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der Leibwache. So bewegte sich der Zug vorwärts gegen die Stadt. Der lord - Mayor, John Milburne, und seine Collegen, in rothen Scharlach-Kleidern und wohl beritten, zogen den Monarchen entgegen, und der Ritter Sir Thomas More hielt eine zierliche Rede zum lobe der beiden Fürsten, pries die Eintracht und liebe zwischen ihnen, und welch ein Trost dieses für ihre Unterthanen rey, sie in solcher Freundschaft vereint zu erblicken. Der Lord - Mayor und die gesammte Bürgerschaft erbiete sich zu jeder Dienstleistung, welche in ihren Kräften stehe.

Franz I. und Carl V. fannten durch diese Festres den den Sir Thomas persönlich, und hatten seitdem sowohl, als auch durch dessen spätere diplomatische Laufbahn die günstigste Meinung von dessen Talenten gefaßt, wie dies die theilnehmenden Aeußerungen beider Monarchen auf die Nachricht von seiner Hinrichtung zur Genüge bes weisen.

Als nach der, für den König Franz so unglücklis chen Schlacht bei Pavia Heinrichs Eifersucht auf Carlo V. Uebermacht erwachte, und er sich deshalb dem französischen Cabinette zu nähern suchte, kam im Sommer des Jahres 1525 eine Gesandtschaft der Königin Mutter und Regentin, bestehend aus dem ersten Präsidenten des Parlaments von Rouen, Sean Brinon und Johann Joacchino von Bassano 19), nach Greenwich zum Könige, und Brinon hielt vor Heinrid VIII. und seinen Edlen eine Feier-Rede in lateinischer Sprache, in welcher er das Fürchterliche des Krieges zwischen England und Frankreich auseinanderseßte, und wie großen Verlust Frankreich durch denselben erlitten. Er sprach Todann von König Heinrichs gewaltiger Macht, und welche Erobes rungen er hätte machen können, da Franz in Haft sey. Am Schlusse' dankte er dem Könige . für das Mitleid, welches er in ihrer Noth bewiesen, und daß er jeßt zum Frieden geneigt sey.

Sir Thomas More antwortete auf diese Rede fols gender Gestalt:

Sehr erfreue es den König, seinen Herrn, daß sie erwögen, wie er durch seine Macht sie unterdrückt haben könnte, und doch vom Mitleiden gerührt, ihnen geholfen habe. Er wünsche deshalb, fie möchten diese seine Ges fälligkeit im treuen Gedächtnisse bewahren, und unverletzlich das Bündniß halten, welches so eben abgeschlossen worden sey 20).

Im achtzehnten Jahre König Heinrichs VIII. am vierzehnten März erschienen vor dem König zu Greenwidy die Gesandten Königs Ferdinand von Ungarn, des Kaisers Bruder. Johann Faber, ein berühmter Geists licher und nachmals Bischof von Wien, hielt eine merkwürdige Rede, in welcher er die fürchterliche Macht der Lürfen schilderte, und den König ersuchte, seinem Herrn gegen so gefährliche Feinde beizustehen. Auf diese Rede antwortete der König durch Sir Thomas More; daß er den Verlust in Ungarn sehr bejammere. Nimmer dürfte der Zürke solcherlei unternommen haben, wären nicht die Kriege zwischen den zwei großen Fürsten. Deshalb wolle er sich aus allen Kräften bemühen, zuerst Einigkeit und Friede durch die ganze Christenheit herzustellen, und rodann so gut wie jeglicher christliche Fürst mit Geld und Mannschaft in einem so rühmlichen Kriege beisprin

gen 21).

Nicht nur die seltene Gabe schneller und besonnener Rede schäßte Heinrich VIII. an More, sondern auch dessen anderweitige glänzende Talente und vortreffliche Eigenschaften wußte er zu seinem Vortheile zu benus Ben und ward von denselben so eingenommen und bezau: bert, daß Sir Thomas in kurzer Zeit der vollen fönigs lichen Gunst sich zu erfreuen hatte.

