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wie ich öfters erfahren, durch keine Gegengründe zu bekämpfende Abneigung gegen schriftstellerische Thätigkeit und Mittheilungen über die ihrer Obhut anvertrauten litterarischen Schätze, so wie durch den Umstand, dass namentlich grössere Bibliotheken die Beschreibung ihrer Merkwürdigkeiten in besonderen Werken niederlegen, denen man durch Journalmittheilungen nicht vorgreifen will, und schon ein flüchtiger Blick auf die in neuerer Zeit erschienenen bibliothekkundlichen Werke bezeugt es, wie viel auf diesem Gebiete gethan worden ist. Nichtsdestoweniger kann ich doch als Redacteur des bis jetzt für das von ihm vertretene Gebiet einzigen Journales den Wunsch nicht unterdrücken, dass in demselben immer weniger die Stimmen derjenigen vermisst werden mögen, welche seither über die ihnen anvertrauten litterarischen Schätze geschwiegen haben.

Namentlich ist es die Geschichte und insbesondere die Tagsgeschichte grösserer Bibliotheken, für welche ich im Serapeum besser als bisher gesorgt sehen möchte. Konnte ich leider auf diesem Gebiete bis jetzt oft nichts anderes bieten, als dürftige, den Zeitungen entlehnte, daher wissenschaftlich oft ungenügende und ungründliche, Nachrichten, so war diess wenigstens meine Schuld nicht, indem diejenigen, welche zu reden berufen waren und von welchen einzig und allein authentische Mittheilung gegeben und erwartet werden konnte, mich entweder gar nicht oder nicht genug unterstützten. Möchte es mir gelingen, namentlich für dieses oft so interessante Gebiet noch mehr Beiträge zusammen zu bitten, und diese Bitte sei hiermit in Hoffnung, dass sie eine gute Statt finden werde, ausgesprochen. Dem fernern Wohlwollen des Publikums aber sei von Neuem das Serapeum bestens empfohlen!

Naumann.

Noch erlaube ich mir die ergebenste Bitte auszusprechen, dass die das Serapeum beziehenden Buchhandlungen die Anstalten und die Namen derjenigen Herren, welche auf dasselbe abonniren, der Verlagshandlung gefälligst anzeigen mögen, indem durch die Bekanntschaft der Redaction mit dem für das Serapeum sich interessirenden Publikum wohl manche Vortheile für die Zeitschrift selbst zu gewinnen seyn dürften.

Der Obige.

Auffindung des ältesten mit Datum ver

sehenen Holzdrucks.

(Aus den Abhandlungen der königlich belgischen Academie der
Wissenschaften zu Brüssel Bd. XIX.)

Der Bilddruck verhält sich zur Zeichnung wie der Typendruck zur Schrift.

So wie die figürliche Darstellung des Gedankens dem Gebrauche derjenigen Zeichen vorangeht, welche die mannich-. faltigen Laute der menschlichen Rede auszudrücken bestimmt sind, so ist auch der Stichdruck älteren Ursprungs als die beweglichen Typen.

Doch gleich Anfangs hat sich der Holzschnitt mit dem Letterndrucke verbunden; dieser diente zunächst dazu, jenen zu erläutern, aber es war nur Tafel- und Holzdruck.

Die Stecherkunst musste nothwendiger Weise zunächst auf weicheren Stoffen als Metall verrichtet werden; auch sind die Holzstiche weit älteren Ursprungs als die Kupfertafeln. 1)

Vom Einfachen zum Zusammengesetzten fortschreitend, begnügte sich diese Kunst in ihren Anfängen mit einem Striche, einem Umriss; Schattenlinien, Abstufungen, jene künstlichen Mittel, die Farben zu ersetzen, das Erhabene der Körper, ihre verhältnissmässigen Entfernungen, das Spiel des Lichtes und der Luft darzustellen, sind spätere Zugaben.

