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ner, nicht allein in diesem Königreiche, sondern in der ganzen Christenheit, von denen zehn gegen einen in dieser Sache meiner Meinung sind. Gedenke ich aber jes ner hochgelehrten Doctoren und tugendhaften Väter, die bereits verstorben und von denen viele im Himmel als Heilige glänzen; so bin ich gewiß, daß deren bei weitem mehrere sind, die bei ihren Lebzeiten gerade so dachten, wie ich nun denke. Und deswegen, Mylord, halte ich mich nicht verbunden, mein Gewissen dem Rathe eines Königreiches anzupassen, der allgemeinen Uebereinstimmung der ganzen Christenheit zuwider.»

Der lord-Kanzler trug Bedenken, die Verantworts lichkeit von More's Verurtheilung auf sich allein zu neh

Daher fragte er im offenen Gerichte den lords Oberrichter, Sir John Fiß-James um seine Meinung über die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Anklage. Dieser gab die auf Schrauben gestellte Antwort:

Meine Herren alle, bei St. Juliana 4) » seine gewöhnliche Betheuerung ich muß nothwendig gestehen, wenn der Parlamentsschluß nicht gesekwidrig ist, so ist auch alsdann die Anklage und Verurtheilung rechtlich begründet.» «Wohl, Mylords ! Ihr hörtet, sagte der Kanzler, was der LordOberrichter gesagt.»

Sofort schritt er zur Urtheils - Verkündung:

«Sir Thomas soll durch William Kingston, den Sheriff, von hier nach dem Tower zu lande abs geführt, von dort auf einer Schleife mitten durch die Altstadt von London nach Lyburn gezogen, daselbst bis zum Halbtode gehangen, alsdann noch lebend hers abgenommen, seine Schamtheile abgeschnitten, der Unters leib aufgerissen, die Eingeweide verbrannt, seine vier

Viertheile auf den Thoren der Altstadt, der Kopf auf der London - Brücke ausgeseßt werden 5). »

So lautete das fürchterliche Urtheil, das an einem Manne vollzogen werden sollte, der dem Könige und dem Reiche so wesentliche Dienste erwiesen, und den jegliche Tugend schmückte !

Nach gefältem Urtheil sprach Sir Thomas mit ruhiger furchtloser Haltung also: «Wohl! Ich bin nun verurtheilt. Ob gerecht, weiß Gott; und jeßt, um mein Gewissen zu erleichtern, wil ich frei sagen, was ich von jes nem Geseße halte. Als ich des Königs Abricht wahrnahm, zu erforschen, woher des Papstes Gewalt stamine, so ich gestehe es befliß ich mich ganzer sieben Jahre hindurch, die Wahrheit hierin zu ergründen, und in keinem einzigen von der Kirche gebilligten Werke gelehrter Männer konnte ich die Behauptung fins den, daß ein faie das Haupt der Kirche wäre, oder auch nur seyn könnte. »

« Wollt Ihr, «unterbrach ihn der Lord - Kanzler,» für weiser gehalten werden, oder glaubt Ihr ein reineres Ges wissen zu haben, als sämmtliche Bischöfe, Gelehrte, der Adel und die Gemeinen dieses Reiches ? »

«Herr Kanzler, werwiederte More,» gegen einen Bischof, den Ihr mir für Eure Meinung anführt, habe ich hundert heilige und rechtgläubige Bischöfe für die meis nige, und gegen ein Königreich die Stimme der ganzen Christenheit seit mehr als tausend Jahren.» «Seßt, Sir Thomas, « sagte der Herzog von Norfolk,» zeigt Ihr recht Euer verstocktes, boshaftes Gemüth ! » « Eds ler Herzog, «entgegnete More,» nicht. Bosheit oder Vers stocktheit ists, was mich also reden läßt, sondern die ges rechte Nothwendigkeit zwingt mich, hier vor dem Gerichte

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mein Gewissen zu entledigen. Ich rufe Gott zum Zeus gen, daß Nichts als dieses mich zu reden angetrieben.»

Nochmals boten ihm die Richter geneigtes Gehör, wenn er sonst noch Etwas zu seiner Vertheidigung vorzubringen habe. Sanft und liebevoll sprach More: «Ich habe nichts mehr zu sagen. Nur dies noch! Gleidywie der selige Apostel Paulus wie wir in der Apostel - Ges schichte lesen - zugegen war und seine Stimme gegeben hatte zum Tode des ersten Märtyrers Stephan, die Kleider jenen bewahrend, die ihn zu Tode steinigten; und sie doch nun beide als Heilige sich im Himmel befinden, und in Ewigkeit Freunde sind: so vertraue auch ich, und will deshalb herzlich beten, daß, obwohl Eure Herrlichkeiten meine Richter hier auf Erden waren, wir uns dereinst freudig zur immerwährenden Seligkeit im Himmel treffen werden. Gott bewahre Euch, vorzüglich meinen Herrn, den König, und gebe ihm treue Räthe!»

