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stellerei. Er schloss so: Wenn die wahre Weisheit und die wahre Religion nur in dem Christentum gegeben ist, so muss unsere Bildung auf den christlichen Boden gestellt werden. Von diesem Gedanken ausgehend, unternimmt er es also, in seinem Hauptwerk (Divinae institutiones), seine Leser in das Christentum einzuführen. Für die äussere Form konnte er sich an Muster der heidnischen Litteratur anlehnen; die Form der institutio hatte sich in der Rhetorik und in der Jurisprudenz zu einer Litteraturgattung ausgebildet; es ist das Verdienst des Lactantius, diese Litteraturgattung auch in die Theologie eingeführt zu haben. Er hat zuerst den Versuch gemacht, in lateinischer Sprache ein System der christlichen Weltanschauung zu entwerfen. Das Werk ist im wesentlichen auf die Moral begründet, denn es will die wahre Lebensweisheit, welche die Philosophen ihren Jüngern nicht zu bieten vermochten, aufzeigen. Gewiss hatten die Philosophen brauchbare Momente für die Ethik geliefert; auch unser Autor hat dies erkannt; er benutzte daher auch die Errungenschaften der Philosophie, aber er korrigierte und modifizierte dieselben durch die christlichen Ideen. So erhält er eine Moral, die sich im wesentlichen von der heidnischen unterscheidet. Für ihn ergeben sich die Normen unseres Handelns nicht aus blossen Vernunftgründen, wie bei den Philosophen, sondern aus den Lehren der heiligen Schrift; seine Ethik ruhte auf dem Doppelgebot der Liebe zu Gott und zu den Menschen; er hatte in Christus ein untrügliches Vorbild für das Leben; ihm lag ein bestimmtes höchstes Ziel und Gut in der seligen Unsterblichkeit vor. So bildete sich für Lactantius eine Tugendlehre mit festen Normen und festem Ziele heraus. Das Werk lässt ohne Zweifel in Bezug auf die Gründlichkeit der Spekulation vieles zu wünschen übrig. Man sieht, dass sich der Geist des Verfassers nicht in die Tiefe der christlichen Ideen versenkt hat; ja man kann sogar eine Oberflächlichkeit des Denkens nicht verkennen. So hat er sich zur Erklärung des Guten und des Bösen in einen Dualismus 1) verrannt, dessen schwerwiegende, höchst bedenkliche Konsequenzen er sich nicht klar gemacht hatte. Auch seine chiliastischen Träumereien erregen unser Befremden. Allein trotzdem erfreuen die göttlichen Anweisungen den Leser durch die Wärme und durch die Eleganz der Darstellung. Lactantius hatte ganz richtig erkannt, dass, wenn die Bildung eine christliche werden solle, die Schönheit der Form von wesentlicher Bedeutung sei. So lange das Christentum sich aus den Kreisen der Ungebildeten ergänzte, konnte man auf das feine Schriftidiom verzichten und in vulgärer Sprache reden; als aber die Gebildeten sich in immer grösseren Scharen zu dem Christentum drängten, musste das Vulgärlatein unbrauchbar werden; jezt war das den Gebildeten von der Schule her geläufige Schriftlatein das notwendige Organ der Mitteilung. Schon Minucius Felix hatte dies erkannt; sein würdiger Nachfolger auf diesem Gebiet ist unser Autor. Sein Latein ist gefällig und leicht, es ist ersichtlich, dass er sich durch das Studium des grossen Meisters der römischen Prosa, Cicero, ge

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1) Ueber diesen Dualismus vgl. die eingehende Darstellung bei BRANDT, Sitzungsber. der Wiener Akademie 118 (1889) Abh. VIII, p. 4.

bildet hat. Sein stilistisches Verdienst ist aber um so grösser zu erachten, als seine afrikanischen Zeitgenossen und vor allem sein Lehrer Arnobius andere Wege gewandelt waren. Sein guter Geschmack bewahrte ihn vor den Irrwegen des Stiles. Auch die sklavische Nachahmung und die Eintönigkeit der Darstellung ist ihm fremd; in der Schrift de mortibus persecutorum weiss er ganz andere Töne anzuschlagen, als in den Lehrschriften. Durch die letzteren zeigt er, dass dem christlichen Geist das lateinische Idiom dienstbar gemacht werden kann. Unserm Autor wird stets der Ruhm bleiben, wenn auch kein tiefer, so doch ein geschmackvoller Darsteller des Christentums zu sein.

