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saal zurück. Schwerlich konnten sie in so kurzer Zeit die Anklage gelesen haben. Aber sie kannten des Königs Wils len, und sprachen ihr «Schuldig!» Sogleich begann der Kanzler, als Vorstand der Commission, zum Urtheil zu schreiten. Diese Eile bemerkend, sagte ihm Sir Thomas: «Mylord! Als ich noch hier das Richteramt ausübte, war es Brauch, den Angeschuldigten zu befragen, ob er noch etwas vorzubringen habe, die Anwendung des Gesezes aufzuhalten. » - Der Kanzler hielt auf dieses mit der Sentenz ein, und fragte Moren: Ob er noch etwas vorzutragen habe? Sogleich antwortete dieser folgendergestalt :

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<< Diese meine Anklage, Mylords, gründet sich auf eine Parlaments-Akte, welche den Geseßen Gottes und seiner heiligen Kirche geradezu widerstreitet. Die oberste Leitung der Kirche, oder eines Theiles derselben kann kein weltlicher Fürst durch irgend ein Gesek an sich reißen; denn dies ist ein Recht des römischen Stuhles, welches von unserem Heiland selbst, als er noch auf dieser Erde weilte, nur dem heiligen Petrus und den Bischöfen von Rom, seinen Nachfolgern verliehen wurde. Deshalb ist es unter katholischen Christen nach den Gesezen unzulänglich, irgend einem Christen die Verbindlichkeit obigem Statute zu gehorchen, aufzulegen. Meine Behauptung zu er weisen, führe ich an, daß dies Königreich, welches nur ein Glied und ein kleiner Theil der Kirche ist, kein Recht habe, ein besonderes Gesek zu erlassen, das von dem allgemeinen Gebote der ganzen christkatholischen Kirche abweicht; so wenig, als die Altstadt von London, die im Bezug auf das ganze Königreich nur ein Glied desselben ist, ein Gesek geben kann gegen einen Parlaments - Beschluß, welches für das ganze Königreich verbindlich wäre. Obiges Gesez ferner ist den bis jetzt unwiderruflichen Rechten und Statuten des Reiches zuwider; wie dies klar aus der Magna Charta zu ersehen ist, woselbst es heißt: « <« die englische Kirche sey frei und im vollen Ges nusse aller ihrer Rechte, und ungekränkt in ihren Freihei3)

ten. » »

« Jenes Statut ist also gegen den heiligen Eid, den Seine Majestät selbst, sowie jeder christliche Fürst mit großer Feierlichkeit bei seiner Krönung abgelegt hat. Unrecht handelt England, dem römischen Stuhle den Gehor= sam zu versagen, sowie ein Kind, das den Aeltern den Gehorsam aufkündigt: denn wie der heilige Paul zu den Corinthern sagte: «Ich habe Euch wiedergeboren, meine Kinder in Christo,» so mag auch der würdige Papst St. Gregorius der Große uns Engländern zurufen: « Ihr seyd meine Kinder, denn ich habe Euch die ewige Seeligkeit gegeben.» Fürwahr ein trefflicheres Erbstück, als je ein leiblicher Vater seinen Kindern hinterläßt. Ein Sohn ist nur durch Zeugung seines Vaters Kind, wir aber sind durch die Wiedergeburt zu geistigen Kindern der Kirche und des Papstes geworden. »

Hier unterbrach ihn der Lord-Kanzler und sagte : «More sehe doch, daß alle Bischöfe, Universitäten und die gelehrtesten Männer des Reiches den ParlamentsBeschluß billigten; um so mehr verwundere man sich, daß er allein so hartnäckig auf seiner Meinung bestehe, und so heftig wider jenen Beschluß streite. » « Wäre auch die Zahl der Bischöfe und Universitäten, entgegnete More, von so entschiedener Wichtigkeit, wie Eure Herrlichkeit zu glauben scheint, so sehe ich doch keinen Grund, warum dies mein Gewissen sollte ändern können: Denn ich zweifle nicht, es leben noch viele gelehrte und tugendhafte Männer, nicht allein in diesem Königreiche, sondern in der ganzen Christenheit, von denen zehn gegen einen in dieser Sache meiner Meinung sind. Gedenke ich aber je ner hochgelehrten Doctoren und tugendhaften Väter, die bereits verstorben und von denen viele im Himmel als Heilige glänzen; so bin ich gewiß, daß deren bei weitem mehrere sind, die bei ihren Lebzeiten gerade so dachten, wie ich nun denke. Und deswegen, Mylord, halte ich mich nicht verbunden, mein Gewissen dem Rathe eines Königreiches anzupassen, der allgemeinen Uebereinstimmung der ganzen Christenheit zuwider.»

