Page images
PDF
EPUB

überziehen, so gab die Flasche einen viel stärkeren Schlag als zuvor, auch brauchte man sie nicht mit der Hand anzufassen, sondern sie nur mit einem in der Hand gehaltenen Drahte zu berühren, wenn man den inneren Draht mit der anderen Hand ergriffen hatte. „Das war ein wichtiger Schritt zur Vervollkommnung der Leydnerflasche," sagt Poggendorf, aber doch nur ein halber, denn damals sah weder Watson noch Bevis ein, dass es auf die Größe der inneren Berührungsfläche ankommt.“

י ע

Neben Watson ist vorzüglich Wilson zu nennen, welcher das Gesetz aufstellte, dass die Elektricität bei einer Flasche direct proportional sei der Oberfläche des leitenden (unelektrischen) Körpers und umgekehrt proportional der Dicke des Glases.

Von einer richtigen Theorie der Leydenerflasche konnte überhaupt keine Rede sein 34), so lange man nicht ahnte, dass man es hier mit entgegengesetzten Elektricitäten zu thun habe.

Während dieser Zeit experimentierten auch die Franzosen sehr eifrig, besonders der Abt Nollet. 35) Er ließ in Gegenwart des Königs von Frankreich den elektrischen Schlag durch eine Reihe von 180 Gardisten gehen, welche denselben alle zu gleicher Zeit empfanden. Auch versuchte er durch den Schlag kleinere Thiere zu tödten. Der erste Schlag hatte einen Sperling nur betäubt, und das Thierchen erholte sich nach einigen Minuten wieder, aber ein zweiter Schlag raubte ihm das Leben.

Nollet hatte bereits die Ansicht, dass das Wasser in der Flasche dazu diene, die Elektricität an die Innenseite des Glases zu bringen.

Auch der Leibarzt des Königs Ludwig XVI. Louis Guillaume Le Monnier beobachtete einige wichtige Thatsachen. 36) Er entdeckte nämlich, dass eine geladene Flasche einige Zeit hindurch ihre Kraft behält, dass eine Flasche nicht geladen werden könne, wenn man sie auf eine trockene Glastafel stellt, oder sie überhaupt isoliert, daß man bei einer geladenen Flasche, welche man nach dem Laden isoliert hat, keinen Schlag bekommt, wenn man bloß den inneren Draht anfasst, dagegen einen Schlag erhält, wenn man diesen und die Außenseite der Flasche anfasst, dass endlich, wenn man den Draht einer geladenen und isolierten Flasche berührt, die Außenfläche der Flasche elektrisch wird und leichte Körper anzieht.

Versuche zur Ermittlung der Geschwindigkeit der Elektricität.

§. 11. Die Franzosen und Engländer, jene etwas früher, begannen nun Versuche, um zu ermitteln, in welche Entfernung sich die Elektricität fortleiten lasse und mit welcher Geschwindigkeit sie sich bewege. Doch wurden erstere von letzteren darin bald bedeutend überflügelt.

Le Monnier schloss eine geladene Leydenerflasche durch einen Eisendraht von 2000 Toisen Länge, der ohne isoliert zu sein, auf dem Erdboden lag, und fand, dass sich der elektrische Schlag ungeschwächt durch diesen Draht fortpflanzte. Einen sehr interessanten Versuch machte er im Tuilerien-Garten am Ufer eines Teiches, indem er das Wasser desselben zu einem Theile der Verbindungskette machte. Der Draht wurde neben dem Ufer längs des halben Umfanges dieses Teiches geführt; das eine Ende hielt eine Person mit der einen Hand, indem sie die andere in das Wasser steckte. Das zweite Drahtende hielt Le Monnier, während er mit der zweiten Hand die geladene Flasche hielt. Wurde nun der vom Inneren der Flasche ausgehende Draht an den Knopf eines in das Wasser getauchten Degens gebracht, so erhielt die Person in diesem Augenblicke einen Schlag.

Watson, angeregt durch Le Monnier's Versuche, leitete am 14. und 18. Juli 1747 den elektrischen Schlag quer über die Themse. Über dem Wasser, der Länge der Westminsterbrücke nach, wurde nämlich ein Draht befestigt, von dem das eine Ende an dem Überzuge einer geladenen Flasche befestigt war, während das andere Ende von einem Beobachter gehalten wurde, der mit der anderen Hand einen Eisenstab in den Fluss tauchte; auf der entgegengesetzten Seite des Flusses stand ein zweiter Beobachter, welcher ebenfalls einen Eisenstab in den Fluss tauchte, mit der anderen Hand aber mittelst eines Drahtes die zur Innenfläche der Flasche führende Metalleitung berühren konnte. Der Schlag wurde von beiden Beobachtern zugleich empfunden. Bei folgenden Versuchen zu Lande isolierte man die Beobachter, indem man sie auf schlechte Leiter stellte, und

führte den Draht an trockenen Stäben fort. Der Erfolg war, dass die Beobachter den Schlag stärker empfanden, als wenn der Draht auf dem Erdboden lag und die Personen ebenfalls unmittelbar auf dem Erdreiche standen.