Litteratur. a) Allgemeine Schriften: BERTOLD, Prolegomena zu Lact., Metten 1861; KorzÉ, Specimen historico-theologicum de Lact., Utrecht 1861; LEUILLIER, Études sur Lactance, apologiste de la religion chrétienne, Caen 1846; HUBER, Die Philosophie der Kirchenväter, München 1859, p. 218; J. A. DORNER, Die Lehre von der Person Christi I (Stuttgart 1845) p. 777.

3) Spezielle Schriften. HEINIG, Die Ethik des L., Grimma 1887 (Leipziger Dissert.); MARBACH, Die Psychologie des Firmianus Lactantius, Halle a. S. 1889; OVERLACH, Die Theologie des L., Schwerin 1858 (Progr.); ALT, De dualismo Lact., Breslau 1839. Dasselbe Thema behandelt MÜLLER, Quaestiones Lactantianae, Göttingen 1875; LEUILLIER, De variis Lactantii Firmiani contra philosophiam aggressionibus, Bellovaci 1846; CH. FR. JACOB, Lactance considéré comme apologiste, Strasbourg 1848.

Ueber seine Sprache. J. A. KREBS, Dissert. de stilo Lact., Halle 1702; J. H. Buss, De Cicerone Christiano, Giessen 1711; H. J. SPYKER, De pretio instit. div. Lact. tribuendo, Leyden 1826; G. KOFFMANE, Gesch. d. Kirchenlateins, Breslau 1879.

766. Fortleben des Lactantius. Bald nach dem Tode des Lactantius wurden die Schriften, welche zur Einführung in das Christentum dienen sollten, de opificio dei, die institutiones, die institutionum epitome, de ira, wie es scheint zu einem Korpus von 10 Büchern1) zusammengestellt. Diese vier Werke fanden die grösste Beachtung von seiten der Leser und blieben daher erhalten. Die übrigen Schriften des Autors traten dagegen im Laufe der Zeit immer mehr in den Hintergrund und gingen schliesslich verloren; nur das Gedicht vom Vogel Phoenix und das Schriftchen de mortibus persecutorum haben sich noch auf unsere Zeit herübergerettet. Die christlichen Schriften hatten bald nach dem Tode des Verfassers, wahrscheinlich noch im vierten Jahrhundert, ein eigentümliches Schicksal, sie gerieten nämlich in die Hände eines Fälschers. Lactantius hatte nämlich die Notwendigkeit des Bösen behauptet, dabei aber die Schwierigkeiten, welche dieser Lehre anhaften, übersehen. Der Fälscher strebte daher grössere Konsequenz in der Frage an und suchte schliesslich das Böse in Gott selbst. Es ist kaum zweifelhaft, dass diese Zusätze, vom Standpunkt der Überlieferung, des Inhalts und der Sprache aus betrachtet, nicht etwa als spätere Zusätze des Lactantius, sondern nur als Fälschungen angesehen werden können. Dagegen besteht kein Grund, die panegyrischen Zusätze diesem Fälscher zuzuschreiben; dieselben rühren vielmehr anscheinend von Lactantius selbst her, der seine früher erschienenen Institutionen nachträglich dem Kaiser Constantin dedizierte. Zeugte schon die erwähnte Fälschung von der hohen Wertschätzung, welche Lactantius genoss, so erhellt auch aus anderen Indizien,

1) BBANDT, Ueber die dualistischen Zusätze, Sitzungsber. der Wiener Akademie 119 [1889] p. 69.

