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Es bestehen diese Vorübungen aus einer Anzahl gries chischer Epigramme 18), von welchen jedes einzelne in demselben Versmaaße durch beide, More und Lilly, ins Latein übertragen wurde. Die Vergleichung dieser wetts eifernden Ueberseßungen eines und desselben Thema's, erweist die große Gewandtheit More's und seines Freun des in der lateinischen Sprache und ihre nicht gemeine Kenntniß des Hellenischen.

Das durch solche Lehrer und Freunde angeregte und eifrig fortgesette Erlernen der klassischen Literatur blieb fortan More's Lieblingsbeschäftigung. Sein Geist hatte nun eine Richtung erhalten, nach welcher hin er sich rastlos, und nicht geirrt durch Hindernisse, fortbewegte: denn troß seines Vaters Widerwillen gegen diese Art von Studien 19), troß der vielen Geschäfte, denen er sich im Dienste des Königs unterziehen mußte, widmete er gleichwohl so manche Stunde den geliebten Wissenschaften 20). Was würde er, auf einem so schönen Pfade begriffen, erst ges leistet haben, hätte er ausschließend denselben verfols gen können 21)?

Nebst den klassischen Sprachen betrieb More auch noch die Rhetorik und Scholastik 22) mit gutem Ers folge, und bewies dadurch, wie Vieles ausgezeichnete Fäs higkeiten, mit dem gehörigen Fleiße gepaart, hierin leisten können 23). Den Stoff zu rhetorischen Arbeiten lieferten ihm seine Freunde, die Alten, und seine große Klarheit und Besonnenheit hat ihn nachmals zum vorzüglichsten Redner aus dem Stegreife gebildet. Die Scholastik aber, mit all ihrer Spißfindigkeit, wie sie durch das ganze Mittelalter und vorzugsweise im funfzehnten Jahrhunderte betrieben wurde, benußte er als Waffe, in freundschaftlichem Streite seine Behauptungen zu vertheidigen, und er

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langte nachmals

einen so guten Grund hatte er wäh rend seines Aufenthaltes zu Orford in dieser Kunst des Disputirens gelegt - darin eine vorzügliche Stärke 24). Sein natürlicher Scharfsinn, im Vereine mit diesen fortgesezten Disputir-Uebungen wurde späterhin, vorzüglich bei seinen Kämpfen zur Vertheidigung des alten Kirchenglaubens, den Gegnern desselben höchst furchtbar. Die Dialectik der Scholastiker, nach welcher sich More ausbildete, behandelte meist Gegenstände des theologischen Wissens 25), welches alle andern Zweige verschlungen hatte. Dies Unterordnen aller Gelehrsamkeit unter die herrschende Theologie blieb auch selbst dann noch, als bereits die schönen Wissenschaften durch ganz Europa sich auszubreiten anfingen. Weil man die Kenntniß der ges lehrten Sprachen als leßten Zweck aller Anstrengung betrachtete, so konnte für das Höhere der Wissenschaft nur wenig gewonnen werden, und man blieb, das Sprachstudium abgerechnet, noch lange Zeit auf dem alten herkömm lichen Pfad. Deshalb erhielt sich More, schon im väterlichen Hause an die damals herrschenden religiösen Ideen gewöhnt, und nach ihnen erzogen, durch die Scholastik im fortwährenden Verharren in denselben: wie denn Erass mus ausdrücklich bezeugt, daß er als Jüngling und angehender Mann der Theologie mit Fleiß und Glück sich gewidmet 26). Sie entsprach seinem Hange zur Beschaulichkeit, und darum wurde sie gleichmäßig mit den klassischen Sprachen aus- und fortgebildet; ja, dieser Umstand ist für sein tragisches Ende von höchster Wichtigkeit, weil er nicht etwa erst in fremde Kreise sich werfen mußte, als des Königs Aufforderung im Betreff der Ehescheidungsfache an ihn erging, sondern in einem von Jugend auf ihm wohlbekannten Elemente sich bewegte 27). Auch in

der Mathematik legte More wohl während seines Aufenthaltes zu Orford einen guten Grund 28).

Alle diese scientivischen Bestrebungen des Thomas More förderte ein ungemeiner Sinn und Eifer für Wahrheit. Der Ernst, mit welchem er seine Studien betrieb, die entschiedenen Lalente für die Wissenschaften suchten nur ein Ziel: überall das Wesentliche der Sas che auf dem kürzesten Weg, den jederzeit das Genie einzuschlagen weiß, zu erreichen und sich anzueignen. Solch gründliches Treiben bürgte dafür, daß das einmal für wahr Erkannte mit Festigkeit, ja, wenn die Sache es erheischte, bis zum leßten Hauche von ihm behauptet werden würde.

Solchergestalt hatte More die Zeit seines Aufent haltes zu Orford benüßt. Reich ausgestattet mit Kennts nissen, so gut sein Zeitalter und seine Umgebung sie zu bieten vermochte, und um dieser sowohl, als um seines vortrefflichen Charakters willen geachtet und geliebt von seinen Lehrern, die seine Freunde waren und blieben, verließ er die Universität, um fortan auf der Hochschule des Lebens die Früchte seines Fleißes und seiner Lalente reifen zu lassen. Hauptsächlich widmete er sich dem Rechtsfache, wozu ihn, im Widerspruche mit seinen Neigungen, die Liebe und der Gehorsam gegen den Vater vermochte.

