὧν οἱ μὲν Ἐσσηνοὶ οἱ δὲ θεραπευταὶ ἐκαλοῦντο κ. τ. λ. Epiphanius haer. 29, 5 citirt unsere Schrift mit der Formel v tỷ nɛgì 'Iɛoσαίων αὐτοῦ ἐπιγραφομένῃ βίβλῳ, ist aber trotzdem der Ansicht, dass sie von den Christen handle. Vgl. überhaupt die testimonia veterum vor Mangey's Ausgabe, und die Literatur bei Fabricius-Harles IV, 738 sq. Hervorzuheben ist aus dieser älteren Literatur die mit werthvollen Anmerkungen versehene französische Uebersetzung von Montfaucon, Le livre de Philon de la vie contemplative etc, traduit sur l'original grec, avec des observations, ou l'on fait voir, que les Therapeutes, dont il parle, etoient Chrestiens. Paris 1709. Den Text einer alten und einer jüngeren lateinischen Uebersetzung giebt Pitra, Analecta sacra II, 322-331.

87) So bes. Nicolas, Revue de Théologie, Strasbourg 1868, S. 25 ff. und Kuenen, De godsdienst van Israël II, 440–444. Auch noch Weingarten, Art. Mönchtum" in Herzog's Real-Enc. 2. Aufl. X, 761-764.

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88) Grätz, Gesch. der Juden 2. Aufl. III, 463 ff. Jost, Gesch. des Judenthums und seiner Secten I, 214 Anm. 2.

89) Lucius, Die Therapeuten und ihre Stellung in der Geschichte der Askese, eine kritische Untersuchung der Schrift de vita contemplativa. Strassburg 1879.

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