dass er ein beliebter, viel gelesener Autor war. Durch eine ganze Reihe von christlichen Schriftstellern, auch solchen, die ihn nicht nennen, kann man seine Spuren verfolgen. Hieronymus erwähnt unsern Autor öfters; an einer Stelle fasst er sein Urteil über ihn dahin zusammen, dass er ihn in Bezug auf die Form mit Cicero vergleicht, in Bezug auf den Inhalt aber bemerkt, dass seine Stärke mehr in der Bekämpfung des Heidentums als in der Begründung des Christentums liege. Ein ähnliches Urteil fällt auch Apollinaris Sidonius. Augustin führt den Lactantius zwar selten an, allein, dass er ihn studiert hat, ist nicht zweifelhaft. Tiefer gehende Wirkungen auf die Entwicklung der Theologie konnten von Lactantius allerdings nicht ausgehen, da ihm Schärfe der Spekulation abgeht und sein Standpunkt nicht durchweg orthodox ist. Es ist daher kein Wunder, dass in dem sogenannten decretum Gelasianum. Lactantius verworfen wurde. Allein die Schönheit der Form und die Leichtfasslichkeit des Inhalts sicherten dem Autor sein Fortleben. In zahlreichen Exemplaren wurde sein Hauptwerk abgeschrieben. Besonders in der Zeit des Wiedererwachens der Wissenschaft wurde er sehr gefeiert. Petrarca ergeht sich in begeisterten Lobsprüchen über denselben und Pico Mirandola (1470-1533) nennt ihn den christlichen „Cicero".1) Ähnliche Urteile könnten noch viele angeführt werden. Die neuere Zeit steht dem Autor kühler gegenüber; er wird viel weniger gelesen als früher und mitunter geringschätzig beurteilt. So nennt ihn der ausgezeichnete Kirchenhistoriker Hase 2) einen „christlichen Sophisten". Den Theologen unserer Zeit, welche der Entwicklung der christlichen Dogmen nachgehen, bietet die Eleganz der Form keinen Ersatz mehr für die Schwäche des Inhalts.

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Ueber die dualistischen und panegyrischen Zusätze handelt sehr eingehend mit genauer Berücksichtigung der früheren Litteratur BRANDT, Ueber die dualistischen Zusätze und die Kaiseranreden bei Lactantius. I. Die dualistischen Zusätze (Sitzungsber. der Wiener Akademie 118 [1889] Abh. VIII), II. Die Kaiseranreden (Sitzungsber. der Wiener Akademie 119 [1889] Abh. I). in der letzten Abhandlung fasst BRANDT p. 67 seine Untersuchungen dahin zusammen dass die dualistischen und panegyrischen Stücke einem und demselben Verfasser ihren Ursprung verdanken. Irgendwelche äussere Umstände oder Widersprüche zwischen beiden, um derentwillen jene Annahme unmöglich wäre, liegen nicht vor, vielmehr stimmt alles aufs beste zu derselben, wobei man naturgemäss ja auch den verschiedenartigen Inhalt berücksichtigen muss. Beide sind in denselben Handschriften überliefert, beide zeigen, wie auch ohne besonderen Nachweis gesagt werden darf, im ganzen denselben sprachlichen und stilistischen Charakter. In beiden finden wir dieselbe Nachahmung des Lactanz unter variierender Benutzung zahlreicher Stellen desselben, beide weisen auf das vierte Jahrhundert als Entstehungszeit, beide auch auf Trier als Entstehungsort. Beider Verfasser ist nicht ein Geistlicher, sondern allem Anscheine nach ein Rhetor, vielleicht ein Lehrer der Schule von Trier, jedenfalls ein Mann, der die rhetorische Schulung jener Zeit durchgemacht hat". Die Gleichstellung der dualistischen und panegyrischen Zusätze ist entschieden unrichtig. Vgl. auch SEEK, Gesch. des Untergangs der antik. Welt 1 (1895) p. 437.

Zeugnisse. Hieron. ep. 58, 10 Lactantius quasi quidam fluvius eloquentiae Tullianae, utinam tam nostra affirmare potuisset, quam facile aliena destruxit. Comm. in Eccles. zu 1, 2 Firmianus quoque noster in praeclaro institutionum suarum opere Y litterae meminit et de dextris ac sinistris plenissime disputavit (inst. 6, 3, 6 [I, 486 B]); Apollinaris Sidonius ep. IV, 3, 7 (p. 55, 25 ed. Luetjohann): iam si ad sacrosanctos patres pro comparatione veniatur, instruit (Claudianus Mamertus) ut Hieronymus, destruit ut Lactantius, adstruit ut Augustinus.

1) Opera omnia Jo. Franc. Pici Miran- | dulae Bas. 1573 p. 21; vgl. BRANDT, Proleg. P. I (1890) p. XI.

p. 255.