Anmerkungen.

1) Roper, II. p. 27.

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More, p. 11. Ob More im Canterbury College (später Christ - College) oder in St. Marys-Hall gewohnt, ob vielleicht abwechselnd in beiden, darüber siehe Biogr. Brit. V. p. 3157. I. Hoddesd. p. 4. Wood Athen. Oxon. bei Hearne pag. XXIX. In welchem Alter More Orford bes zogen, wird deshalb nicht leicht bestimmbar, weil uns der Halt= punkt, More's Geburtsjahr, fehlt. Nach der gewöhnlichen Annahme soll er 1497 nach Orford gekommen, und wie More p. 12. will, 2 Jahre daselbst geblieben seyn.

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2) Staplet, p. 5. col. 1. in fine.. quod adeo stricte observavit (pater Mori), ut nec ad reficiendos attritos calceos, nisi a patre peteret, pecuniam haberet. More, p. 12.

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3) Staplet. p. 5. col. 2. init. More, 1. cit.

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4) Im J. 1483. Siehe Knight, Leben Colets, übers. von Arnold, p. 29.

5) Knight, Leben Colets, übers. v. Arnold, p. 29. 30. mit den Noten x. y. z. wo aus Erasmus die Beweise.

6) Edw. Gibbon, the history of the Decline and Fall of the Roman Empire. Leipsick 1821. 8. Vol. XII. p. 114, 115. cum not. 114, 115.

7) Erasm. Epist. Henrico Bovillo (bei Knight, Leben Colets, übers. v. Arnold, p. 34. not. f.) "progressu temporis accesserunt bonae literae. »

8) Ueber Grocyn, Brief Will. Latimers an Erasm. d. d. oxoniae 30. Januar 1518. (Erasmi opp. III. P. I. p. 294.) - Georg Lilii, Elogia quorundam Anglorum, bei Knights Leben Colets (Arnold) p. 39. not. t. Staplet. c. II. p. 8. col. 1 et 2. Jöcher, II. p. 1190. Allgem. hist. Lexicon II. p. 657. col. Fortseßung, p. 603. col. 1. Er starb 1522. Sein

1. in fine.

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Testament in Knights Leben des Erasmus übers. von Arnold. Lpig. 1736. Miscell. pag. 17. 18. Nro. VI.

Ueber Thom. Linacre. Th. More's Brf. an Dorpius d. d. Brugis 21. Octobr. 1515.; in Mori opp. p. 284-301. u. hier p. 298. col. 1. Staplet. p. 5. col. 1. Arnold (Knight, Colets Biogr. Brit. Artik. Linacre. ling, Historie der Gelahrheit, p. 2619. 2621. cum nott.

Leben) p. 39. not. u.

Gund.

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gem. hist. Lexicon, III. p. 192. col. 2. in fine. Fortse hung, p. 807. col. 2.- Jöcher, II. 2442. p. Rottermund, III. p. 1839. Linacre starb 1524 am 24. October, wogegen Linacre's Epitaph bei Knight, Leben des Erasm. überseßt von Arnold, p. 27. Nro. XI. der Miscellaneen den 20. Octob. 1524 giebt.

9) Ueber William Lilly, der nicht mit seinem Sohne, Gg. Lilly, verwechselt werden muß; siehe Knight, Leben Colets, übers. v. Arnold, p. 341. 342. not. a. und daselbst p. 40. not. w. Gund. ling, Geschichte der Gelahrtheit, p. 2740. ricon, III. p. 189. col. 1. mund, III. p. 1829.

Jöcher, II.

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Allgem. hist. Les

p. 2439. Rotter

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10) Knight, Colets Leben, übers. v. Arnold, p. 34. Auch von Grocyn und Will. Latimer profitirte Erasmus.

11) Vom Aristoteles das opus meteorologicum, siehe Brief an Dorpius, in Mori opp. p. 298. Erasm. Brief an Hutten. « Unde adolescens etiamnum dialogum moliebatur, in quo Platonis communitatem ad uxores usque defendit. Staplet. p. 8. col. 2.

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12) Das Lesen des Galenus bewog ihn, sich auf Medicin zu verlegen. Er war der Lehrer des Prinzen Arthur, später könig. licher Leibmedikus.

13) Erasm. Brief an Hutten.

14) Utopia, edit. v. 1518. p. 117.
15) More's Brief an Colet

tu abes. etc.

vitae meae magister, dum

16) Ibidem, charissimus rerum mearum socius.

17) Beat. Rhenan. Vorrede zu den Epigrammen Mori, Edit. . 1518. p. 170.

18) Es sind deren, nach der eben citirten Edition 18, (gr. Epigramme). Hier Eines zur Probe: p. 174.

Οίνος, και τα λοετρα, και ἡ περι κυπριν έρωη,

ὀξυτερην πεμπει την ὁδον εις αηδιν (sic.).

T. Mori. De Luxu et Libidine.

Si quis ad infernos properet descendere manes,
Huc iter accelerant, balnea, vina, Venus.
G. Lillii.

Nos caligantis rapiunt ad tecta tyranni,

Praecipiti cursu, balnea, vina, Venus.

19) Epist. Erasmi ad Hutt.

20) Ibidem, ad literas adamatas subinde redit.

21) Erasm. Brief an Froben vor der Utopia, Edit. von 1518. Quid tandem non praestitisset etc.

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