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Zweite umgearbeitete, durchaus vermehrte, verbesserte
und fortgesetzte Ausgabe.

Zweiter Theil. E-N.

Leipzig,

bei A. F. Böhme.

1839.

Länger als ein Jahrzehend beschäftigt sich der Verfasser mit iesem Werke: freilich nicht mit einer solchen ausschliessenden Eineitigkeit, wie er durch die That bewiesen zu haben glaubt, dass im die klassische Bibliographie der einzige Gegenstand seines Streens geblieben wäre. Diese Arbeit ist ihm eine reiche Quelle freuiger, aber auch sehr betrübender Erfahrungen gewesen: wie und TO, verschweigt er indessen, weil diese Persönlichkeiten keinen beeutenden Einfluss auf das Werk selbst erhielten. Die Sache blieb as einzige und unveränderliche Ziel, um dies möglichst gut zu ewinnen, so umfassend und schwierig auch die Arbeit war. Sie at Beifall und Anerkennung, im Inlande wie im fernen Auslande, ;efunden, wenn auch die Theilnahme nicht so allgemein seyn kann, vie bei einem Werke von allgemeinem Interesse; und namentlich lat ihn das Urtheil der der Sache kundigsten Männer erfreut. Eine Freude, die durch kein Bemühen vorher verdient war, und deshalb ziel werther und befriedigender ist, als eine vorherverdiente. Kunststücke der Art sind dem Verfasser unbekannt; in der litterarischen Welt sollte überhaupt Bestechlichkeit dem Geber wie dem Empfänger eine nie zụ tilgende Schande bringen. Ist etwas zu loben an einem Werke, so werde es gelobt, jedoch nur von dem gewürdigt, der es vermag, d. h. der mit dem Gegenstande vertraut ist, und nicht blos mit der Feder in der Hand, aus dieser oder jener persönlichen Rücksicht gegen den Verfasser, schön klingende Worte und Phrasen auf das Papier malt; enthält dagegen ein Werk Tadelwürdiges, so werde dies durch Gründe, die es in der That sind, indem man sie aus der Sache selbst entwickelt, nachgewiesen, wobei Lessing's, des scharfen aber besonnenen deutschen Kritikers, Lehre wohl zu beachten ist. Das sogenannte Recensionswesen ist schon oft angegriffen, und von Verschiedenen in seinem Unwesen durch Erklärungen, Gegenerklärungen und Antikritiken blos gestellt: und infamirt worden, dennoch sind der Klagen darüber noch nicht weniger geworden. Es könnte wohl anders seyn, und auch anders werden, Eine der neuesten Schilderungen dieses übeln Zustandes in den litterärischen Verhältnissen findet sich in der Zeitschrift: Braga, vaterländische Blätter für Kunst und Wissenschaft, erster Jahrgang, drittes Heft, 1838, p. 377 sq. Wir theilen dieselbe hier mit, weil sie die Beachtung verdient. Und nun dazu die Cotterien, die gegenseitige Lobhudelei, die gehässige Verfolgung! Es ist eine Schmach für den deutschen Namen, dass der Unfug, wie er in unsern Journalen verübt wird, so lange sein Wesen treiben kann. Und ist es etwa unbekannt? Weiss es denn nicht die

wenn

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Nation, wie sie es treiben? wie sie ohne Rücksicht auf die Sac nur die Person ansehen, den Freund bis in den Himmel erhebe um Gleiches von ihm sich thun zu lassen, den Feind aber verf gen, weil er ihnen beim Publicum im Wege steht? *) Gründlichke Eigenthümlichkeit, Eingehen in die Sache, in den Geist und die Te denzen des Schriftstellers diess Alles sucht man vergebens in sern Journalen. Entweder unmässiges Lob, oder ungerechter Tade oder nichtssagende Halbheit! Wahrhaftig! es ist Zeit, es ist ho Zeit, diesem Unfuge mit der entschiedensten Kraft gegenüberzutr ten. Wir wollen den Anfang machen. Auch uns hat man gelo: und wahrlich nicht in solchen Ausdrücken, als wir mit gutem G wissen für uns in Anspruch nehmen, und nicht in solcher Wei wie wir sie vom gründlich Gebildeten erwarten können. Wir wol kein Lob wir sprechen es hiermit für alle Zeit aus — das nic auf der reinsten Ueberzeugung beruht und das sich nicht auf tr tige Gründe zu stützen vermag. Und wenn es so fortginge? was diese Anarchie in der Literatur einerseits und jene gelehrte Peda terie anderntheils sich in die Herrschaft über die geistige Bildu unserer Nation theilten? Wir müssten den litterarischen Ruhm, de wir bis jetzt vor den übrigen Völkern voraus gehabt, das Einzig Bemühn, worin wir uns vor jenen ausgezeichnet wir müsste auch diesen verlieren."