2) Kirchengeschichte 1, Leipz. 1885,

Ausgaben. Die Ausgaben des Lactantius sind sehr zahlreich, sie werden auf 112 angegeben. Kein Kirchenschriftsteller wurde so oft ediert als er. Die editio princeps erschien 1465 zu Subiaco und ist das erste Buch, das in Italien gedruckt wurde. Ueber die folgenden Ausgaben, die römischen vom Jahre 1468 und 1470, über die von Venedig aus den Jahren 1471 und 1472 und die von denselben abhängigen vgl. BRANDT II, 1 p. XLII. Grossen Einfluss gewann dann die editio des Janus Parrhasius vom J. 1509. Für die Textgestaltung ist dann von Wichtigkeit geworden die des Jo. Bapt. Egnatius, eine Aldina v. J. 1515; noch einflussreicher wurde die zweite Aldina vom J. 1535, welche von Honoratus Fasitelius besorgt wurde. Von den folgenden Ausgaben sind zu nennen eine Kölner „ex officina Petri Quentel v. J. 1544, eine Basler des Xystus Betuleius (Sixtus Birken) vom J. 1563 und die zweite Tornesiana vom J. 1567. Das Jahr 1712 wurde insofern epochemachend für Lactantius, als in diesem Jahre die ganze Epitome von Pfaff ediert wurde. Von den Herausgebern des 18. Jahrhunderts nennen wir Jo. G. Walch, der 1715 (und 1735) den Lactantius publizierte; Christoph Aug. Heumann, der in seiner Ausgabe (Göttingen 1736) die Textkritik etwas willkürlich handhabte, endlich Ludolph Buenemann, der unsern Autor zu Leipzig 1739 erscheinen liess; von seiner Ausgabe sagt BRANDT LXVI: cuius editio inter eos est libros, qui numquam obsolescent; qui quamquam nunc neglegi solet ab iis qui historiam philologiae scribunt, inter praeclarissimos tamen philologos quos saeculum XVIII tulit numerandus est. Wir reihen an die französischen Gelehrten Jo. Bapt. Brun u. Nic. Lenglet Dufresnoy, von denen der letztere die von dem ersten begonnene Ausgabe vollendete (Paris 1748); wiederholt liegt der Text in der Ausgabe von Oberthür (Würzburg 1783) vor. Unserm Jahrhundert endlich gehören an die Ausgabe von O. Fr. FRITZSCHE, welche den 10. Bd. der bibliotheca Patr. eccles. lat. von Gersdorf bildet (Leipzig 1842 und 1844) und die ausgezeichnete, jetzt allein massgebende Ausgabe von S. BRANDT und LAUBMANN: L. C. F. Lactantii opera omnia. Accedunt carmina eius quae feruntur et L. Caecilii qui inscriptus est de mortibus persecutorum liber, recensuerunt S. BRANDT et G. LAUBMANN, Pars I, Div. inst. et epit. div. inst., rec. S. BRANDT (Corpus script. eccles. lat., vol. XIX) Wien 1890; Partis II Fasc. I Libri de opificio Dei et de ira Dei. Carmina. Fragmenta. Vetera de Lactantio testimonia. Ed. S. BRANDT (Corp. script. eccles. lat., vol. XXVII, Wien 1893). Die Schrift de mortibus persecutorum, deren Bearbeitung BRANDT in Verbindung mit G. LaubMANN übernommen, ist noch nicht erschienen, befindet sich aber im Druck.

10. Reticius von Autun.

767. Die Schriften des Reticius. Eine hervorragende Stelle nahm unter den Kirchenhäuptern der konstantinischen Zeit der Bischof von Autun, Reticius, ein. In der Donatistensache wurde ihm das Schiedsrichteramt übertragen. Dies geschah auf der Synode zu Rom, im Jahre 313. Auch als Schriftsteller war er thätig. Er verfasste: 1. einen Kommentar zum hohen Lied, über welchen Hieronymus ein sehr abfälliges Urteil fällt; 2. ein grosses Werk gegen Novatianus, aus dem uns Augustin einen Satz aufbewahrt hat (Augustin. contra Julianum Pelag. 1, 3, 7 und Op. imp. contra Jul. 1, 55).

