Page images
PDF
EPUB

zustellen. Will man bei dem Leser für irgend einen Zeitpunkt ein Bewusstsein des Charakters der Elektricitätslehre hervorrufen, so läuft man anderseits Gefahr, die chronologische Schilderung der einzelnen Partien in zu viele Theile zu zerreißen, wodurch der Leser von einzelnen Partien keinen Gesammteindruck, sondern gleichsam ein Mosaikbild erhält.

Obwohl ich bestrebt war, ersterer Richtung so viel als möglich Rechnung zu tragen, so konnte ich mich an vielen Stellen doch nicht entschließen, den Zusammenhang ganz zu trennen, so z. B. bei der Geschichte der Telegraphie.

Die Quellen, aus denen ich geschöpft, habe ich an den betreffenden Stellen genau angegeben und habe mich auch bemüht, für die einzelnen Partien eine reichhaltige Literatur zusammenzustellen, in welcher der freundliche Leser dasjenige zu finden imstande ist, was er zu allfälligen Specialstudien braucht.

Die Verlagshandlung hat in zuvorkommendster und liberalster Weise mein Unternehmen durch eine gefällige Ausstattung nnd durch die Herstellung zahlreicher Holzschnitte unterstützt. Indem ich dieses Werkchen der Öffentlichkeit übergebe, glaube ich nur noch hervorheben zu müssen, dass mein Hauptzweck bei Abfassung desselben war, eine historische Darstellung zu liefern, welche dem allgemeinen Verständnisse keine großen Schwierigkeiten bietet.

Möge meine Arbeit hinter meinem Wollen nicht gar zu weit zurückgeblieben sein!

Graz, im Jänner 1885.

Der Verfasser.

P. S. Mehrere Monate nach Ablieferung meines Manuscriptes an die Verlagsbuchhandlung und während der Drucklegung meines Werkes erschien bei Hartleben eine Geschichte der Elektricität von Dr. Gustav Albrecht, was ich mit Rücksicht auf meine im Jänner geschriebene Vorrede bemerken muss.

Graz, im November 1885.

Dr. E. N.

I. Abschnitt.

Von den ältesten Zeiten bis zur Entdeckung des Galvanismus.

Die ältesten Beobachtungen.

§. 1. Die Lehre von der Elektricität ist erst in der Neuzeit zu einem wissenschaftlichen Systeme gelangt und hat erst im Laufe der beiden letzten Jahrhunderte jene Bereicherungen erfahren, welche diesen Zweig der Physik zu dem Range einer selbständigen Wissenschaft erhoben und zugleich eine so vielseitige Anwendung dieser geheimnisvollen Naturkraft im praktischen Leben möglich machten. Obgleich die Resultate und die sich rasch folgenden Entdeckungen auf diesem Gebiete in unseren Tagen jeden Gebildeten mit Staunen erfüllen müssen, sind doch fast zwei Jahrtausende ohne merklichen Fortschritt verflossen seit jener Zeit, wo Thales von Milet, der Gründer der jonischen Philosophie, 600 Jahre vor Chr. G., die erste elektrische Erscheinung beobachtete, nämlich, dass Bernstein durch Reiben die Eigenschaft erlange, leichte Körperchen anzuziehen. Dieser Versuch setzte den griechischen Philosophen so sehr in Erstaunen, dass er den Bernstein für einen belebten Körper hielt.

Theophrast, von Eresus auf Lesbos, der berühmteste Mineralog des Alterthums, welcher 300 Jahre nach Thales lebte, beschreibt1) mit dem größten Erstaunen diese Erscheinung und erwähnt eine gleiche Eigenschaft von einem Edelsteine, welcher unter dem Namen Lynkurion aufgeführt wird, worunter nach der Ansicht einiger der Turmalin, nach anderen der Hyacinth (Zirkon) zu verstehen ist. Da der Turmalin durch Reiben nur schwach oder gar nicht elektrisch wird, da ferner dem Theo

Netoliczka, Geschichte der Elektricität.

1

phrast es kaum entgangen wäre, dass dieses Mineral durch Erwärmung jene anziehende Kraft erhalte, wovon er nichts erwähnt, so bleibt diese Annahme immerhin unbegründet. Theophrast erzählt von jenem Lynkurion, dass es nicht nur Strohhalme und kleine Holzsplitter, sondern auch kleine Eisen- und Kupfertheilchen anziehe, wenn man es nur gehörig gerieben hat. Plinius, Strabo, Dios korides, Plutarch und andere alte Schriftsteller erwähnen der nämlichen Erscheinung. 2) Plinius erzählt auch von einem Steine, den er carbunculus nennt, dass er sowohl durch Reibung, als durch Sonnenwärme die Eigenschaft erlange, leichte Körperchen anzuziehen.

Auf dieses geringe Maß beschränkt sich die ganze Kenntnis von der Elektricität, welche sich überhaupt bei den Alten vorfindet. Im Verlaufe vieler Jahrhunderte geschah gar nichts, später beschränkten sich die Bemühungen der Naturforscher bloß auf die Aufsuchung der verschiedenen elektrischen Körper, und man entdeckte noch die gleiche Eigenschaft, wie am Bernstein, an der mit dem Namen Gag at bezeichneten Pechkohle.

Entdeckungen Gilberts im 17. Jahrhundert.

[ocr errors]

§. 2. Mehr als zwei Jahrtausende mussten verfließen, ohne dass auf diesem Gebiete ein Schritt vorwärts gemacht worden wäre. Erst am Schlusse des 16. Jahrhundertes erfährt die Kenntnis der elektrischen Erscheinungen eine wesentliche Erweiterung. Der Engländer Wilhelm Gilbert, Leibarzt der Königin Elisabeth, welcher im Jahre 1600 ein Werk über den Magnet" veröffentlichte 3), gelangte durch zahlreiche Versuche zur Überzeugung, dass außer Bernstein und Gagat noch viele andere Körper, insbesondere der Diamant, Saphir, Rubin, Opal, Amethyst, Beryll, Bergkrystall, verschiedene Spathe, Glas, Schwefel, Mastix, Siegellack die Fähigkeit erlangen, leichte Körper anzuziehen. 4) Dabei machte er die Beobachtung, dass die elektrischen Erscheinungen bei trockener Luft, nördlichen und östlichen Winden stärker hervortreten, als bei feuchter Luft und bei südlichen Winden.

Es schienen ihm ferner einige Körper mehr, andere weniger elektrisch zu sein. Um dieses zu zeigen, legte er eine den

« PreviousContinue »