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Altstadt in Masse erheben, und alle Fremden tödten. Wolsey, des Königs Günstling und Minister, hievon in Kenntniß geseßt, benachrichtigte den Lord-Mayor von dieser schwierigen Stimmung der Bürger, der seine Collegen und Unterbeamten noch am selben ersten Maitag zu Guildhall versammelte, um über die zweckmäßigsten Maßregeln, den Tumult zu unterdrücken, zu rathschlagen. Einer der Aldermen hielt für das Beste, zu befehlen, daß Jedermann seine jungen Leute und Dienerschaft zu Hause halte, der Cardinal billigte diesen Vorschlag mit dem Zusage, bis sieben Uhr des Morgens sollte von obigen Personen Niemand seine Wohnung verlassen. Mit diesem Befehl des königlichen Rathes kamen der Recorder, Sir Richard Brooke und Sir Thomas More, neulich Untersheriff und nachher königlicher Rath 3), zur Guildhall 4), und zeigten denselben vor. Sofort schickten die Aldermen in ihre Abtheilungen die Weisung: Niemand solle sich nach neun Uhr aus seinem Hause rühren, sondern Jeder seine Thüre verschließen, und sein Gesinde innen behalten bis Morgens sieben Uhr. Der Aldermen Mundy, welcher einen Widerspenstigen ins Gefängniß schicken wollte, ward von der tobenden Menge zur Flucht genöthigt. Auf das auffordernde Geschrei der jungen Leute drangen aus allen Thüren mit Knitteln 2c. Bewaffnete hervor; es erhob sich das Volk in den verschiedenen Quartieren der Stadt, zu welchem sich noch mehr loses Gesindel gesellte. Jeßt wurden die Gefängnisse gestürmt und erbrochen, und Jene befreit, welche der Lord-Mayor wegen Beschädigung der Fremden verhaftet hatte. Der Mayor selbst und die Sheriffs geboten zwar Ruhe in des Königs Namen, aber Niemand gehorchte. Ein Haufe lief durch die Fleischbänke von St. Nicolas und zum St. Martins Thor;

hier stieß Sir Thomas More und andere auf denselben. Er bat die Menge dringend und in beredten Ausdrücken, Ruhe zu halten, und sich heim zu begeben, und schon war es ihm und seiner Umgebung fast gelungen, sie zum ruhigen Auseinandergehen zu bewegen, als ein anderer Pöbelhaufe aus St. Martin Steine und Prügel warf, wodurch verschiedene achtbare Personen, welche mit Sir Thomas, das Volk zu beruhigen, gekommen waren, beschädigt wurden; ein Wurf traf einen gewiffen Nicolaus Denis, einen Gerichtsdiener 5), der schwer verwundet wüthend schrie: «Nieder mit ihnen!» — Nun stürmte alles unordentliche Volk die Thüren und Fenster von St. Martin, plünderte fast alle Häuser, und begann mannichfaltige Ausschweifungen. Hierauf liefen sie zum Hause des Picarden Meutas, woselbst mehrere von dess sen Landsleuten wohnten, die sie mißhandelten und ausplünderten, und hätten sie Meutas selbst getroffen, so würden sie ihm ohne Zweifel den Kopf abgeschlagen haben, so sehr war die Volkswuth wider ihn entbrannt. Andere stürmten nach Blanche chapleton, brachen in die Häuser der Fremden, und warfen dort Schuhe, Stiefeln 2c. auf die Straße heraus. So fuhren sie fort bis drei Uhr Morgens, um welche Zeit sie anfingen, sich zurückzuziehen. Viele der Aufrührer wurden jezt erst vom Mayor und andern städtischen Beamten festgenommen und in die Gefängnisse geworfen. Doch entkamen junge Geistliche, Matrosen und Bediente, die Lehrbursche aber wurden meist verhaftet. Um fünf Uhr kamen die Grafen von Shrewsbury und Surrey mit ziemlicher Kriegsmacht in die Stadt, doch der Aufruhr war der Hauptsache nach bes reits gestillt.

More muß sich auch noch längere Zeit nach diesem

Ereignisse im Dienste der Stadt London befunden haben, denn als der Cardinal Laurentius Campeggio im Jahre 1518 nach England kam, um zum Kriege wider den Erbfeind der Christenheit, den Türken, zu ermahnen 6) und am neunzehnten Julius seinen feierlichen Einzug in die Stadt London hielt; war ihm die Clerisey mit Kreuzen, Rauchfässern und Kelchen entgegen gezogen. Auch der Lord - Mayor, die Aldermen und alle städtischen Behörden standen in ihren Staatskleidern in den Straßen, und erzeigten ihm große Ehre, Sir Thomas aber empfing ihn im Namen der Stadt mit einer kurzen Rede in lateinischer Sprache 7).