Der Lord-Kanzler trug Bedenken, die Verantwortlichkeit von More's Verurtheilung auf sich allein zu neh men. Daher fragte er im offenen Gerichte den Lorde Oberrichter, Sir John Fiz-James um seine Meinung über die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Anklage. Dieser gab die auf Schrauben gestellte Antwort: « Meine Herren alle, bei St. Juliana 4) » seine gewöhnliche Betheuerung - « ich muß nothwendig gestehen, wenn der Parlamentsschluß nicht gesekwidrig ist, so ist auch alsdann die Anklage und Verurtheilung rechtlich begründet. » « Wohl, Mylords! Ihr hörtet, sagte der Kanzler, was der LordOberrichter gesagt.»

Sofort schritt er zur Urtheils-Verkündung:

«Sir Thomas soll durch William Kingston, den Sheriff, von hier nach dem Tower zu Lande abgeführt, von dort auf einer Schleife mitten durch die Altstadt von London nach Tyburn gezogen, daselbst bis zum Halbtode gehangen, alsdann noch lebend herabgenommen, seine Schamtheile abgeschnitten, der Unters leib aufgerissen, die Eingeweide verbrannt, seine vier Viertheile auf den Thoren der Altstadt, der Kopf auf der_London - Brücke ausgesezt werden 5). »

So lautete das fürchterliche Urtheil, das an einem Manne vollzogen werden sollte, der dem Könige und dem Reiche so wesentliche Dienste erwiesen, und den jegliche Tugend schmückte!

Nach gefälltem Urtheil sprach Sir Thomas mit ruhiger furchtloser Haltung also: « Wohl! Ich bin nun verurtheilt. Ob gerecht, weiß Gott; und jekt, um mein Gewissen zu erleichtern, will ich frei sagen, was ich von je nem Geseze halte. Als ich des Königs Absicht wahrnahm, zu erforschen, woher des Papstes Gewalt stamme, so ich gestehe es befliß ich mich ganzer sieben Jahre hindurch, die Wahrheit hierin zu ergründen, und in keinem einzigen von der Kirche gebilligten Werke gelehrter Männer konnte ich die Behauptung fin den, daß ein Laie das Haupt der Kirche wäre, oder auch nur seyn könnte.»

«Wolt Ihr, «unterbrach ihn der Lord-Kanzler,» für weiser gehalten werden, oder glaubt Ihr ein reineres Gewissen zu haben, als sämmtliche Bischöfe, Gelehrte, der Adel und die Gemeinen dieses Reiches?»

«Herr Kanzler, «erwiederte More,» gegen einen Bischof, den Ihr mir für Eure Meinung anführt, habe ich hundert heilige und rechtgläubige Bischöfe für die meinige, und gegen ein Königreich die Stimme der ganzen Christenheit seit mehr als tausend Jahren.» Sir Thomas, « sagte der Herzog von Norfolk, Ihr recht Euer verstocktes, boshaftes Gemüth!» ler Herzog, «entgegnete More,» nicht Bosheit oder Vers stocktheit ists, was mich also reden läßt, sondern die gerechte Nothwendigkeit zwingt mich, hier vor dem Gerichte

«Jekt, zeigt « Ed=

mein Gewissen zu entledigen. Ich rufe Gott zum Zeugen, daß Nichts als dieses mich zu reden angetrieben.»

Nochmals boten ihm die Richter geneigtes Gehör, wenn er sonst noch Etwas zu seiner Vertheidigung vorzubringen habe. Sanft und liebevoll sprach More: «Ich habe nichts mehr zu sagen. Nur dies noch! Gleichwie der selige Apostel Paulus - wie wir in der Apostel - Ge= schichte lesen zugegen war und seine Stimme gegeben hatte zum Tode des ersten Märtyrers Stephan, die Kleider jenen bewahrend, die ihn zu Lode steinigten; und sie doch nun beide als Heilige sich im Himmel befinden, und in Ewigkeit Freunde sind: so vertraue auch ich, und will deshalb herzlich beten, daß, obwohl Eure Herr lichkeiten meine Richter hier auf Erden waren, wir uns dereinst freudig zur immerwährenden Seligkeit im himmel treffen werden. Gott bewahre Euch, vorzüglich meinen Herrn, den König, und gebe ihm treue Räthe!»

Hierauf ward Sir Thomas von den Schranken nach dem Tower zurückgeführt. Vor ihm her trug man die mörderische Art mit gegen ihn gekehrter Schneide, als Zeichen der. Verurtheilung.

More war bis jest unerschüttert geblieben. Als er aus der Gerichts - Halle trat, warf sich ihm sein Sohn, John, zu Füßen, und bat mit Thränen um den väterlichen Segen. Mit schwerem Herzen und weinend nahm jekt sein Führer, William Kingston, als er ihn in die Nähe des Towers gebracht, von ihm Abschied. Diese Betrübniß rührte den Sir Thomas: «Guter Mr. Kingston,» sagte er tröstend, « betrübt Euch nicht selbst also, sondern seyd heiter, denn ich will für Euch und meine gute Lady, Eure Frau, beten, daß wir uns im Himmel treffen mögen, wo wir auf immer der Heiterkeit genießen

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