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sie ihm nur als seine rechtmäßige Gattin gewähren 17). Eine solche Sprache, unterstüßt durch kräftigen, länger als ein Jahr 18) dauernden Widerstand, welcher jedoch den schmacytenden Herrscher nicht aller Hoffnung beraubte, verfehlte ihre Wirkung nicht. Der entflammte Heinrich wurde dadurch nur um so mehr gereizt. Seine auf das Aeußerste getriebene Leidenschaft wollte um jeden Preis Befriedigung.

Dies ist die wahre Ursache, welche den Sönig zur Scheidung von seiner tugendhaften Gemahin bewog. Alles Andere, was als solche geltend ges macht werden will, z. B. Versicherungen, daß er – nach siebenzehnjähriger Ehe - von Gewissensscrupeln über die nach göttlichen und natürlichen Gefeßen unerlaubte Che mit seines Bruders Wittwe gequält werde daß Catharina feine Kinder, hauptsächlich keine Söhne mehr zu gebären im Stande sey, wodurch die Thron: folge gefährdet, und England neuen Unruhen Preis gegeben werde ist nichts weiter, als Vorwand, Bes schönigung seiner heftigen Neigung zu Annen. Erst dann, als er gänzlich von dieser unterjocht war, verfiel er auf solche Einwendungen, und jeßt wurde von ihm Alles hervorgesucht, die Ungültigkeit der Ehe mit Catharinen nur einigermaßen zu erweisen.

Seine Begier nach Annens Besit fonnte dem Hofe nicht lange ein Geheimniß bleiben, und wo fände nicht ein gekröntes Haupt witfährige Diener, stets bereit zur Vollstređung seines Willens, und Wegräumung aller Hins dernisse? Der Bischof von Tarbes 19) wagte es, bei Ges legenheit der projectirten Heirath Franz I. oder seines zweiten Sohnes mit der eilfjährigen María, Heinrichs VIII. Tochter 20), die Rechtmäßigkeit der Geburt

dieser Prinzessin in Zweifel zu ziehen. Seine Vollmacht aber lautete nicht dahin 21); wohl aber ges schah dem Könige dadurd, ein wesentlicher Dienst, weil er nun mit seinen Planen auftreten konnte. Seine «ges heime oder große 22) Angelegenheit,» wie man sie nannte, war in kurzer Zeit in Adler Munde. Die vor: züglichsten Sanonisten wurden befragt, welche des Königs Wunsch auch hinter dem Schleier eines zarten Gewissens deutlich erkannten. Er selbst ergriff die Feder wider das Unrechtmäßige seiner ersten Ehe 23), und erklärte dem rückfehrenden Wolsey seinen festen Willen, Anna Boleyn zu ehelichen. Der bestürzte Günstling wandte Alles an, um eine solche den Verlust von Frankreichs Freundschaft 24) nach sich ziehende Verbindung zu hintertreiben, welche noch überdies am meisten ihm selbst gefährlich erschien, weil Anna und ihre Familie ihm höchlich abgeneigt war. Bald jedoch fügte er sich des Königs Gemüthsart, denn er sah jeglichen Widerstand für Vers derbenbringend und fruchtlos an, und trachtete durch eifrige Dienstleistungen das Verbrechen wieder gut zu machen, seinem Herrn, wenn auch nur auf Augenblicke, widersprochen zu haben.

Sir Thomas More, dem nunmehr die königliche Abhandlung vorgelegt wurde, entschuldigte sich ausweichend mit seinen geringen theologischen Kenntnissen; John FiTher, der Bischof von Rochester, entschied nach sorgfältis ger Prüfung gegen eine Scheidung. Wolsey's Bes streben, in den Consultationen der Prälaten und Theolos gen einen, dem Könige günstigen, Ausspruch zu erwirken, war vergeblich. Zur Beruhigung seines Gewissens hieß es, möge der König die Sache dem heiligen Stuhle vorlegen, und dessen Urtheil erwarten 25). In der Chat, wollte man die Scheidung rechtskräftig machen, so, daß gegen die legitimität der Kinder Heinrichs VIII. aus einer zweiten Ehe feine Zweifel erhoben werden konnten, so mußte man sich an den Papst wenden. Dies geschah. Clemens VII. aber gerieth in peinliche Verlegenheit durch des englischen Königs Forderung. Auf der einen Seite gebot ihm Dankbarkeit gegen den « Vertheidiger des Glaubens,» Heinrichen zu willfahren; auf der anderen Seite hatte er Alles zu fürchten von des Kaisers Zorn, der begreiflich gegen die Scheidung seiner Tante war, und dessen Heer noch im Besige Roms und des Kirchenstaates sich befand. In seiner fri tischen Lage that er sein Möglichstes, um Heinrichen für den Augenblick zufrieden zu stellen, und willigte selbst darein, einen legaten, wie man begehrte, nach England zu schicken, um Wolsey’n in der Untersuchung über die Gültigkeit der Ehe mit Satharinen beigesellt zu werden 26). Der staatskluge Campeggio ward hiezu ausersehen; seine Kränklichkeit erlaubte ihm nur kurze Tagereisen.

