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daß Euerer Mutter Nase etwas schief steht? » entfernte sich die Er-Kanzlerin.

Zornig

More's Einkommen wurde in Folge der Resig= nation bedeutend geschmälert. Als Kanzler zog er jedes Jahr vierhundert Pfund. Diese in damaliger Zeit große Summe fiel nun hinweg, und damit eine Hauptquelle seines Unterhaltes. Ohne ein Verschwender zu seyn, hatte er seit dem Eintritt in königliche Dienste doch nicht so viel erübrigt, um nach dem Aufgeben seines Amtes sich und den Seinigen die nöthigsten Lebensbedürfnisse zu verschaffen. Alle Grundstücke, berichtet Roper, welche Sir Thomas erworben, warfen jährlich nicht über zwanzig Mark ab, und nach Bezahlung seiner Schulden hatte er, mit Ausnahme seiner Kette, in Gold und Silber nicht den Werth von hundert Pfund übrig. More versichert 7), alle Ländereien, die er vom Vater überkommen, oder erheirathet, oder selbst erworben jene ausgenommen, die er vom Könige geschenkt erhalten, nämlich: die Güter zu Duckington, Frinkford und Barlyparke in Orfordshire 8) trugen an reinem Gewinn keine volle funfzig Pfund jährlich ein. Solch schmale Mittel machten eine größere Einschränkung im gesammten Hauswesen nothwendig. Seine Kinder hatte er auch nach ihrer Verehlichung bei sich im eigenen Hause behalten, und seither für sie alle gesorgt. In seiner damaligen Lage rief er alle die Seinigen zusammen, und fragte sie um ihren Rath, wie es bei der Schmälerung seiner Vermögensumstände zu halten sey, um nach seinem und ihrem Wunsche fernerhin beisammen zu leben. Alle schwiegen bestürzt, Sir Thomas aber sprach: «So will ich Euch denn meine geringe Meinung hierüber mittheilen. Ich bin zu Orford, zu New-Inn, Lincolns-Inn, und endlich am königlichen Hofe

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auferzogen und ernährt worden, und von der untersten Stufe bis zur höchsten hinangestiegen. Dennoch ist mir an jährlichen Einkünften gegenwärtig wenig mehr übrig als hundert Pfund, so daß wir uns, wollen wir anders beisammen bleiben, wie vordem, gefallen lassen müssen, alle mit einander zum Lebensunterhalte beizusteuern. Mein Rath aber ist, bei unseren Einschränkungen nicht gleich anfänglich zur niedersten Kost uns zu bequemen. Wir wollen deshalb nicht bis zur Orforder-Kost hinabsteigen, noch zu der von New- Inn, sondern vielmehr mit der Lebensart von Lincolns-Inn beginnen, wobei manche recht achtungswerthe Leute von guten Jahren sich sehr wohl befinden. Sind wir außer Stand, auf diese Weise das erste Jahr auszuhalten, so laßt uns das nächste um eine Stufe tiefer zur New-Inns Kost uns begeben, und wenn auch diese unsere Kräfte übersteigt, so wollen wir das darauffolgende Jahr zur Orford-Kost herunter gehen. Reichen unsere Mittel auch da nicht zum Unterhalte, alsdann mögen wir mit Sack und Pack zusammen betteln gehn, und auf frommer Leute Mitleiden hoffen. Wenn wir auch vor den Thüren das Salve Regina singen, so können wir doch beisammen bleiben und miteinander fröhlich seyn. »>

Aus diesem Scherze konnten Alle entnehmen, daß eine Trennung vom väterlichen Hause nothwendig sey, und More's Kinder mit den Ihrigen bezogen hierauf andere Wohnungen 9).

Alsdann eröffnete er seinen Dienern, unter denen sich auch einige vom Adel befanden, daß er sie nicht mehr gebührend unterhalten könne, sie möchten sich daher nach andern Herrn umsehen. Er wolle sich bestreben, sie nach Möglichkeit vortheilhaft unterzubringen. Allein sie ver

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sicherten mit weinenden Augen, lieber ihm umsonst zu dienen, als anderwärts um starken Sold. Doch dies Anerbieten wies er zurück, und brachte sie alle bei Bischöfen, oder sonst bei Vornehmen glücklich unter. Seine Barke verehrte er seinem Nachfolger im Amte, dem Lord Audley, der mit derselben zugleich die acht Bootsmänner übernahm. Henry Patison, der Narr, ward dem LordMayor von London geschenkt, und wechselte sohin alljährlich seinen Herrn.