Der hier geschilderte Zustand ist leider eine Thatsache, welch die ganze Welt kennt. Da jedoch der ungenannte Verfasser jenes wal ren Aufsatzes nicht ein allgemein gültiges Mittel bezeichnet, durd welches jener Uebelstand, der sich immer tiefer in das litteras sche Leben frisst, und ein wahrer, d. h. unheilbarer, Krebsschade zu werden droht, beseitigt und allen über lang oder kurz darau entspringenden Folgen vorgebeugt werden kann, so erlaubt sic der Verfasser Andeutungen darüber. Es sollten sich freiwillig Vereine von Gelehrten bilden, deren Aufgabe es wäre, auf al Weise jenem geschilderten Unwesen entgegenzutreten. Am Kräftig sten wäre dies möglich durch ein literarisches Blatt, das auf Koste jedes Vereins begründet würde und erschiene, worin auch jed Vereinglied seine Stimme und Urtheil über gewisse ihm näher be kannte litterarische Erscheinungen und Zustände abzugeben ve pflichtet ist. Das Ganze müsste ein Vorstand leiten, dem auch d Correspondenz, unterstützt durch gewählte Mitglieder des Verei obläge, und zwar unter der strengsten Verpflichtung zur Verschwi genheit über die eingehenden Berichte, damit aller Zwiespalt ve hütet würde. *Solche Bündnisse nur können die Herrschaft d Egoismus vernichten. Denn nicht das unbegründete Lob alle richtet Schaden an, sondern gewiss in einem weit grösseren Maas der Tadel, den Unbefugte drucken zu lassen sich anmaassen. N durch diesen ist der herrschende Zwiespalt in die litterarische We

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*) Zusatz:,, oder weil er den vermeintlichen glücklichen Erfolg einer Al sicht vereitelte, und so der Ehre des Egoismus zu nahe tritt, der sich seine nahen Befriedigung schon freute.“

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gekommen. Der will andere meistern, der selbst kein Zeugniss über seine Tüchtigkeit vorzuzeigen hat. Vor allem ist es nothwendig, eine Annäherung und grössere Einigung zu bewirken; geschieht dies nicht, so wird der klaffende Riss immer grösser werden.

Dann lässt sich vielleicht auch ein anderer Zweck glücklicher als bisher verfolgen: nämlich der Verein der Wissenschaft mit dem Leben. Eine Aufgabe, die zu den Lieblingsthemen unserer Zeit gehört, und zu verschiedenen Untersuchungen veranlasst hat. Die Zeit fordert denselben allerdings, aber wie es scheint, wird durch die Theorie und Nachweisung des Fehlerhaften in den bisherigen - Verhältnissen nichts oder doch nur sehr wenig gewonnen. So wie das Leben selbst jenen Zwiespalt gebildet hat, so wird derselbe auch wieder ausgeglichen, wenn das Gleichgewicht in den wirkenden Ursachen wieder hergestellt ist. Die Wissenschaft und das Leben müssen hier allein wirken durch die ihnen eigenthümlichen Organe. Die Geschichte aller grossen und bedeutungsvollen Veränderungen in der Welt beweist dies. So schätzbar daher alle jene Untersuchungen sind, die einen freien Blick in die Lebensverhältnisse zeigen, so wird ihre Wirkung doch die Hoffnung nicht befriedigen.

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Zu den angefeindeten und verdächtigten litterarischen Bestrebungen gehört in heutiger Zeit vorzugsweise die Bibliographie. Die Ursache dieser Erscheinung liegt nahe. Man sieht nur eben die = Form, und die Geistreichen in allen Dingen messen nur diese mit dem Maasse ihrer eigenen Kräfte. Sie wissen nichts weiter darin zu finden, als was ihnen eine nicht verstandene Aeusserlichkeit zu versprechen scheint. Ohne dass hier ein Kampf pro aris et focis beabsichtigt wird, so soll nur die Sache vor Verdächtigung derer geschützt werden, deren höchste Kraft auch nicht weiter sich zu bewähren vermag, als durch leeres Geklingel aufgeputzter Redensarten, die immer hohle Figuren bleiben würden, wie die sieben egyptischen mageren Kühe, und liessen sie dieselben sogar ein dreifaches, nonum prematur in annum geniessen. Blendeten solche Leute durch ihre Schmähungen nicht, so würde es in der That nicht der Mühe Iohnen, von ihren Bemühungen zu reden. Dass bibliographische Arbeiten einen sehr untergeordneten Werth haben, soll zugegeben werden, = sobald man zu beweisen im Stande ist, dass alles menschliche Streben ohne Ausnahme, zur Thatsache geworden, vermöge seiner Form Eder Aeusserlichkeit allein, ohne je einen höheren Werth zu haben oder zu erhalten, angehört. Man verstehe nur erst die Erscheinung in seiner Form, worüber freilich die Geistreichen in `dem leichtsinnigen Spiele mit den bunten Bildern ihrer Rede ganz unbekümmert zu den Höhen ihres Weltgeistes empor sich heben, oder zu den Tiefen = geistiger Grösse hinabsteigen, um zu sehen, ob sie etwas an diesen grossen Gütern der Menschheit für sich gewinnen können. Es liegt ja wohl in allen stetigen Erscheinungen eine höhere, geistige Bedeutung im wahren Sinne, und den Bemühungen um das klassische Alterthum namentlich gebührt ohne Zweifel ausschliesslich der Ruhm, ein so durchdringendes Licht bewirkt zu haben, dass die tief

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