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Gebrauch. In ihr wurde in den Synagogen Palästina's nach wie vor die heilige Schrift verlesen; und für gewisse liturgische Fälle war der Gebrauch des Hebräischen unbedingt gefordert 31). Auch blieb das Hebräische noch die Sprache der Gelehrten, in welcher selbst die juristischen Discussionen der Schriftgelehrten geführt wurden. Erst etwa vom dritten Jahrhundert nach Chr. an finden wir auch für letztere Zwecke das Aramäische in Gebrauch: während noch die Mischna (2. Jahrh.) hebräisch ist, ist der palästinensische Talmud (4. Jahrh.) aramäisch. Eben dieser ist auch die reichste Quelle für die Kenntniss dieser palästinensischen Landessprache. Ueber dialectische Verschiedenheiten in der Aussprache zwischen Judäa und Galiläa geben uns die Evangelien und der Talmud einige Andeutungen 32).

II. Verbreitung der hellenistischen Cultur.

1. Der Hellenismus in den nicht-jüdischen Gebieten.

Das eben beschriebene jüdische Gebiet war, wie im Alterthum so auch in der griechisch-römischen Zeit, auf allen Seiten von heidnischen Gebieten umgeben. Nur bei Jamnia und Jope hatte sich das jüdische Element bis an das Meer vorgeschoben. Sonst bildete

31) Jebamoth XII, 6. Sota VII, 2—4. VIII, 1. IX, 1. Megilla I, 8. S. bes. Sota VII, 2: „Folgende Stücke werden nur in der heiligen Sprache vorgetragen: der Schrift - Abschnitt beim Darbringen der Erstlinge, die Formel bei der Chaliza, die Segen und Flüche, der Priestersegen, die Segenssprüche des Hohenpriesters, die Lesestücke des Königs (am Laubhüttenfest im Sabbathjahre), die Formel bei einem (wegen eines ermordet Gefundenen) zu tödtenden Kalbe, und die Rede des Kriegsgesalbten, der das Kriegsvolk anredet". In jeder Sprache dürfen dagegen vorgetragen werden z. B. das Schma, das Schmone-Esre (s. über diese §. 27, Anhang), das Tischgebet u. s. w. (Sota VII, 1). Dies Alles gilt in Bezug auf den mündlichen Vortrag. Im schriftlichen Gebrauch war das Hebräische für den Text der Tefillin und Mesusoth gefordert, sonst aber, auch für heilige Schriften, jede Sprache gestattet, nach Rabban Gamaliel freilich für letztere nur noch das Griechische (Megilla I, 8). - Das Formular des Scheidebriefes war, wenigstens nach R. Juda, gewöhnlich aramäisch (Gittin IX, 3), konnte aber auch griechisch sein (Gittin IX, S).

434 899.

232 8q.)

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32) Matth. 26, 73 und dazu die Ausleger. Buxtorf, Lex. s. v. col. Lightfoot, Centuria chorograph. Matthaeo praemissa c. 87. (Opp. II, Morinus, Exercitationes biblicae (1669) II, 18, 2 p. 514 sqq. Aug. Pfeiffer, Decas selecta exercitationum sacrarum p. 206–216 (im Anhang zu dessen Dubia vexata script. sacrae, Lips. et Francof. 1685). Nov. Test. zu Matth. 26, 73.

Wetstein,

Neubauer, Géographie du Talmud p. 184 sq. Noch mehr ältere Literatur bei Wolf, Curae phil. in Nov. Test, zu Matth

26, 73.

auch im Westen nicht das Meer, sondern das heidnische Gebiet der philistäischen und phönicischen Städte die Grenze des jüdischen. In diesen heidnischen Ländern war nun aber der Hellenismus in viel stärkerer Weise durchgedrungen, als im jüdischen Lande. Keine Reaction, ähnlich der makkabäischen Erhebung, hatte ihm hier Halt geboten: der heidnische Polytheismus eignete sich ja in ganz anderer Weise als das Judenthum zu einer Verschmelzung mit dem Hellenenthum. Während darum im Innern Palästina's der Hellenismus durch die religiösen Schranken des Judenthums am weiteren Vordringen gehindert wurde, konnte er hier wie überall, wo er seit Alexander d. Gr. erobernd auftrat, sein natürliches Uebergewicht über die orientalische Cultur siegreich zur Geltung bringen. So war schon lange vor Beginn der römischen Zeit namentlich in den grossen Städten im Westen und im Osten Palästina's die gebildete Welt, wir dürfen wohl sagen vollständig hellenisirt. Nur für die niederen Schichten des Volkes und für die Landbevölkerung ist dies wohl nicht in derselben Weise vorauszusetzen. Ausser den Grenzgebieten waren aber auch die nicht-jüdischen Bezirke im Innern Palästina's vom Hellenismus occupirt worden: so namentlich Skythopolis (s. §. 23, I Nr. 19) und die Stadt Samaria, die schon durch Alexander d. Gr. macedonische Colonisten erhalten hatte (§. 23, I Nr. 24), während die nationalen Samaritaner in Sichem ihren Mittelpunkt fanden.