In allen Dingen ist es unserer Aufmerksamkeit werth, den Ausgangspunkt des menschlichen Geistes zu bezeichnen; ehemals aber beschränkte sich der Verstand mit der Erfindung, ohne sich um die Zeitepoche zu bekümmern, ohne sich mit einem Patent zu versehen. Kaum giebt es irgend eine bedeutende Entdeckung, welche sich chronologisch bestimmen liesse. Der Gedanke, gedrängt, verwirklicht sich freithätig, ohne sich über die Bedeutung seiner ersten Schritte klar zu werden. Erst lange nachher, wenn ihre Spur verwischt ist, durch den Erfolg aufgeregt, geht er in sich zurück, und fragt sich über seine ersten Versuche.

Um den Ursprung des Stechens zu begründen, sind achtbare Gelehrte bis zu den mit Hieroglyphen bedeckten Ziegeln Egyptens, oder zu denen von Babylon, mit keilförmigen Inschriften versehen, zurückgegangen; sie haben weder die Siegel der Alten, noch die Metallklingen mit ausgeschnittenen

1) Vor dem Jahre 1503 haben wir keine in Belgien gedruckten Werke nit Kupferfiguren kennen gelernt. Das älteste dieser Art, das uns zu Gesichte gekommen, ist vom Dominikaner Wolf verfasst und enthält Betrachtungen über das Leiden Jesu: Impressum Brugis per me Heynricum de Valle, anno Dni MCCCCC tertio, decima die mensis martii. Vid. uns. Archives philologiques I, 50.

Buchstaben in Betracht zu ziehen vernachlässigt; einige haben die Zeichen (marques) oder Namensunterschriften (griffes), deren sich die öffentlichen Notarien in Italien im Jahre 1236 und in Deutschland in dem Zeitraum von 1345 bis 1521 bedienten, erwähnt. 1)

Um Nichts zu übergehen, hat man sogar des Agesilaus Erwähnung gethan, der, dem Plutarch zufolge, das Wort Sieg mit umgekehrter Schrift in seine Hand schrieb und auf die Leber eines Opferthiers abdrückte, um den Muth seiner Soldaten anzufeuern. Sonach wäre Agesilaus der erste Drucker und hätte dem Bilddrucke die Bahn vorgezeichnet.

Andere sind noch weiter gegangen, und Papillon trug kein Bedenken zu behaupten, der Holzstich sei die erste in's Dasein getretene Kunst. 2)

Aber man muss sich über die Ausdrücke verständigen, und nicht aus dem Auge verlieren, dass ganze Jahrhunderte gewisse mechanische Verrichtungen getrennt haben, die auf den ersten Blick identisch oder zusammenhängend zu sein scheinen. Welch ein Zeitraum ist nicht, zum Beispiel, zwischen der Erfindung des Glases und dem Gebrauche der Fensterscheiben verflossen?

In der That, zwei Gedanken, wovon der eine den andern hervorzurufen scheint, verbinden sich in ihrer Anwendung erst nach langen Jahrhunderten, und tausend Mal hat sich eine unermessliche Kluft zwischen den Folgen und den Prämissen gebildet.

Hat es der Graf Léon de La Borde nicht vollkommen dargethan, wie das Alterthum, bei dem Vorhandensein aller dazu erforderlichen Stoffe, dennoch das Geheimniss des Abdrucks nicht ahnte? 3)

Es handelt sich ja nicht nur um einfache Züge, anf irgend einen Stoff mit Hülfe eines scharfen oder spitzigen Instrumentes gegraben; es handelt sich um die Kunst, von einer gestochenen Tafel mehrere Abdrücke zu verfertigen.

