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Rechtlichkeit und Unschuld, verbunden mit der Leichtigkeit, die schwierigsten Geschäfte zu vollbringen, schäßten alle Engländer schon von seiner Jugend an, und der König hat sie in mannigfachen Gelegenheiten zu Hause, wie auswärts, im Rathe, wie bei Gesandtschaften erprobt befunden. Niemand in diesem Reiche ist weiser, Rath zu ertheilen, aufrichtiger, seine Meinung zu sagen, beredter im Vortrage, als Er. Solche herrliche Eigenschaften bürgen dafür, daß durch ihn dem Volke Friede und Ges rechtigkeit, dem Königreiche Ehre und Ruhm zu Theil werde. Wenn es als etwas Ungewöhnliches, Neues auffällt, diese Würde einem Laien, der Weib und Kinder hat, und nicht aus einer der angesehensten Familien des Landes ist, anvertraut zu sehen, da früher nur gelehrte Prälaten oder Männer vom höchsten Adel dieselbe bekleideten; der erwäge, daß den Mangel solcher Erfordernisse des Sir Thomas Tugenden und Talente überflüssig ersehen. Nicht wie hochgeboren der Mann, sondern wie ausgezeichnet er durch seine trefflichen Eigenschaften sey, nicht den Adel, sondern das Verdienst hat der König bei seiner Wahl berücksichtigt, und dadurch der Welt zeigen wollen, daß unter seinem niederen Adel sich Männer befänden, die allerdings Aemtern vorzustehen verstünden, zu welchen sonst nur hohe Geburt und ein ausgezeichneter Rang in der Kirche berechtigten. Nehmet daher diesen Euren Kanzler mit freudigem Zurufe auf, aus dessen Händen Ihr alles Glück und alle Zufriedenheit erwarten möget! »

Nachdem sich Sir Thomas von der Bestürzung ers holt, welche ihm die Lobeserhebungen des Herzogs in des Königs Namen verursacht hatten, antwortete er bescheiden und klug also 3):

« Erlauchter Herzog, edle Lords und würdige Herrn! »

Obschon ich fühle, daß all' die rühmlichen Eigenschaften, welche des Königs Majestät jeßt und an diesem Orte mir beizulegen befahl, und die Ew. Gnaden in so beredten Worten noch mehr erhöhte, mir nicht gebühren

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wiewohl ich herzlich wünschte, sie zu besserer Führung eines so wichtigen Amtes in der Chat zu besizen ob= schon ich durch diese Rede in große und unaussprechliche Furcht versetzt worden bin: so kann mir doch des Königs unvergleichliche Gnade nicht anders als angenehm und schmeichelhaft seyn, weil er dadurch seine günstige Meis nung von mir und meinen geringen Talenten an den Tag legte, und mich Euch auf eine für mich ehrende Weise anzuempfehlen gebot. Dem erlauchten Herzoge gebührt vor Allem mein Dank, da er, was ihm der König mit kurzen Worten aufgetragen, aus großer Liebe zu mir in einer zierlichen Rede weitläufig erörterte. »

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Nur Seiner Majestät Gewogenheit allein, nur die unglaubliche Güte seines königlichen Gemüthes gegen mich womit ich unverdientermaßen schon seit so vielen Jahren beglückt wurde - nicht aber irgend ein Verdienst von meiner Seite ist die Ursache dieser meiner Beförderung, so wie dieses ungemessenen Lobes. Wer bin ich auch wohl, und was ist das Haus meines Vaters, daß Seine Majestät mich mit so vielen und großen Ehren überhäuft? Ich bin weit unter allen solchen Wohlthaten! Dieses Plaßes, dieses Amtes erachte ich mich weder für würdig noch gewachsen. Ungern bin ich an den Hof, in die Dienste des Königs gekommen, wie S. Majestät dies selbst weiß; diese Würde aber zu übernehmen war am meisten wider meinen Willen. Doch! So groß ist des Monarchen Güte, seine

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Milde so ungemein, daß er die geringsten Dienste der Seinigen aufs Höchste schäßt und seine Diener glänzend belohnt, nicht allein jene, die es um ihn wirklich verdient, sondern selbst auch die, welche begierig sind, einer solchen Gnade sich erst würdig zu machen. Zu den Leßtern zähle ich mich, weil ich mir nicht anmaßen darf, einer der Ersteren zu seyn.

