Page images
PDF
EPUB

Doch sie verhehlte den Schmerz und sagte die scherzenden
Worte:

100,,Das bedeutet Verdruß, so sagen bedenkliche Leute,

Wenn beim Eintritt in's Haus nicht fern von der Schwelle der
Fuß knackt.

Hått' ich mir doch fürwahr ein besseres Zeichen gewünschet!

Lass' uns ein Wenig verweilen, damit Dich die Eltern nicht tadeln Wegen der hinkenden Magd, und ein schlechter Wirth Du erscheinest."

IX. Crania.

Aussicht.

Musen, die Ihr so gern die herzliche Liebe begünstigt,

Auf dem Wege bisher den trefflichen Jüngling geleitet,
An die Brust ihm das Mädchen noch vor der Verlobung gedrückt

habt:

Helfet auch ferner den Bund des lieblichen Paares vollenden, Theilet die Wolken sogleich, die über ihr Glück sich heraufziehn! 5 Aber saget vor Allem, was jezt im Hause geschiehet!

Ungeduldig betrat die Mutter zum dritten Mal wieder Schon das Zimmer der Männer, das sorglich erst sie verlassen, Sprechend vom nahen Gewitter, vom schnellen Verdunkeln dcs Mondes,

Dann vom Außenbleiben des Sohns und der Nächte Gefahren; 10 Tadelte lebhaft die Freunde, daß, ohne das Mädchen zu sprechen, Ohne zu werben für ihn, sie so bald sich vom Jüngling getrennet.

"

Mache nicht schlimmer das Uebel!" versezt unmuthig der
Vater;

,,Denn Du siehst, wir harren ja selbst und warten des Aus

gangs."

Aber gelassen begann der Nachbar sizend zu sprechen : „Immer verdant ich es doch in solch unruhiger Stunde

15

20

Meinem seligen Vater, der mir als Knaben die Wurzel
Aller Ungeduld ausriß, daß auch kein Fäschen zurückblieb,
Und ich erwarten lernte sogleich, wie keiner der Weisen.“

„Sagt,“ verseßte der Pfarrer, welch Kunststück brauchte der Alte?"

,,Das erzähl' ich Euch gern, denn Jeder kann es sich merken,"

Sagte der Nachbar darauf. Als Knabe stand ich am Sonntag Ungeduldig einmal, die Kutsche begierig erwartend,

Die uns sollte hinaus zum Brunnen führen der Linden. 25 Doch sie kam nicht; ich lief wie ein Wiesel dahin und dorthin, Treppen hinauf und hinab, und von dem Fenster zur Thüre. Meine Hände prickelten mir; ich kraßte die Tische,

Trappelte stampfend herum, und nahe war mir das Weinen. Alles sah der gelaffene Mann; doch als ich es endlich 30 Gar zu thöricht betrieb, ergriff er mich ruhig beim Arme,

Führte zum Fenster mich hin und sprach die bedenklichen Worte: Siehst Du des Tischlers da drüben für heute geschlossene Werkstatt?

Morgen eröffnet er sie; da rühret sich Hobel und Säge,

Und so geht es von Frühe bis Abend die fleißigen Stunden. 35 Aber bedenke Dir dies: der Morgen wird künftig erscheinen, Da der Meister sich regt mit allen seinen Gesellen,

Dir den Sarg zu bereiten und schnell und geschickt zu vollenden;
Und sie tragen das bretterne Haus geschäftig herüber,

Das den Geduld'gen zulezt und den Ungeduldigen aufnimmt
40 Und gar bald ein drückendes Dach zu tragen bestimmt ist.
Alles sah ich sogleich im Geiste wirklich geschehen,
Sah die Bretter gefügt und die schwarze Farbe bereitet,
Saß geduldig nunmehr und harrete ruhig der Kutsche.

Rennen Andere nun in zweifelhafter Erwartung

Ungeberdig herum, da muß ich des Sarges gedenken."

Lächelnd sagte der Pfarrer: „Des Todes rührendes Bild steht Nicht als Schrecken dem Weisen und nicht als Ende dem From

men.

Jenen drängt es in's Leben zurück und lehret ihn handeln ;
Diesem stärkt es zu künftigem Heil im Trübsal die Hoffnung ;
Beiden wird zum Leben der Tod. Der Vater mit Unrecht
Hat dem empfindlichen Knaben den Tod im Tode gewiesen.
Zeige man doch dem Jüngling des edel reifenden Alters
Werth, und dem Alter die Jugend, daß Beide des ewigen Kreises
Sich erfreuen und so sich Leben im Leben vollende!"

45

50

Aber die Thür' ging auf. Es zeigte das herrliche Paar sich, 55
Und es erstaunten die Freunde, die liebenden Eltern érstaunten
Ueber die Bildung der Braut, des Bräutigams Bildung ver-
gleichbar;

Ja, es schien die Thüre zu klein, die hohen Gestalten
Einzulaffen, die nun zusammen betraten die Schwelle.

Hermann stellte den Eltern sie vor mit fliegenden Worten. „Hier ist," sagt er, „ein Mädchen, so wie Ihr im Hause sie wünschet.

Lieber Vater, empfanget sie gut! sie verdient es. Und, liebe Mutter, befragt sie sogleich nach dem ganzen Umfang der Wirth

schaft,

Daß Ihr seht, wie sehr sie verdient, Euch näher zu werden.“

Eilig führt er darauf den trefflichen Pfarrer bei Seite,

60

65

Sagte: „Würdiger Herr, nun helft mir aus dieser Besorgniß Schnell und löset den Knoten, vor dessen Entwicklung ich schaudre.

Denn ich habe das Mädchen als meine Braut nicht geworben, Sondern sie glaubt, als Magd in das Haus zu gehn, und ich fürchte,

70 Daß unwillig sie flieht, sobald wir gedenken der Heirath.

Aber entschieden sei es sogleich! Nicht länger im Irrthum
Soll sie bleiben, wie ich nicht länger den Zweifel ertrage.
Eilet und zeiget auch hier die Weisheit, die wir verehren!"
Und es wendete sich der Geistliche gleich zur Gesellschaft.
75 Aber leider getrübt war durch die Rede des Vaters

Schon die Seele des Mädchens; er hatte die munteren Worte
Mit behaglicher Art im guten Sinne gesprochen:

„Ja, das gefällt mir, mein Kind! Mit Freuden erfahr' ich, der Sohn hat

Auch wie der Vater Geschmack, der seiner Zeit es gewiesen, 80 Immer die Schönste zum Tanze geführt, und endlich die Schönste In sein Haus als Frau sich geholt; das Mütterchen war es, Denn an der Braut, die der Mann sich erwählt, läßt gleich sich erkennen,

Welches Geistes er ist, und ob er sich eigenen Werth fühlt.

Aber Ihr brauchtet wohl auch nur wenig Zeit zur Entschließung? 85 Denn mich dünket fürwahr, ihm ist so schwer nicht zu folgen.“

Hermann hörte die Worte nur flüchtig; ihm bebten die
Olieder

Innen, und stille war der ganze Kreis nun auf einmal.

Aber das treffliche Mädchen, von solchen spöttischen Worten,

« PreviousContinue »