Die Chinesen, bei denen der Tafeldruck schon drei Jahrhunderte vor der christlichen Zeitrechnung im Gebrauch gewesen sein soll, stehen ausserhalb unserer Betrachtung.*)

1) Fischer, Essai sur les monuments typographiques de J. Gulenberg. Mayence, an X, in 4., p. 13. Lambinet, Origine de l'imprimerie. Paris, 1810, t. I. chap. 1. John Jackson, A treatise on wood engraving historical en practical. London, 1839, gr. in 8., pp. 7, 9, 10, 12, 16, 20, 21, etc.

2) J. M. Papillon, Traité historique et pratique de la gravure en bois. Paris, 1766, in 8., 3 vol.; I, 1.

3) Débuts de l'imprimerie à Strasbourg. Paris, 1810, gr. in 8.

pp. 12, 84.

4) Angelo Roccha, Bibliotheca Vaticana illustrata. Romae, 1591, in Lambinet, Origine de l'imprimerie, 1810, I, 41. Dieser

4., p. 419.

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Wir beschränken uns auf unseren Westen, und zwar auf eine Zeit, da derselbe noch nichts vom himmlischen Reich entlehnen konnte.

In Fragen, wie die vorliegende, darf man leere Vermuthungen nicht als gültige Beweise hinnehmen; man muss mit Vorsicht zu Werke gehen und sich nur an wohl begründete Thatsachen anlehnen. Diese Vorschrift, so gemein sie auch scheint, kann nicht genug eingeschärft werden, zumal heute, da die besonnene, gründliche Kritik einer blind dreinschlagenden hat weichen müssen, die es vorzieht, lieber Facta hervorzurufen, als sie geduldig zu besprechen, und die Effect bewirkende, klangvolle Paradoxen bescheidenen Wahrheiten vorzieht.

Ich weiss gar wohl, dass man der hypothetischen Methode einige glanzvolle Entdeckungen zu verdanken hat; die des Saturnringes durch Huyghens liefert hiezu ein schönes Exempel; der Aufschluss Amerika's hat noch mehr Imponirendes ; aber die Hypothese wird erst durch ein wirkliches Gelingen gerechtfertigt. So lange sie noch im Gebiete des a priori sich bewegt, hüten wir uns, sie mit der Wirklichkeit, dem factisch Bestehenden zu verwechseln.

Sonach lassen wir die Holzdrücke bei Seite, die einer Geschichte Alexanders des Grossen zur Zierde dienten, und die man den Cunio zugeschrieben hat, zweien adligen Zwillingsgeschwistern verschiedenen Geschlechts, die im Jahre 1284 lebten. 1)

In allen Dingen fallen zahlreiche Versuche der Vergessenheit anheim, ehe man, beim Nachforschen über dieselben, auf ein bestimmtes Datum stösst. Dieses Datum sind wir in Bezug auf die Holzschneidekunst bemüht aufzusuchen.

Die meisten Künstler des Mittelalters, die doch so manche theils grossartig - erhabene, theils freundlich - anziehende Werke geschaffen, dünkten sich nicht so geschickt, als sie wirklich waren; sie empfanden jene verzehrende und sich blähende Eitelkeit nicht, die heut zu Tage den geringsten Handarbeiter beseelt; sie erstrebten eher den Ruhm für ihr Werk, als für ihre Person, und entschlossen sich ohne verbissenen Gram zur Anonymität.

Wie viele Baumeister, Bildhauer, Maler und Kupferstecher haben nicht einmal daran gedacht, uns ihre Namen zu über

Schriftsteller sagt, die Dinte der Chinesen bestehe aus Russ, Branntwein, Wasser und Ochsenleim.

1) Papillon, I, 84. Die lange hierauf bezügliche Stelle des genannten Schriftstellers ist in's Italienische übersetzt worden von Pietro Zani, pp. 222-233 seines Materiali per servire alla storia dell' origine e de' progressi dell' incisione in rame e in legno. Parina, 1802, in 8. (S. auch Sotzmann, Aeltere Geschichte der Xylographie in Raumer's hist. Taschenbuch, 8. Jahrg. 1837, p. 473 u. ff. Áni. des Uebers.)

liefern, und werden niemals der Nacht der Vergessenheit wieder entrissen werden können!