Nach diesen Verfügungen lebte More, wie er beschlossen, einzig Gott und sich selbst, der Andacht und den Studien 10). Als ein verdienstliches, gottgefälliges Werk erschien ihm die Vertheidigung des Glaubens gegen die Irrlehren und das Beschüßen der Schwachen wider die Anfälle arglistiger Keßer 11). Daher er jeßt nach erlangter Muße verschiedene Schriften gegen die Neuerer ausgehen ließ 12), deren Geist wir im Allgemeinen bereits oben bezeichnet haben. Auch die Uebungen der Andacht wurden ohn' Unterlaß fortbetrieben, denn wo sonst als bei seinem Schöpfer hätte er Tröstung und Stärke zum Ausharren in den bevorstehenden Stürmen sich holen können? Erwog Sir Thomas des Königs Heftigkeit und Ungestüm, so wie Annens mächtigen Einfluß, so konnte er ohne Mühe sein Schicksal zum Voraus schon erkennen. Er bestrebte sich, seine Familie auf das kommende Unglück gehörig vorzubereiten, und pflegte deshalb häufig mit ihnen von den Freuden des Himmelreiches und den Leiden der Hölle zu sprechen, und das Leben heiliger Märtyrer, ihre wunderwürdige Geduld in Leiden und Lod zu preisen, wie sie lieber den Leßteren erdulden wollten, als Gott beleidigen. Welch eine seelige Sache sey es doch, aus Liebe zu Gott den Verlust der

Güter, der Freiheit und selbst des Lebens zu erleiden. Wüßte er, daß sein Weib und seine Kinder ihn ermuthigten, für eine gute Sache zu sterben, so würde er heis ter und freudig in den Tod gehen. Er zeigte ihnen im Voraus die Trübsale, die über ihn kommen würden. Auf diese Weise, und durch sein tugendliches Gespräch hatte er die Seinigen lange vor dem Sturme in Fassung geseßt, wodurch er bezweckte, daß ihnen, als er wirklich beunruhigt wurde, seine Leiden um ein gutes Theil weniger beschwerlich fielen 13). Schlaflos lag er, das hereinbrechende Unheil ins Auge fassend, so manche Nacht an der Seite seiner Gattin, und beim Nähertreten desselben soll er selbst einen Gerichtsdiener gedungen haben, der, plößlich zur Mittagszeit stark an die Thüre pochend, ihn auf den folgenden Tag vor den königlichen Rath_fordern mußte.

Schon zog sich der Troß der Höflinge scheu vor dem in Ungnade Gefallenen zurück, und Manche, die vorher um seine Freundschaft gebuhlt, sprachen nun im hohen Lone. So Einer von des Königs Hofstaat 14), der früher sich zu des Sir Thomas Freunden gezählt, und jest bei des Hofes Ungunst, die Schärfe seines Wißes gegen diesen wenden wollte. Ehrenstellen, Mylord! ändern das Betragen,» sagte er vornehm zu More 15). Schnell entgegnete Sir Thomas: «So ist es in der That, aber mores bedeutet im Englischen Manier nicht More. »>

Von einem Andern desselben Schlages begehrte More das früher geliehene Geld zurück. Statt die Zahlung zu versprechen, erinnerte ihn dieser Umverschämte: daß er, Gott wisse wie bald, sterben müsse, und alsdann keines Geldes mehr benöthigt sey, und um seine Weisheit noch mehr leuchten zu lassen, fügte er den lateinischen Spruch

bei: «Memento morieris!» Behend antwortete Sir Chomas: « Was sagt Ihr, Sir? Mir scheint, Ihr ruft Euch selbst Eure Schuld ins Gedächtniß, indem Ihr sagt: Memento Mori aeris Gedenke an das von More gelie

hene Geld!»

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Kurze Zeit nach der Resignation kam Sir Thomas Cromwell damals in des Königs hoher Gunst mit einem Auftrage Seiner Majestät zu Sir Thomas nach Chelsea. Als sie sich mit einander hierüber besprochen, sagte More: « Mr. Thomas! Ihr seyd nun in die Dienste eines sehr edlen und weisen Fürsten getreten; wollt Ihr meinem geringen Rathe folgen, so sagt in Euren Rathschlägen, die Ihr dem Könige ertheilt, jederzeit ihm das, was er zu thun habe, aber nie, was er zu thun im Stande sey. Auf solche Weise werdet Ihr Euch selbst als einen aufrichtigen, treuen Diener und würdigen Rath erweisen; denn kennt der Löwe die eigene Kraft, so ist es für Jedweden schwer, ihn zu beherrschen. »

Als er des Königs Vermählung mit Annen erfuhr, sagte er zu seinem Schwiegersohn Roper: «Gott verhüte, daß diese Dinge über eine Weile nicht mit Eiden bekräftigt werden müssen!» Gleich nach der Ehescheidung erschien unter dem Schuße des königlichen Rathes ein Buch zur Rechtfertigung derselben. Schnell verbreitete sich das Gerücht, More habe dies Buch beantwortet und widerlegt; allein in einem Briefe an Cromwell reinigte er sich von dieser Anschuldigung, und betheuerte, daß er weder Etwas dagegen geschrieben habe, noch auch je schreiben werde 16).

Während die glänzendsten Zurüstungen zur Krönung der neuen Königin getroffen wurden, und alles sich beeilte, dieser Festlichkeit würdig beizuwohnen, luden die Bischöfe

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