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natürlich alle Hof-Freunde verlohren, aber seine eigentlichen Freunde, der Gouverneur des Prinzen, der edle Herzog von Beauvilliers, und der Herzog von Chevreuse c. blieben ihm, und durch diese blieb er beståndig in Verbindung mit dem Prinzen. Uebrigens war er zu Cambray ein treuer Erzbischof, und gab Rath nahe und ferne, wie seine Lettres spirituelles beweisen.

Er ward aber nicht blos in geistlichen Angelegenheiten um Rath gefragt, sondern auch in wissenschaft= lichen, wie ihn denn die Academie françoise, als sie eine neue Ausgabe ihres Dictionairs vorhatte, durch den Herrn Dacier um sein Gutachten ersuchen ließ.

Auch war Fenelon auf gewisse Weise im achtzehnten Jahrhundert, was der heilige Bernhard im zwölften gewesen ist, nur mit dem Unterschied, daß Bernhard von den Fürsten und Behörden gebeten wurde, und von seinem Rath und von seinen Nego= ciationen Lob und Ehre erndtete, und Fenelon seinen Nath, wenn er ihn nöthig und nüßlich fand, auch ungebeten und Gewissenshalber gab, und, während seiner Verbannung vom Hofe, dabey für sich und seine Freunde, denen er ihn heimlich zustellte, Schande und Schaden fürchten mußte. So schickte er 1701 dem Herzog von Beauvilliers einen Plan, der, wenn er angenommen worden wåre, den Spanischen Successions Krieg, der Frankreich an den Rand des Verderbens brachte, und ohne die unerwartete glückliche Wendung, die am Ende die Sachen

nahmen, noch weiter gebracht haben würde, vielleicht erspart håtte. Auch in Militair-Ungelegenheiten hat er bisweilen Rath gegeben, der sich durch die Folgen bewährt hat. Er hatte überall einen sehr richtigen Blick; so empfahl er unter den drey Marschållen, Villars, Vendome und Catinat, die Anspruch zum Commando unter dem Prinzen hatten, angelegentlich den Catinat und Eugen hat von diesen Generals gefagt: den Villars schlage ich; mit dem Vendome schlage ich mich, und der Catinat schlågt mich.

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Die Gottseligkeit, sagt Paulus, ist zu allen Dingen gut, und das war sie auch beym Fenelon, als der Krieg nun würklich ausgebrochen war. Das Haupt- Kriegs - Theater war in seiner Nachbarschaft, und er ließ es an sich in keinem Stücke fehlen. Die Officiers konnten in den Winterquartieren zu Paris nicht genug von der zuvorkommenden Güte und Freygebigkeit des Erzbischofs von Cambray erzählen. Zu St. Omar rebellirte die Garnison, weil sie bey dem gänzlichen Geldmangel in den französischen Kafsen nicht bezahlt wurde; da packte Fenelon seinen Vorrath zusammen, und borgte, auf Zettel mit seinem bloßen Nahmen, so viel, als nöthig war, dazu, und schickte es hin. Er half, wo er helfen konnte, und gab her, was er hatte. Sein Erzbischöflicher Pallast war immer voll von Officiers, hohen und niedrigen, von Verwundeten und Kranken, die bey ihm Trost und Pflege hatten. Und sein Nahme war bey der feindlichen Armee nicht weniger geachtet; Eugen und Marlborough besuchten ihn, und ließen

ihn, wenn er in der Gegend Reisen zu machen hatte, durch ihre Truppen escortiren, und seine Låndereyen und Besißungen durch Detaschements decken, so daß die Einwohner aus der Gegend umher sich und ihre Sachen auf sein Gebiet flüchteten, um sicher zu seyn.

Wenn der Herzog von Bourgogne in Flandern kommandirte, war Fenelon mit seiner Sorge und Liebe um ihn; und als die Generåle mit dem Herzog unzufrieden waren, und ihn der Bigotterie und Unthätigkeit 2c. beschuldigten, theilte ihm Fenelon dieß Alles rund heraus und haarklein mit, und schrieb ihm die Religion besteht nicht in einer ångstlichen Beobachtung kleinlicher Formalitåten; sondern für einen Jedweden in den seinem Stande eigenthüůmlichen Tugenden. Ein großer Prinz an der Spike der Armee muß Gott nicht auf dieselbe Art dienen, als ein Einsiedler oder simpler Privatmann; er kann die Soldaten nicht wie Klosterleute behandeln u. s. w.« und rühmte ihm die Bravour des Marschalls Buflers.