Indem wir uns mit den Anfängen des Gravirens') abgeben, haben wir zwar keine durch geniale Behandlung sich auszeichnenden Productionen aufzuzeichnen; aber es liegt in diesen ersten Schritten einer entstehenden Kunst ein relatives Verdienst, das zu missachten unbillig wäre, ein äches Talent, das durch die Unvollkommenheit der Mittel noch gefesselt ist und durch die Geringfügigkeit des Zweckes herabgezogen wird, das aber dennoch uns bedauern lässt, dass der Künstler sich nicht für würdig erachtet, aus der Dunkelheit heraus

zu treten.

Der bisher für den ältesten gehaltene Holzstich stellt den heiligen Christophorus, das Kind Jesu auf seinen Schultern tragend, vor. 2) Die Jahreszahl, die er trägt, ist 1423.,,Es ist," so äussert sich Hr. Duchesne,,,eine jener Curiositäten, die man nicht ohne ein gewisses Erstaunen betrachten kann. Sie interessirt," fügt er hinzu,,,weder durch die Auffassung, noch durch die Zeichnung, noch durch die Ausführung, denn nichts ist gröber, unkorrekter und ungefälliger bearbeitet. Wenn man aber bedenkt, dass ein Bild, bestimmt die Andacht

1) In Bezug auf die Anfänge der Holzschneidekunst erwähne ich füglich eine Stelle aus der Vorrede des von Herrn Bibliothekar Dr. Hassler in Ulm dem literarischen Verein zu Stuttgart zum Druck übergebenen Handlungsbuch Ott Ruland's (zweite Publication, drittes Werk p. VII.), betreffend die daselbst häufig als Handelsartikel erwähnten Salzburger Tafeln: Die letzteren, uuter welchen, wie wir demnächst in unserem Werke über die älteste Geschichte der Holzschneidekunst darthun werden, nichts anders verstanden werden kann, als zum Abdrucke fertige, jetzt sogenannte Holzstöcke, bilden gewiss nicht den uninteressantesten Inhalt dieser Blätter, und sind geeignet, den Prioritätsstreit zwischen Oberdeutschland und Niederdeutschland über Erfindung und vorzugsweise Pflege jener Kunst mit Einem Male ein Ende zu machen." Diese Stelle habe ich bereits in meinem Bericht über die Leistungen des Stuttgarter literarischen Vereins, im Bulletin du bibliophile belge, I, p. 380. hervorgehoben; sie scheint aber, trotz ihres unverkennbaren Interesses, dem Verfasser dieses Aufsatzes entgangen zu sein. (Anm. des Uebers.)

2) Ueber den h. Christoph s. Molanus, De historia SS. imaginum, lib. II, c. 27; die Encyclopedie catholique, VII, 655; die Revue anglofrançaise, I, 356; Iconographie des Saints. Paris, 1844, in 8. Alfred Maury, Essai sur les légendes pieuses du moyen âge. Paris, 1843, pp. 53, 55, 57, 58, 67, 75. L. J. Guenebaut, Dictionnaire iconographique des monuments, pp. 276–77. Die Attribute der Heiligen. Hannover, 1843, ein Werk, wovon die Herren Morellet und Thomas, Professoren am Kolmarer Gymnasium, eine verbesserte und vervollständigte Uebersetzung versprochen haben. K. Heideloff aus Nürnberg, in seiner Sammlung: Die Ornamente des Mittelalters, 9. Theil 1844, p. 31, Tafel IV, fig. d, beschreibt die Halskette der Brüderschaft zum heiligen Christoph, gestiftet im Jahre 1480 durch den Grafen Wilhelm von Henneberg, und welcher L. Bechstein einige Seiten seines grossen Werkes über die Monumente Frankens und Thüringens zu widmen gedenkt,

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