Heinrich VIII., selbst gebildet, und im Glanze, den der Schuß der Wissenschaften verleiht, rich gefallend, liebte Männer von Gelehrsamkeit in seiner Umgebung; diese besaß More in reichlichem Maaße, und verband damit eine soldie Heiterkeit des Geistes, so viel Wiß und Laune, daß er wegen seiner trefflichen Unterhaltungsgabe längst im Kreise seiner Freunde hoch geschäßt ward. Kein Wunder, wenn der Lebensfrohe König am geistreichen Umgange mit Sir Thomas hohes Gefallen fand. An Feiertagen, nach verrichteter Andacht, ließ er denselben in seine Gemächer fommen und unterhielt sich mit ihm über Astronomie, Geometrie, Theologie und andere wissens schaftliche Materien 22), zuweilen auch über Staatsanges legenheiten. Zu anderen Zeiten in hellen Nächten betrachtete er gemeinschaftlich mit More vom Dache des Pallas stes aus die Mannichfaltigkeit, die Bewegungen und den Lauf der Himmelskörper. Auch gefiel des Sir Thomas scherzhaftes Gemüth dem Könige und der Königin derges stalt, daß sie nach dem Abendessen und selbst während desselben nach ihm schickten, um sich an seinen sinnreichen Einfällen zu ergößen. Als er jedoch bemerkte, daß man an seiner Unterhaltung so vorzügliches Vergnügen fand, und er deshalb faum einmal im Monate die Erlaubniß erhalten konnte, fein Weib und seine Kinder - nach des ren Umgang ihn sehr verlangte zu sehen; als er ges wahrte, er könne nicht zwei Tage vom Hofe entfernt feyn, ohne daß nach ihm geschickt würde, so mißfiel ihm diese Beschränkung seiner Freiheit, und er fing an, feines

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munteren Wesens sich nach und nach zu entwöhnen; wo: durch er bewirkte, daß er nicht mehr so häufig an den Hof gerufen ward.

Dem ungeachtet fuhr der König fort, ihm Beweise feiner Huld und Herablassung zu geben 23). Denn, um das Vergnügen seiner Unterhaltung zu genießen, übers raschte ihn Heinrich bisweilen in seiner Wohnung zu Chelsey, meistens besprach er sich daselbst über Staatsgeschäfte mit ihm. Eines Tages besuchte ihn der König ganz unerwartet zum Mittagessen. Nach dem Mahle ging er mit Sir Thomas wohl eine Stunde lang im Garten spazieren, seinen Arm um dessen Nacen legend, und gab ihm solche Zeichen der Güte und Herablassung, daß Mr. Roper, sein Schwiegersohn, nach des Königs Entfernung sich nicht enthalten konnte, ihm zu bemerken, wie glücklich er rey, daß ihn sein Fürst auf so besondere Weise ausgezeichnet habe, wie keinen Andern seines Hofes, Wolsey ausgenommen. Hierauf antwortete Sir Thomas: «Idy danke Gott, Sohn Roper! Ich finde, daß Seine Majes stät in der That mein sehr gnädiger Herr ist, und ich glaube, daß er mir gegenwärtig so viel Gunst erzeigt, als irgend einem seiner Unterthanen; aber ich kann Dir sagen, Sohn, daß ich nicht Ursache habe, darauf stolz zu seyn, denn wenn mein scopf ihm ein Schloß in Frankreich mit welchem Reide er damals Krieg führte gewinnen fönnte, er würde unfehlbar herunter müssen. »

Durch diese Aeußerung bewies More, wie sehr, er des Königs Charakter durchdrungen hatte, der die Mens schen als Werkzeuge seines Willens betrachtete, und so lange gnädig rich erzeigte, als sie sich seinen launen

schmiegten, mit Ungnade aber und noch Aergerem fie bes lastete, wenn sie denselben widerstrebten, und er sie für: der nicht mehr gebrauchte. Sir Thomas wußte diese Gnade zu würdigen, nie machte sie ihn stolz, und, was rühmenswerth ist, nie mißbrauchte er sie 24).

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