Ludwig XIV. erlaubte zwar dem Herzog von Bourgogne, auf seinen Reisen zur Armee, den Fenelon zu sehen, sonst aber blieb er so unveråndert kalt gegen diesen Erzbischof, daß man sich's kaum erflåren kann. Aber bekanntlich hatte Richelieu, der von neuen Meynungen so traurige Folgen gesehen hatte, sich zum Geseß gemacht, durchaus keine neue Meynung aufkommen zu lassen, sondern sie gleich kurz und mit Gewalt an der Wurzel abzuschneiden, und diesen Geist pflanzte er auf den Mazarin, und dieser auf den König fort, und das Unsehen Bossuets,

der, um seiner Talente willen, wie ein halber Kirchenvater angesehen ward, hielt den König fest überzeugt, daß Fenelon neue Meynungen aufbringen wollte. Auch der Télémaque, der bey Lebzeiten des Königs noch herauskam, hat vielleicht sein Theil zum fortgesetten Unwillen des Königs beygetragen. Dieß Buch ward gleich in alle Sprachen überseßt und von aller Welt gelesen, seiner Schönheit wegen und sonderlich, weil man in dem Sesostris und Idomeneus Ludwig XIV., im Protesilas den Marquis von Louvois u. s. w. zu finden glaubte.

Eigentliche Beredsamkeit, so wie Bossuet, hatte Fenelon nicht; aber dafür hatte er Simplicitåt, Herzlichkeit, Klarheit, und was mehr ist, Freymuth: die Wahrheit unter allen Umständen zu sagen, und die Gabe: sie bescheiden und edel zu sagen.

Er hat davon unter andern eine schöne Probe in einer Rede an den Churfürsten Joseph Clemens von Cöln, Bruder des Churfürsten von Baiern, der von ihm geweiht seyn wollte, gegeben: »ich weiß, »sagte er ihm, daß Sie die Wahrheit lieben, rein » und unumwunden, und ich fürchte Ihr Mißfallen »nicht, wenn ich sie sage; geruhen Sie denn zu hö= >>ren, was ich mich nicht scheue zu sagen. Auf der "einen Seite: die Kirche bedarf des Beystandes der » Fürsten dieser Erde nicht, weil ihr die Verheißun»gen ihres allmächtigen Bräutigams genug sind; >>auf der andern Seite: die Fürsten, die Hirten » werden, können der Kirche sehr nüßlich seyn, wenn » sie sich erniedrigen, wenn sie sich der Arbeit widmen,

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>>und alle Hirten-Tugenden an sich haben. Das »sind die zwey Punkte, davon ich in dieser Rede » handeln will. Die Kirche besist für sich, sagt » der heilige Ambrosius, nichts als den Glau»ben; und dieser Glaube war es, der die Welt » überwunden hat Gott würdigte endlich die Be= herrscher der Welt der Gnade, sie zu den Füßen »seiner Braut zuzulassen war dieß etwa ein Schuß, » der zu gelegener Zeit kam, um die erschütterte »Kirche zu erhalten? Nein, der sie während drey= » hundert Jahren, wider Willen der Menschen, ers »halten hatte, der hatte die Schwachheit der Menschen, die schon durch sie überwunden waren, nicht » nöthig, um sie ferner zu erhalten; sondern es war »ein Triumph, den der Bräutigam der Braut nach » so vielen Siegen geben wollte; es war ein Hülfs»mittel für die Kirche, aber eine Gnade und Barm »herzigkeit für die Kaiser. - Die Fürsten können »nicht allein nichts wider die Kirche, sondern sie kôn»nen auch nichts für sie, als indem sie ihr gehor>>chen. Der Bischof, sagt der heilige Cyprian, »der das Evangelien-Buch in der Hand hält, »>kann getödtet, aber er kann nicht überwun= »den werden. Kommen Sie denn, Clemens, » nicht zu herrschen, sondern zu dienen. Glauben Sie, » die Kirche bedarf Ihres Schußes nicht; aber, wenn »Sie sich ihr ganz und von Herzen ergeben, werden »Sie ihre Bierde und ihr Trost seyn.

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Wie

» können wir das Kreuz Jesu Christi lieben machen, » wenn wir es selbst verwerfen, um nach Stolz und VIII.

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