Hierauf ward Sir Thomas von den Schranken nach dem Tower zurückgeführt. Vor ihm her trug man die mörderische Art mit gegen ihn gekehrter Schneide, als Zeichen der. Verurtheilung.

More war bis jetzt unerschüttert geblieben. Als er aus der Gerichts - Halle trat, warf sich ihm sein Sohn, John, zu Füßen, und bat mit Chränen um den väterlis chen Segen. Mit schwerem Herzen und weinend nahm jeßt sein Führer, William Kingston, als er ihn in die Nähe des Towers gebracht, von ihm Abschied. Diese Betrübniß rührte den Sir Thomas: «Guter Mr. Rings ston,» sagte er tröstend, « betrübt Euch nicht selbst also, sondern seyd heiter, denn ich will für Euch und meine gute Lady, Eure Frau, beten, daß wir uns im Himmel treffen mögen, wo wir auf immer der Heiterkeit genießen

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werden.» So wenig Trost bedürftig war er in seiner schrecklichen Lage, daß er diesen selbst Andern spenden konnte. Beim Tower-Quay harrte seiner Ankunft die Lieblings - Tochter, Margaretha, Ropers Gattin; denn nimmer glaubte sie ihn nachher mehr zu sehen, und dort mußte er vorüber kommen, ehe er in den Tower ging. Pfeilschnell und ohne ihr Geschlecht zu bedenken, stürzte sie sich durch die Menge und durch die mit Streits ärten und Hellebarden bewaffnete Wache, auf ihren Vater, ihn umarmend, mit Küssen bedeckend. « mein Vater!» waren die einzigen Worte, die sie vorzubringen vermochte. Standhaft richtete sie More, ihr den väterlichen Segen ertheilend, mit tröstenden Worten auf: « Was ich zu leiden habe, wenn gleich unschuldig, ges schieht nach Gottes Willen. Er fennt mein Herz. Er: gieb dich darum in seinen Willen und fasse dich in Ges duld über meinen Verlust. » - Alsdann ging sie von ihm, aber nach wenigen Schritten kehrte sie von Neuem wieder zu ihrem Vater, umfaßte seinen Hals und füßte ihn wies derhohlt aufs Zärtlichste. More sprach fein Wort, sons dern blieb ernst. Der Schmerz erpreßte ihm Thränen, die über seine Wange herabrollten. Auch Gyge, auch John kamen, des Vaters Abschiedssegen und Scheidekuß zu empfangen. Endlich riß sich Margaretha mit gebrochenem Herzen los. Ringsum weinte die Menge, selbst einige der Wache konnten sich der Thränen nicht ers wehren.

Die dwerste aller Versuchungen hatte More jeßt erst überstanden. Er bereitete sich ferner auf sein nahes Ende.

Am vierten Tage nach seiner Verurtheilung am fünften Julius - schrieb er seinen leßten Brief mit

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Kohle an seine geliebte Tochter. Die Gemüthsruhe und Heiterkeit seiner liebevollen frommen Seele spiegelt sich fast in jedem Worte dieses Briefes. (S. Beilage D.)

« Der Herr regne Dich, Deinen Gatten, Deinen fleis nen Jungen, al die Deinen und alle meine Kinder und alle meine Pathen und all unsere Freunde. Empfiehl mich, wenn du magst, meiner guten Tochter Cecilia, für welche ich Gott um Stärkung bitte. Ich ertheile ihr und allen ihren Kindern meinen Segen, und ersuche fie, für mich zu beten. Meine gute Tochter Daunce hat ein Gemälde auf Pergament, welches mir durch dich las dy Goniers gegeben. Ihr Name ist auf der Rückseite. Sage ihr, daß ich sie herzlich bitte, dies Bild, welches du in meinem Namen ihr zurücksendest, als ein Andens fen von mir zu betrachten, und für mich zu beten. Bes sonders wohl bin ich mit Dorothea Goly zufrieden ), und ersuche dich, ihr gut zu seyn. Ich möchte wissen, ob dies dieselbe ist, von der du mir geschrieben, wo nicht, so bleibe jener andern in ihrer Betrübniß gewogen, sowie meiner guten Tochter Johanna Aleyn) Ich falle dir wohl, gute Margaretha, recht beschwers lich, und dies würde mich betrüben, wenn es länger als bis Morgen dauerte: Denn Morgen ist der Vorabend von St. Thomas Fest 8), und die Octave von St. Peter, und deshalb wünsche ich, morgen zu Gott zu gehen. Dieser Tag wäre mir gerade recht. Nie hat mir dein Betragen besser gefallen, als da du mich neulich füßtest; denn mich freut es, wenn Tochterliebe und Zärtlichkeit ges gen die Aeltern sich nicht die Zeit nimmt, auf weltliche Ceremonien zu achten. Leb' wohl, mein theures Kind, und bete für mich, wie ich es für dich thue, sowie für

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