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Frei von Tadel zu sein, ist der niedrigste Grad und der höchste,
Denn nur die Ohnmacht führt oder die Größe dazu.

'To be exempt from blame is the lowest degree (of praise) and the highest; for it is either impotence or greatness that leads to this.'

It is true that in composing his poem, Goethe was mindful of Voss's Luise, which had then been before the public for some time. In the Elegy on Hermann and Dorothea, by which the poem was announced to the German nation some time before its publication, Goethe himself says:

Uns begleite des Dichters Geist, der seine Luise

Rasch dem würdigen Freund, uns zu entzücken, verband.

'Let us be accompanied by the mind of the poet who for our delight accelerated the union of his Luise with her worthy friend1.' Goethe's original intention appears to have been to rival Voss's 'Idyl' in an idyllic poem, but soon the 'Homeric' element came in, and the poem grew to an 'epic Idyl', or, if we may use the expression, an 'idyllic Epic'. In this sense, Goethe says of himself, in the Elegy already referred to:

Doch Homeride zu sein, wenn auch als lezter, ist schön.

"If he cannot be Homer himself (which would be too great a presumption), let him be a Homeride, though but the least of all.' This Goethe may be pronounced to have achieved, and even Voss once admitted that Hermann and Dorothea contained a few passages for which he would have gladly given the whole of his Luise. Schiller says of this poem-"It is absolutely perfect in its kind, it is powerful and pathetic, and yet charming in the highest degree, and altogether it is as beautiful as it is possible to call anything"." We have already mentioned that W. von Humboldt has made our poem the subject of a special work, in which he develops the law of epic poetry and of poetical composition in general from the example furnished by this master

1 Luise is at the end of the poem married to a young clergyman. 2 Das Gericht ist schlechterdings vollkommen in seiner Gattung, es ist rathetisch mächtig und doch reizend im höchsten Grade, kurz es ist schön was man sagen kann. (In a letter to Goethe.)

piece1. Gervinus goes so far as to say that it is perhaps the only work of modern literature that might be offered to an ancient Greek (if ever such a one could return to life) without any further commentary and without embarrassment; there being no other work in which the Greek style had been so thoroughly quickened and interpenetrated by the German mind. This may be-and doubtless is an exaggeration in the first part, as many passages would remain unintelligible to an ancient reader without further elucidation; but the second part of Gervinus's assertion we too hold to be true in the strictest sense of the word.

The time in which we should suppose the action of our poem to take place, has been marked by Goethe himself (see above, p. viii) as about August, 1796. This was the time when, after the peace of Basle, Austria took up the war against France quite by herself, and when Moreau was forced to retreat by the Archduke Charles. Then it was that the peasants of the districts around Würzburg and in the Black Forest took an active part in the expulsion and extermination of the enemy. The season itself is summer, the day being given as the one before the harvest (8, 75), but as the year has been a very hot one, we hear also that the grapes are already changing colour (4, 29). The whole action occupies the space of about six hours; it begins in the afternoon and ends late in the evening. The scene of action should be conceived as not very far from the Rhine, say in Rhenish Bavaria or Hessia. This is likewise indicated by the mention made of Frankfort, Strassburg, and Mannheim (3, 24) as neighbouring cities, and of Landau (1, 56).

1 "The whole genus of poetry and its epic species are but rarely seen in such purity and perfection, as in the masterly composition of Hermann and Dorothea, in the poetical truth of its characters, and the continual progress of the narration; and though Goethe's peculiar qualities may, perhaps, be found more strongly and brilliantly expressed in a few other of his works, it will be impossible to find all these single rays so completely caught up and concentrated in a common focus, as in this work." Aesthet. Vers. p. 2.

Inhaltsangabe.

(Aus H. Kurz, Geschichte der deutschen Literatur, 3ter Vand, E. 319 f8.)

I. Der Wirth zum goldenen Löwen in einem Landstädtchen in der Nähe des Rheins sigt mit seiner Frau vor dem Hause und bespricht mit ihr die Angelegenheiten des Tages. Es waren nämlich Schaaren von Flüchtigen in der Nähe vorübergezogen, welche vor den republikanischen Franzosen geflüchtet waren. Beinahe alle Bewohner des Städtchens waren ausgezogen, um den Zug zu sehen und den Vertriebenen Hülfe aller Art zu bringen, so auch Hermann, der Schn des Wirths, der auf seinem Wagen Kleider und Lebensmittel mitgenommen hatte. Nach und nach kehren die Leute zurück, unter ihnen der Pfarrer und der Apotheker, welche sich zum Wirthe seßen und das Gesehene mittheilen. Darauf gehen sie in das Haus, um sich in der kühlen Stube an einem Glas Wein zu erfrischen. Während der Wirth seine Hoffnung auf baldigen Frieden und zugleich den Wunsch ausspricht, daß sein Sohn bald eine Gattin wählen möge, kommt dieser angefahren.

II. Bei dem Eintritt des Sohnes erkennt der scharfblickende Pfarrer fegleich, daß irgend Etwas sein Gemüth beschäftige, ja sein ganzes Wesen verändert habe. Hermann erzählt nun, wie er die mitgenommenen Gaben angewendet; er habe sie alle einem Mädchen gegeben, das einen Wagen geleitet habe, auf welchem sich eine Wöchnerin mit einem neugebornen Kinde befunden. Der Apotheker ergreift die Gelegenheit, um das Glück des unverheiratheten Mannes zu preisen, worauf Hermann erwidert, daß er sich gerade jezt am leichtesten entschließen könne, eine Gattin zu nehmen, da so manches Mädchen des Schußes bedürfe. Diese Äußerung erfreut den Vater, er ermahnt ihn, eine Tochter des reichen Nachbars zu wählen; Hermann hält sie für herzlos und erzürnt durch seine Weigerung den Vater.

