155 Wider Willen die Thräne dem Auge sich dringt zu entstürzen.“ Da überließ sich dem Schmerze der gute Jüngling und weinte, . Weinte laut an der Brust der Mutter und sprach so erweichet: ,,Wahrlich! des Vaters Wort hat heute mich kränkend getroffen, Das ich niemals verdient, nicht heut und keinen der Tage; Denn die Eltern zu ehren, war früh mein Liebstes, und Niemand 160 Schien mir flüger zu sein und weiser, als die mich erzeugten Und mit Ernst mir in dunkeler Zeit der Kindheit geboten. Vieles hab' ich fürwahr von meinen Gespielen geduldet, Wenn sie mit Tücke mir oft den guten Willen vergalten ; Oftmals hab' ich an ihnen nicht Wurf noch Streiche gerochen: 165 Aber spotteten sie mir den Vater aus, wenn er Sonntags Aus der Kirche kam mit würdig bedächtigem Schritte, Lachten sie über das Band der Müße, die Blumen des Schlafrocks, 170 Fiel ich sie an und schlug und traf mit blindem Beginnen, 175 Wenn bei Rath ihm Verdruß in der lezten Sizung erregt ward; Aber, ach! nicht das Sparen allein, um spät zu genießen, Macht das Glück, es macht nicht das Glück der Haufe beim Haufen, Nicht der Acker am Acker, so schön sich die Güter auch schließen. Da antwortete drauf die gute Mutter verständig: Sohn, mehr wünschest Du nicht, die Braut in die Kammer zu führen, Als der Vater es wünscht und die Mutter. Wir haben Dir immer Zugeredet, ja Dich getrieben, ein Mädchen zu wählen. Aber mir ist es bekannt, und jezo sagt es das Herz mir: 185 190 195 201 Wenn die Stunde nicht kommt, die rechte, wenn nicht das rechte Mädchen zur Stunde sich zeigt, so bleibt das Wählen im 205 Weiten, Und es wirket die Furcht, die falsche zu greifen, am Meisten. Soll ich Dir sagen, mein Sohn, so hast Du, ich glaube, gewählet ; Denn Dein Herz ist getroffen und mehr als gewöhnlich empfindlich. Sag' es gerad' nur heraus, denn mir schon sagt es die Seele : 210 Jenes Mädchen ist's, das vertriebene, die Du gewählt hast." " Liebe Mutter, Ihr sagt's!" versezte lebhaft der Sohn drauf. 215 Mutter, ewig umsonst gedeiht mir die reiche Besizung Dann vor Augen; umsonst sind künstige Jahre mir fruchtbar. Ja, das gewohnte Haus und der Garten ist mir zuwider; Ach! und die Liebe der Mutter, sie selbst nicht tröstet den Armen. Denn es löset die Liebe, das fühl ich, jegliche Bande, 220 Wenn sie die ihrigen knüpft; und nicht das Mädchen allein läßt Vater und Mutter zurück, wenn sie dem erwähleten Mann folgt, Auch der Jüngling, er weiß nichts mehr von Mutter und Vater, Wenn er das Mädchen sieht, das einziggeliebte, davonziehn. Darum lasset mich gehn, wohin die Verzweiflung mich antreibt! 225 Denn mein Vater, er hat die entscheidenden Worte gesprochen, Und sein Haus ist nicht mehr das meine, wenn er das Mädchen Ausschließt, das ich allein nach Haus zu führen begehre.“ Da versezte behend die gute verständige Mutter: ,,Stehen wie Felsen doch zwei Männer gegen einander! 230 Unbewegt und stolz will Keiner dem Andern sich nähern, Keiner zum guten Worte, dem ersten, die Zunge bewegen. Darum fag' ich Dir, Sohn: noch lebt die Hoffnung in meinem Wo er heftiger spricht und Anderer Gründe bezweifelt, 235 Nie bedeutend; es reget der Wein dann jegliche Kraft auf 240 Aber es kommt der Abend heran, und die vielen Gespräche Milder ist er fürwahr, ich weiß, wenn das Räuschchen vorbei ist 245 Also sprach sie behende und zog, vom Steine sich hebend, Auch vom Sige den Sohn, den willig folgenden. Beide Kamen schweigend herunter, den wichtigen Vorsaß bedenkend. 250 V. Polyhymnia. Der Weltbürger. Aber es saßen die Drei noch immer sprechend zusammen, Mit dem geistlichen Herrn der Apotheker beim Wirthe; Und es war das Gespräch noch immer ebendasselbe, Das viel hin und her nach allen Seiten geführt ward. 5 Aber der treffliche Pfarrer versezte würdig gesinnt drauf: ,,Widersprechen will ich Euch nicht. Ich weiß es, der Mensch soll Immer streben zum Bessern; und, wie wir sehen, er strebt auch Immer dem Höheren nach, zum Wenigsten sucht er das Neue. Aber geht nicht zu weit! Denn neben diesen Gefühlen 10 Gab die Natur uns auch die Lust, zu verharren im Alten, Und sich dessen zu freu'n, was Jeder lange gewohnt ist. Aller Zustand ist gut, der natürlich ist und vernünftig. Vieles wünscht sich der Mensch, und doch bedarf er nur wenig; Denn die Tage sind kurz, und beschränkt der Sterblichen Schicksal. 15 Niemals tadl' ich den Mann, der, immer thätig und rastlos Umgetrieben, das Meer und alle Straßen der Erde Kühn und emsig befährt und sich des Gewinnes erfreuet, 20 Der sein väterlich Erbe mit stillen Schritten umgehet |