Während dieser Vorfälle brach mit fürchterlichen Ver: heerungen die Schweißkrankheit in England, und selbst am Hofe unter Anna's weiblicher Dienerschaft, aus. Sie selbst, vom Uebel ergriffen, ward durch die übliche Kurart wieder hergestellt. Der König Heinrich aber enthielt sich alles Verkehres mit seinen Leuten und Fremden, und dachte in der Angst vor der nahen Gefahr nicht mehr an seine «große Angelegenheit, sondern wohnte den Andachtsübungen der Königin bei, beichtete täglicy, und communicirte an Sonn- und Feiertagen 27). Diese günstige Stimmung des Königs für seine Gattin, und Annens Abwesenheit ließen vermuthen, die Leidens

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schaft für lettere rey erloschen, und die Ehescheidungssache von ihm für immer aufgegeben 28). Allein das Aufhören der Seuche, und die bevorstehende Ankunft Campeggio's brachten ihn wieder auf andere Gedanfen. Anna ward an den Hof zurückberufen, und die Gewalt ihrer Neize schlug Heinrichen in die alten Fesseln. A18 Campeggio in England angelangt, entfernte er zwar die Geliebte und lebte mit seiner Gattin auf den vertraulichsten Fuß 29); die hierauf eintretenden Zöges rungen und fruchtlosen Unterhandlungen dienten jedoch nur dazu, seine Leidenschaft für Anna Boleyn zu erhöhen. Ein paar Monate nach ihrem Abgange vom Hofe, berief er sie wieder zu sich. Ihren gefränkten Stolz zu besänftigen, gab er ihr einen fürstlichen Hofstaat 30), und sie genoß von nun an alle Ehren einer Rönigin. Jetzt schon wurde behauptet, fie nehme Catharinens Stelle sowohl öffentlich als insgeheim ein 31).

Alle Hindernisse, welche Heinrichs feurigen Wünschen entgegen traten, wußten Anna und die Lords ihrer Parthei dem Sardinal aufzubürden, der geringen Eifer und wenige Aufrichtigkeit für seines Herrn Angelegenheiten bezeige. Nachdem die legaten in feierlicher Sißung am ein und zwanzigsten Junius 1529 die Partheien vernommen, ward das Gericht gefliffentlich verlängert 32) und endlich gar aufgehoben. Kaum unterdrückte der Monarch die Gefühle des Unwillens über getäuschte Hoffnungen, und auf Wolsey's Rath beschloß er, die Gutachten gelehrter Männer zu Gunsten seiner Sache sich zu verschaffen, die Scheidung durch die geistliche Oberbehörde des Landes zu erwirfen, und selbe durch einen Parlamentsschluß bestätigen zu lassen 33). In dem Maße, als Anna's Einfluß auf den König wuchs, sauf der Günstling Wolsey. Sein Fall war unabwendbar; denn ruhig lieh Heinrich VIII. sein Ohr den Anklagen der Feinde des Cardinals. Die frisch entstandenen Besorgnisse, er werde den fast gestürzten alten Günstling wieder aufrichten, zerstreuten Anna's Anstalten 34), und am sieben: zehnten 35) October 1529 übergab Wolsey das große Siegel in die Hände der Herzoge von Norfolk und Suffolk. Ein neues Ministerium, über welches Anna, die Begünstigerin der neuen lehre, durch ihren Vater und Dheim gebot, ward gebildet, ihre Reize übten die unumschränkte Herrschaft über Heinrich VIII. aus.

Des Sir Thomas Ansichten über die in Frage stehende Scheidung schienen dem Könige von großer Wichtigkeit. Der Beweis liegt in den wiederholten Anfragen Heinrichs an More 36). Als die Zweifel an der Gültigkeit der Ehe mit Catharinen angeregt wurden, eröffnete der König dies zuerst ihm, indem er ihm die obenerwähnte Abhandlung vorlegen ließ, ihm gewisse, reinen Absichten zusagende, Schriftstellen selbst zeigte, und hierüber nun sein Gutachten verlangte. Nach deren Durchlesung entschuldigte sich More mit seinen dürftigen Kenntnissen im Felde der Theologie, wodurch er untauglid sey in solchen Dingen ein Wort mitzusprechen. Aber der Rös nig, mit der Antwort unbegnügt, setzte ihm so heftig zu, daß er endlich dem Andringen Seiner Majestät nachgab; nur bat er um hinreichende Zeit, die wichtige Angelegenheit gehörig zu erwägen: womit Heinrich wohl zufries den war, und ihm sagte: Tunstall, Clarke nebst ans dern gelehrten Männern seines geheimen Rathes follten hierüber mit ihm rathschlagen. Sir Thomas verglich die vom Könige bezeichneten Schriftstellen mit den Auslegun

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