III. Die Mutter nimmt den Sohn in Schuß, der sich unterdessen entfernt hatte, und eilt ihm nach; der Apotheker aber billigt die Ansicht des Vaters, da jeder bei zunehmender Theuerung auf die Zukunft denken müsse.

IV. Die Mutter findet Hermann nach langem Suchen auf seinem Lieblingsplaß, unter einem Birnbaum auf einem nahen Hügel; es gelingt ihr

ihn zum Geständniß zu bringen, daß er entschlossen sei, nur jenes Mädchen zu heirathen, das er unter den Flüchtlingen gesehen. Die Mutter verspricht ihm ihren Beistand und sie gehen beide in's Haus zurück.

V. Die drei Freunde saßen noch im Gespräche beisammen, als Mutter und Sohn eintraten. Die Mutter theilt Hermann's Wunsch mit; und nachdem auch der Prediger zu dessen Gunsten gesprochen, gibt er, wenn auch zögernd, seine Einwilligung, daß die beiden Freunde sich nach dem Mädchen erkundigen. Hermann fährt mit ihnen nach dem Dorf, wo die Vertriebenen rasteten; doch läßt er die Freunde allein in das Dorf gehen, wo sie den Nichter der Auswanderer treffen.

VI. Während der Apotheker das Mädchen aufsucht, erzählt der Nichter von dem Unglück, das seine Mitbürger betroffen, und berichtet von einer Jungfrau, die sich und andere Mädchen durch Muth und Geistesgegenwart aus dréhender Gefahr gerettet habe. Es ist die nämliche, die Hermann gesehen hatte. Sie eilen zu diesem zurück, welcher sich entschließt, selbst mit dem Mädchen zu sprechen. Die Freunde entfernen sich.

VII. Bald darauf kommt Dorothea, um Wasser am Brunnen zu schëpfen; auf ihre Frage, wie er dahin komme, verseßt er, die Mutter wünsche ein braves Mädchen, das ihr in der Haushaltung beistehe. Dorothea glaubt zwar, er wolle sie als Magd dingen, doch erklärt sie sich bereit, ihm zu folgen. Sie gehen in das Dorf, wo Dorothea von ihren Begleitern Abschied nimmt.

VIII. Auf dem Wege in das Städtchen schildert ihr Hermann der Eltern Gemüthsart. Als sie nach kurzer Ruhe unter dem Birnbaum die Stufen des Weinbergs herabsteigen, tritt Dorothea fehl und verrenkt sich dén Fuß; Hermann nimmt die Sinkende in die Arme auf, aber er wagt nicht, sie näher an die Brust zu schließen.

IX. Nachdem Hermann die Jungfrau seinen Eltern vorgestellt, vertraut er dem Pfarrer, daß Dorothea als Magd in's Haus gekommen zu sein glaube, und bittet ihn, den Irrthum klug zu lösen. Unterdessen hatte sie der Vater aber schon als Braut des Sohnes begrüßt, was sie für Spott halten mußte. Der Pfarrer benußt die Gelegenheit, um das Herz der Jungfrau zu prüfen, und indem sie gesteht, daß Hermann ihre Neigung gewonnen habe, erklärt sie, daß sie nun nicht mehr im Hause bleiben könne. Doch gelingt es Hermann, das Mißverständniß zu lösen, Dorothea erzählt von ihren früheren Schicksalen, und das Ganze schließt, indem Hermann in edler, fester Rede ausspricht, was des Mannes Pflicht in stürmischen Zeiten sei.

I. Kalliope.

Schicksal und Antheil.

,,Hab' ich den Markt und die Straßen doch nie so einsam gesehen!
Ist doch die Stadt wie gekehrt, wie ausgestorben! Nicht funfzig,
Däucht mir, blieben zurück von allen unsern Bewohnern.
Was die Neugier nicht thut! So rennt und läuft nun ein Jeder,
Um den traurigen Zug der armen Vertriebnen zu sehen.
Bis zum Dammweg, welchen sie ziehn, ist's immer ein Stündchen,
Und da läuft man hinab im heißen Staube des Mittags.
Möcht' ich mich doch nicht rühren vom Plaz, um zu sehen das
Elend

Guter fliehender Menschen, die nun mit geretteter Habe
Leider das überrheinische Land, das schöne, verlassend,
Zu uns herüberkommen und durch den glücklichen Winkel
Dieses fruchtbaren Thals und seiner Krümmungen wandern.
Trefflich hast Du gehandelt, o Frau, daß Du milde den Sohn fort
Schicktest mit altem Linnen und etwas Essen und Trinken,

5

ΙΟ

Um es den Armen zu spenden; denn Geben ist Sache des Reichen. 15
Was der Junge doch fährt! und wie er bändigt die Hengste!
Sehr gut nimmt das Kütschchen sich aus, das neue; bequemlich
Säßen Viere darin und auf dem Bocke der Kutscher.

Diesmal fuhr er allein; wie rollt' es leicht um die Ecke!"

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