Das siegreiche Durchdringen der hellenistischen Cultur lässt sich noch am deutlichsten und umfassendsten nachweisen an den religiösen Culten. Zwar haben sich die einheimischen Culte, namentlich in den philistäischen und phönicischen Städten, vielfach ihrem Wesen nach erhalten; aber doch nur so, dass sie umgebildet und mit griechischen Elementen verschmolzen wurden. Und daneben haben auch die rein griechischen Culte starken Eingang gefunden und an manchen Orten jene gänzlich verdrängt. Leider gestatten uns die Quellen nicht, in der Darstellung die eigentlich griechische Zeit von der römischen zu trennen: das meiste Material bieten die Münzen, und diese gehören vorwiegend erst der römischen Zeit an. Im Grossen und Ganzen wird aber das Bild, das wir aus ihnen gewinnen, auch schon für die vorrömische Periode Geltung haben; überdies fehlt es auch für diese nicht an directen Notizen.

Auf den Münzen von Raphia aus der Kaiserzeit erscheinen besonders Apollo und Artemis in rein griechischer Auffassung 33); auf

33) Mionnet, Description de médailles antiques V, 551 sq. Supplément VIII, 376 sq. De Sauley, Numismatique de la Terre Sainte (1874) p. 237-240,

pl. XII n. 7-9.

Stark, Gaza S. 584.

denjenigen von Anthedon dagegen die Schutzgöttin der Stadt in der Auffassung als Astarte 34).

Ueber die Culte von Gaza in der römischen Kaiserzeit giebt am vollständigsten Aufschluss die Lebensbeschreibung des Bischofs Porphyrius von Gaza von Marcus Diaconus. Hiernach gab es zur Zeit des Porphyrius (Ende des vierten Jahrh. nach Chr.) in Gaza acht Squóotoi vaoí, einen des Helios, der Aphrodite, des Apollo, der Persephone (Kore), der Hecate, ein Heroon, einen Tempel der Tyche und einen des Marnas 35). Man sieht schon hieraus, dass die rein griechischen Culte die vorherrschenden sind; und dies wird im Allgemeinen auch durch die Münzen bestätigt, auf welchen auch noch andere griechische Gottheiten vorkommen 36). Ein Tempel des Apollo in Gaza wird schon bei der Zerstörung der Stadt durch Alexander Jannäus erwähnt (Antt. XIII, 13, 3). Nur die Hauptgottheit der Stadt in der römischen Zeit, der Marnas, war, wie sein Name ( = Herr) beweist, ursprünglich eine semitische Gottheit, die aber auch mehr oder weniger in griechisches Gewand gekleidet worden war 37).

Eine Mischung einheimischer und griechischer Culte hat auch Askalon aufzuweisen. Ein Hauptcultus war hier derjenige der Agoodiτn ovoavin, d. h. der Astarte als Himmelskönigin. Sie wird schon von Herodot als Gottheit von Askalon erwähnt und ist noch

34) Mionnet V, 522 sq. Suppl. VIII, 364. pl. XII n. 2-4. Stark S. 594.

De Saulcy p. 234-236,

35) Marci Diaconi Vita Porphyrii episcopi Gazensis ed. Haupt (Abhandlungen der Berliner Akademie 1874, früher nur in lat. Uebersetzung bekannt) c. 64: ἦσαν δὲ ἐν τῇ πόλει ναοὶ εἰδώλων δημόσιοι ὀκτώ, τοῦ τε Ἡλίου καὶ τῆς Αφροδίτης καὶ τοῦ Ἀπόλλωνος καὶ τῆς Κόρης καὶ τῆς Ἑκάτης καὶ τὸ λεγόμενον Ἡρφον καὶ τὸ τῆς Τύχης τῆς πόλεως, ὃ ἐκάλουν Τυχαῖον, καὶ τὸ Μαρνεῖον, ὃ ἔλεγον εἶναι τοῦ Κρηταγενούς Διός, ὃ ἐνόμιζον εἶναι ἐνδοξότερον πάντων τῶν ἱερῶν τῶν ἁπανταχοῦ. Das Marneion wird hier auch

sonst oft erwähnt.