Sehr bemerkenswert bleibt es, dass man damals schon die Erdleitung entdeckt hatte, da man bei sonst ungeänderter Anordnung den Versuch machte, die Eisenstangen statt in Wasser in das Erdreich zu stecken.

Das Resultat der im Jahre 1748 mit großem Eifer fortgesetzten Versuche war, dass der Entladungsschlag einer Flasche eine Drahtleitung von beiläufig einer halben geographischen Meile mit unmessbarer Geschwindigkeit durchlief. 37)

Verschiedene Experimente.

§. 12. Nebstdem wurden noch verschiedene Experimente gemacht, welche theils frühere Beobachtungen bestätigten, theils zu neuen Entdeckungen führten.

Watson empfand das Ausströmen der Elektricität an dem Ende eines Drahtes wie einen kühlen Windhauch. Ferner bemerkte er, dass leichte Körperchen zwischen einer elektrisierten und einer mit dem Fußboden in Verbindung stehenden Platte rasch angezogen und wieder abgestoßen wurden.

77

Le Monnier, der jüngere, berichtet, dass die Elektricität den Körpern von einerlei Art nicht im Verhältnisse ihrer Massen, sondern vielmehr im Verhältnisse ihrer Oberflächen mitgetheilt werde, jedoch so, dass alle gleichen Oberflächen nicht gleiche Quantitäten von Elektricität bekommen, sondern dass diejenigen am meisten erhalten, welche sich mehr in die Länge erstrecken.“38)

Der Abt Nollet beobachtete häufig, dass nicht isolierte Körper, wenn sie in die elektrische Atmosphäre eines andern gebracht wurden, Zeichen der Elektricität äußerten. Hierbei war aber Nollet von dem Irrthum befangen, dass die genäherten Körper dann die Elektricität von gleicher Art wie der elektrische Körper besäßen.

Derselbe Naturforscher bemerkte auch in der Nähe einer durch Reiben elektrisierten Glaskugel oder Glasröhre auf seinem

Gesichte eine Empfindung, als ob dieses in ein Spinngewebe gerathen wäre; ebenso macht er bereits auf einen gewissen Geruch aufmerksam. 39)

In Deutschland und England hatte man damals zu wiederholten Malen die Beobachtung gemacht, dass, wenn die Person, welche das Reiben der Kugel verrichtete, auf einem isolierenden Körper stand, beim Anrühren der Person Funken herausfuhren. Diese Versuche, besonders jene von den deutschen Professoren Strömer und Klingenstierna findet man in den Abhandlungen der königl. schwedischen Academie der Wissenschaften vom Jahre 1747 verzeichnet.

Noch mehr Staunen erregte in demselben Jahre ein Bericht des Benjamin Cooke von der Insel Wight an die königl. englische Societät in London, dass er an wollenen Kleidern, nachdem man sie ausgezogen hatte, Zeichen der Elektricität bemerkt habe.

1

Ähnliche Erscheinungen sind allerdings schon ein Jahrhundert früher beobachtet worden, aber man ahnte damals noch nicht, dass sie von der Elektricität herrühren. Bartholin meldet nämlich im Jahre 1647 in einem Werke, 40) dass aus dem Körper des Herzogs zu Mantua Carl Gonzaga, wenn man ihn gelinde gerieben hatte, Funken herausfuhren. Simpson erzählt im Jahre 1675 in einer Abhandlung über die Gährung, dass er beim Streichen mancher Thiere, z. B. einer Katze, beim Striegeln eines Pferdes und beim Durchkämmen der Haare einer Frau, ein eigenthümliches Licht wahrgenommen habe. 41)

Benjamin Franklin.

§. 13. Während die Gelehrten in Europa die verschiedensten elektrischen Erscheinungen beobachteten, verfolgte Benjamin Franklin, geboren zu Boston in Nordamerika am 17. Jänner 1706, in Amerika meist einen selbständigen Weg. Franklin gehört unstreitig zu jenen wenigen Menschen, welche ungeachtet der ungünstigsten Verhältnisse ihren Wissensdurst zu befriedigen suchen, und deren Talent sich doch endlich Bahn bricht. Derselbe Mann, welcher in seiner Jugend zum Lichterziehen und

[graphic]
« PreviousContinue »