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« Unter solchen Umständen ist leicht zu ermessen, welch' schwere Bürde auf mir liegt, will ich anders dieser königlichen Huld, und den von mir vorgefaßten glänzenden, Erwartungen durch den größten Fleiß und Pflicht - Eifer nur einigermaßen entsprechen. Deshalb sind jene Lobpreisungen für mich um so beschwerlicher, je mehr ich mich verbunden erachte, ihrer würdig zu werden, und je weniger Mittel ich erblicke, sie wirklich zu verdienen. Meine Schultern sind für solche Last zu schwach, und so hohe Ehre stimmt wenig zu meinen geringen Verdiensten. Es ist eine Bürde und keine Würde, eine niederdrükkende Sorge, und nicht eine Erhöhung. Mannhaft und nach Kräften will ich die Last tragen, und die Geschäfte mit so viel Geschicklichkeit besorgen, als mir möglich. Zur fleißigen Vollziehung hierin treibt mich das eifrige Verlangen, von welchem ich immerdar beseelt war und noch bin, des Königs hohe Wohlthaten auf alle Weise dankbar anzuerkennen. Sehr erleichtert hiebei würde ich durch den guten Willen von Euch Allen, im Einklange mit der königlichen Gnade. Mein ernstliches Verlangen, mein Amt wohl zu führen, verbunden mit Eurer Neigung zu mir, wird sicher bewirken, daß Alles, was ich leisten kann, ungezweifelt geschehen, und Euch, obgleich es nur gering ist, groß und vortrefflich erscheinen wird. Denn was wir gern verrichten, das glückt, und was gut auf

genommen wird, noch bei weitem mehr. Wenn Ihr aber das Trefflichste, Beste von mir erwartet, so dürftet Ihr Euch täuschen. Denn dies kann ich Euch nicht zusichern; wohl aber verspreche ich Euch nach Möglichkeit mein Bestes zu thun.

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Hierauf, gegen den hohen Richterstuhl des Kanzlers sich wendend, fuhr er fort: «Allein, wenn ich auf jenen ehrwürdigen Siz blicke, und erwäge, welche vortreffliche Männer denselben vor mir eingenommen, wenn ich bedenke, wer zuleht hier gesessen, wenn ich mir jenes Mannes erhabene Weisheit, seine Gewandtheit in den wichtigsten Angelegenheiten, den Glanz seines lang anhaltenden Glückes, so wie nach schrecklichem Sturze sein ruhmloses Abtreten ins Gedächtniß rufe; so kann mich meines Vorgängers Beispiel belehren, wie äußerst schwierig, und wie wenig angenehm mein neues Amt sey. Denn einem Manne von solchen Lalenten, solcher Weisheit, so großem Ansehen und Glanz gleichen Schrittes nachzufolgen, ist bei weitem die schwerste Aufgabe für mich, gleich als sollte der schwache Schein einer Lampe das strahlende Licht der niedergegangenen Sonne ersetzen! Vor allzugroßem Wohlgefallen an meiner Erhebung, und daß mich der Schimmer der neuen Würde nicht verblende, warnet mich der plößliche Fall eines so großen Mannes. So besteige ich denn jenen Siß, auf welchem Mühen und Gefahren gelagert sind, und wo Sicherheit nicht gefunden wird. Je erhabener er ist, desto tiefer der zu befürchtende Fall: daran mahnt mich die Betrachtung der Würde an sich, und des Vorgängers Schicksal. Ja, stärkten und ermuthigten mich nicht des Königs besondere Gnade und Euer Aller Wohlwollen welches mir Euer freudiges Antlig bezeugt — wahrlich! ich würde

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schon beim ersten Eintritte straucheln, und Aller Muth mir entsinken, und mir wäre auf diesem erlauchten Siße hier etwa so zu Muthe, wie dem Damocles auf königlichem Throne, als er in Mitte des köstlichsten Ueberflusses das bloße Schwert am Pferdehaare über seinem Scheitel schwebend gewahrte. Ich will daher künftighin Zweifaches stets vor Augen haben: Einmal, daß dieser Siß, welchen ich kraft meiner Würde einnehmen soll, nur alsdann mir zur Ehre und zum Ruhme gereiche, wenn ich niemals unterlasse, mit der größteu Sorgfalt und Anstrengung, Treue und Klugheit mein Amt zu verwalten Sodann, daß ich erwäge: wie kurz und ungewiß der Genuß der neuen Würde für mich seyn dürfte. Das Erstere soll meine Arbeit fördern, das Andere kann mich des Vorgängers Geschick lehren. Leicht mögt Ihr nun nach diesem Allen begreifen, welch' Vergnügen mir meine Erhebung zum Lord-Kanzler, des erlauchtesten Herzoges Lob, und selbst des Monarchen unvergleichbare Güte gewähre. »

Hierauf leistete Sir Thomas den Eid als Lord-Kanzler von England auf die Evangelien: «dem Könige und seinem Volke treu und wahrhaft zu dienen, Jedermann sein Recht zu thun nach den Landesüblichen Gesseßen, und die Rechte der Krone stets und auf alle Weise zu wahren. »

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Nach Wolsey's Sturz durch Annens Parthei, ward der Herzog von Norfolk Präsident des Cabinets, er, der Herzog von Suffolk, der Viscount von Rochford Annens Vater, kurz nachher zum Grafen von Wiltshire erhoben -bildeten nebst. Dr. Stephan Gardiner aus Wolsey's Schule den geheimen Rath König Heinrichs VIII., zu dessen Gliedern nun auch Sir Thomas in seiner neuen Eigenschaft als Kanz

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