36) Eckhel, Doctr. Num. III, 448 sqq. Mionnet V, 535–549. Suppl. VIII, 371-375. De Sauley p. 209-233, pl. XI. - Stark, Gaza S. 583-589.

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37) Vgl. über Marnas ausser den Stellen bei Marcus Diaconus auch: Steph. Βyz. 8. v. Γάζα· ἔνθεν καὶ τὸ τοῦ Κρηταίου Διὸς παρ' αὐτοῖς εἶναι, ὃν καὶ καθ' ἡμᾶς ἐκάλουν Μαρνᾶν, ἑρμηνευόμενον Κρηταγενή. Eckhel, Doctr. Num. III, 450 sq. Stark, Gaza S. 576-580. Das älteste ausdrückliche Zeugniss für den Cultus des Marnas sind Münzen Hadrian's mit der Aufschrift Maova, s. Mionnet V, 539. De Sauley p. 216-218, pl. XI n. 4. Sein Cultus findet sich auch ausserhalb Gaza's. Vgl. die Inschrift von Kanata bei Le Bas et Waddington, Inscriptions T III n. 24128 (Wetzstein n. 183): Ai Mágvợ tổ κυρίῳ. Mit dem Cultus des Marnas als Ζεὺς Κρηταγενής hängt auch die spät-griech. Legende zusammen, dass Gaza auch Mivoa, nach Minos, genannt worden sei (Steph. Byz. s. v. Taça u. s. v. Mivqa). Vgl. Stark, Gaza S. 580 f.

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auf den Münzen der Kaiserzeit häufig als Schutzgöttin der Stadt dargestellt 38). Mit ihr ist verwandt, ja von Hause aus wahrscheinlich identisch, die Atargatis oder Derketo, die in Askalon in eigenthümlicher Gestalt (als Frau mit einem Fischschwanz) verehrt wurde. Ihr semitischer Name (y, zusammengesetzt aus Astarte und deutet schon darauf hin, dass sie ursprünglich nichts anderes als die syrische Form der Astarte in der Verschmelzung mit einer anderen Gottheit" ist (Baudissin). Aus ihrer Fischgestalt aber erhellt, dass in ihr speciell die befruchtende Kraft des Wassers" verehrt wurde 39). Wie diese beiden, so ist auch der Asklepios LeovTouzos von Askalon, auf welchen der Neuplatoniker Proclus einen Hymnus dichtete, als eine ursprünglich orientalische Gottheit zu betrachten 40). Sonst aber erscheinen auch auf den Münzen von Askalon die echt griechischen Gottheiten: Zeus, Poseidon, Apollo, Helios, Athene u. A. 41). Ein Tempel des Apollo in Askalon wird in vorherodianischer Zeit erwähnt: der Grossvater des Herodes soll daselbst Hierodule gewesen sein 42).

38) Herodot. I, 105. Die Münzen bei Mionnet V, 523–533. Suppl. VIII, 365-370. De Saulcy p. 178--208, pl. IX u. X. Vgl. Stark S. 258 f. 590 f. Die Identität der griechischen Aphrodite mit Astarte ist allgemein anerkannt. Vielleicht sind sogar die Namen identisch; aus Ashtoreth könnte Aphtoreth, und daraus Aphroteth geworden sein, wie Hommel vermuthet (Fleckeisen's Jahrbücher für class. Philologie 1882, S. 176).

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39) Ueber den Cultus der Derketo in Askalon s. bes. Diodor. II, 4; über dieselbe überhaupt: Strabo XVI p. 785. Plinius Hist. Nat. V, 23, 81. Lucian. De Syria dea c. 14. Ovid. Metam. IV, 44-46. Der semitische Name auf einer palmyrenischen Inschrift und einigen Münzen (s. Baudissin, und über die Münzen am vollständigsten Six im Numismatic Chronicle 1878 p. 103 sqq.). Mit dem Cultus der Derketo hängt auch die Heilighaltung der Tauben in Askalon zusammen, worüber zu vgl. Philo ed. Mang. II, 646 (aus Philo's Schrift de providentia bei Euseb. Praep. evang. VIII, 14, 64 ed. Gaisford; nach dem Armenischen bei Aucher, Philonis Judaei sermones tres etc. p. 116). Aus der Literatur ist bes. hervorzuheben der Artikel von Baudissin in Herzog's RealEnc. 2. Aufl. I, 736–740. Zu der hier verzeichneten Literatur ist noch hinzuzufügen die Abhandlung über Derceto the Goddess of Askalon im Journal of Sacred Literature and Biblical Record, New Series vol. VII, 1865, p. 1-20. Ed. Meyer, Zeitschr. der DMG. 1877, S. 730 ff. Six, Monnaies d'Hierapolis en Syrie (Numismatic Chronicle, New Series vol. XVIII, 1878, p. 103-131 und pl. VI). Rayet, Dédicace à la déesse Atergatis (Bulletin de correspondance hellénique t. III, 1879, p. 406-408). Die hier mitgetheilte, in Astypalia gefundene Inschrift lautet: Αντιοχος και Ευπορος Αταργάτειτι ανέθηκαν. Sonst kommt Atargatis nur noch dreimal auf griechischen Inschriften vor. Corp. nscr. Graec. n. 7046. Le Bas et Waddington, Inscriptions t. III, n. 1890. 2588. 40) Stark, Gaza S. 591-593.