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Doch schon nahete der Zeitpunkt, welcher More'n seinem städtischen Amte entreißen sollte! Die Veranlassung aber zu seinem Uebertritt in königliche Dienste war, nach Ropers Bericht, folgende:

Ein päpstliches Schiff war zu Southampton angelangt und vom Könige, als in Strafe verfallen, hinweggenommen worden. Des Papstes Legat gab sich alle Mühe, beim Könige auszuwirken, daß die Angelegenheit in Betreff des bereits confiscirten Schiffes durch ein eigenes Gericht untersucht werden möchte, was ihm gern bewilligt ward. Nun erbat er sich zur Vertheidigung der Sache des päpstlichen Schiffes einen in den Landesgesehen wohlbewanderten Rath, so wie die öffentliche Verhandlung des Prozesses in seiner Gegenwart; denn er war selbst ein großer Rechtsgelehrter und deshalb begierig, das englische Verfahren in Rechtssachen kennen zu lernen. Hiezu wurde More ausersehen, dessen Gewandtheit in der lateinischen Sprache ihn in den Stand seßte, dem Gesandten die während der Verhandlung in englischer Sprache anzuführenden Gründe und Gegen

gründe befriedigend zu erklären.

Alsdann ward in der Sternkammer in Gegenwart des Lord - Kanzlers und anderer Richter eine Sihung über diese Angelegenheit ge= halten, woselbst Sir Thomas dem Legaten nicht nur das Wesentliche der verschiedenen Meinungen auseinanderseßte, sondern auch in Vertheidigung der päbstlichen Parthei so gelehrt, gründlich und nachdrucksam verfuhr, daß das verfallene Schiffsgut wieder herausgegeben wurde, und er bei allen Anwesenden wegen seines aufrichtigen und lobenswürdigen Benehmens großen Ruhm sich erwarb.

Jezt war für des Königs Absichten auf More der schickliche Moment gekommen. Heinrich VIII. erklärte seine feste Willensmeinung: Wie er nicht gesonnen sey, des Sir Thomas Lalente zum Behufe des königlichen Dienstes länger zu entbehren, und gab weder Bitten noch Weigerungen und andern entschuldigenden Gründen ferner Gehör 8).

So war nun More gänzlich wider seinen Willen an den Hof Heinrichs VIII. gekommen. Sein Geschick rief ihn auf einen erhabenen Posten, und seine ausgezeichneten Fähigkeiten brachten ihn zu den höchsten Ehrenstellen des Reichs, welche er, gleich einer lästigen Bürde, freudig ablegte, um mit desselben Königs Ungnade beladen, unerschrocken dem Lode für seine Ueberzeugung entgegen zu gehen.

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2) Hume, IV. p. 426. giebt die Zahl der Flamänder allein auf 15,000 an.

3) Worte Hall's 1. cit.

4) Um halb oder etwas vor 9 Uhr.

5) Hall nennt ihn Dounes; sergeant at armes.

6) Polydor. Verg. p. 1655. zum Jahre 1518. Siehe Hall, fol. LXIV. b., wo die Beschreibung des Einzugs, - to whom (Compeggio) Sir Th. More made ́a brief oracion in the name of the citee, weshalb ich schließe, daß er noch in städtischen Diensten war.

7) Diese Ankunft des Cardinal - Legaten, Campeggio, bestimmt auch die Zeit des gleich nachfolgenden Ereignisses, in Folge welchem More an den Hof gezogen wurde, also nach dem Julius 1518; denn kaum ist zu zweifeln, daß der päpstliche Legat, bei Roper, p. 32., der a singular civilian genannt wird, ein und dieselbe Person mit Campeggio sey, von dem Polydor. 1. cit. berichtet, (nachdem er von dessen Zweck der Sendung nach England im J. 1518 geredet) Laur. Campegius, homo Bononiensis, inter juris consultos juris consultissimus, vir paratus etc. Siehe dagegen über More's Eintritt in Heinrichs VIII. Dienste, folgende Briefe in der Erasmischen Correspondenz.

Brief des Erasm. an Wilh. Nesen, d. d. Lovanio 17. April 1517. Ac Morus ipse totus est aulicus, Regi semper assistens, cui est a secretis. Erasm. opp. III. II. 1600. C. Appendix. Aber Ende April war der Aufruhr der aprentis.

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D.

Brief des Erasmus an Tunstall, III. II. p. 1680. A. B. d. d. Lovan. 24. April 1518, und ibidem, p. 1693. 94. A Erasm. an More, Lovan. 1518.

Erasmus an Paul Bombasius, d. d. Basileae 26. Juli 1518. III. I. p. 402. D.

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