41) S. die Münzen bei Mionnet und de Saulcy a. a. O. Stark S. 589 f. 42) Euseb. Hist. eccl. I, 6, 2. 7, 11.

In Azotus, dem alten Asdod, war in vormakkabäischer Zeit ein Tempel des philistäischen Dagon, der ehedem auch in Gaza und Askalon verehrt worden war 43). Bei der Eroberung Asdod's durch den Makkabäer Jonathan wurde dieser Tempel zerstört und überhaupt die heidnischen Culte daselbst ausgerottet (I Makk. 10, 84. 11, 4). Ueber die Wiederherstellung derselben bei der Restauration durch Gabinius ist nichts Näheres bekannt. Jedenfalls hatte Azotus

in dieser späteren Zeit auch einen starken Bruchtheil jüdischer Einwohner (s. §. 23, I Nr. 5).

In den Nachbarstädten Jamnia und Jope hatte das jüdische Element seit der Makkabäerzeit das Uebergewicht gewonnen. Doch ist gerade Jope für den Hellenismus von Bedeutung als die Heimath des Mythus von Perseus und Andromeda: hier am Felsen von Jope ward Andromeda dem Meerungeheuer ausgesetzt und von Perseus befreit 44). Der Mythus hat sich auch während der vorwiegend jüdischen Periode dort lebendig erhalten. Im J. 58 vor Chr. wurde in Rom bei den pomphaften Spielen, die M. Scaurus als Aedil gab, auch das Skelett des Meerungeheuers gezeigt, das Scaurus aus Jope nach Rom hatte bringen lassen 45). Durch Strabo, Mela, Plinius, Josephus, Pausanias, ja noch durch Hieronymus ist die Fortdauer des Mythus in dortiger Gegend bezeugt 46). Auch die hellenistische Sage, nach welcher Jope von Kepheus, dem Vater der Andromeda gegründet sein soll, weist darauf hin 46a). Plinius spricht sogar von einem Cultus der Keto daselbst 47), Mela von Altären mit den Namen des Kepheus und seines Bruders Phineus, die dort exi

43) S. über ihn: Baudissin in Herzog's Real-Enc. 2. Aufl. III, 460–463, und die daselbst citirte Literatur.

44) Die früheste Erwähnung Jope's als Ort dieser Begebenheit findet sich bei Scylax (4. Jahrh. vor Chr.), s. Müller, Geogr. gr. minores I, 79. Vgl. überhaupt: Stark, S. 255 ff. 593 f.

45) Plinius, Hist. Nat. IX, 5, 11: Beluae, cui dicebatur exposita fuisse Andromeda, ossa Romae adportata ex oppido Judaeae Jope ostendit inter reliqua miracula in aedilitate sua M. Scaurus longitudine pedum XL, altitudine costarum Indicos elephantos excedente, spinae crassitudine sesquipedali. - Ueber Scaurus vgl. die Uebersicht über die römischen Statthalter von Syrien in Bd. I. Ueber die Zeit seiner Aedilität: Pauly's Encykl. I, 1, 2. Aufl., S. 372.

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46) Strabo XVI p. 759. Mela I, 11. Plinius V, 13, 69. Joseph, Bell. Jud. III, 9, 3. Pausanias IV, 35, 6. Hieronymus, Comment, ad Jon. 1, 3 (Opp. ed. Vallarsi VI, 394). Die Meisten erwähnen, dass man am Felsen bei Jope die

Spuren von den Fesseln der Andromeda zeigte.

46a) Steph. Byz. 8. v. 'lóлη.

47) Plinius V, 13, 69: Colitur illic fabulosa Ceto.

Der Name Ceto ist

wohl nur Latinisirung von zntos (das Meerungeheuer). Vgl. Stark, S. 257.

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