Ueber den Kommentar zum hohen Lied vgl. Hieron. ep. 37, 1 innumerabilia sunt, quae in illius mihi commentariis sordere visa sunt. est quidem sermo compositus et Gallicano cothurno fluens, sed quid ad interpretem, cuius professio est, non quo ipse disertus appareat, sed quo eum, qui lecturus est, sic faciat intelligere, quomodo ipse intellexit qui scripsit? (vgl. noch ep. 5, 2).

Die grosse Schrift gegen Novatian war Harnack früher geneigt in dem unter den cyprianischen Schriften stehenden Traktat zu erblicken; allein er hat neuerdings diese Ansicht fallen lassen, indem er den Papst Sixtus II. (257–258) als Verfasser der Schrift erweisen will; vgl. § 731 p. 335.

Hieron. de vir. inl. 82. Reticius Aeduorum id est Augustodunensis episcopus sub Constantino celeberrimae famae habitus est in Galliis. leguntur eius commentarii in Cantica Canticorum et aliud grande volumen adversus Novatianum, nec praeter haec quidquam eius operum reperi. (SYCHOWSKI, Hieronymus als Litterarhistoriker p. 173).

Ueber seine Teilnahme an der Synode von Rom (313) und sein Schiedsrichteramt in Sachen der Donatisten vgl. Augustin. contra Julianum Pelag. 1, 3, 7: Reticium ab Augustoduno episcopum magnae fuisse auctoritatis in ecclesia tempore episcopatus sui, gesta illa ecclesiastica nobis indicant, quando in urbe Roma, Melchiade apostolicae

sedis episcopo praesidente, cum aliis iudex interfuit Donatumque damnavit, qui prior auctor Donatistarum schismatis fuit, et Caecilianum episcopum ecclesiae Carthaginiensis absolvit.

Die Martyrien.

768. Allgemeines. Die Martyrien der Glaubenszeugen bildeten von jeher die Bewunderung der christlichen Gemeinden. Die Martyrer waren ihre Helden, deren Thaten man im Gedächtnis behielt und gern erzählte. Besonders waren es die Sterbtage derselben, die sich der grössten Beachtung erfreuten. Bald entstanden Verzeichnisse dieser Tage, es sind dies die sogenannten Martyrologien, von denen vier historischen Wert besitzen: Die depositio martyrum, der karthagische Kalender, das syrische Martyrologium, das Martyrologium Hieronymianum. Auch kam frühzeitig die Sitte auf, dass an den Gedenktagen das Leben der Martyrer zur Erbauung der Gemeinde vorgelesen wurde. Den Stoff zu diesen Martyrergeschichten gaben zwei Quellen an die Hand: Die acta und die passiones. Die acta sind die öffentlichen Protokolle, welche in dem Prozesse der Martyrer aufgenommen wurden. Solche Protokolle konnten sich die Christen aus den Archiven verschaffen oder abschreiben; auch der Fall ist denkbar, dass Christen bei den Verhandlungen gegen die Blutzeugen anwesend waren und sich die wichtigen Momente des Prozesses notierten. Dieser öffentlichen Quelle steht eine private in den passiones gegenüber. Dies sind Erzählungen eines Martyrium. Stammen diese Erzählungen von Augenzeugen her, so verdienen sie trotz des subjektiven Gepräges volle Wertschätzung des Historikers. Leider bemächtigte sich die fromme Phantasie der Martyrien; es entstanden Dichtungen, die zwar einen historischen Kern voraussetzen, allein denselben so überwuchert haben, dass er sich nur in den seltensten Fällen herausschälen lässt.

Unsere Aufgabe kann nur sein, einige charakteristische Proben dieser Litteraturgattung zu geben. Um die beiden Formen zur Anschauung zu bringen, besprechen wir die Prozessakten der Martyrer von Scilli und die passio der Perpetua und der Felicitas.

Martyrerkalender. Solche sind

1. Depositio martyrum des Chronographen v. J. 354 (vgl. MoмMSEN, Abh. der sächs. Gesellsch. d. Wissenschaft 1850 p. 631-633);

2. Der karthagische Kalender aus dem Anfang des 6. Jahrhunderts (MABILLON, Veterum analectorum tom III, Paris 1682 p. 398–401. Kalendarium antiquissimum ecclesiae Carthaginiensis);

3. Das syrische Martyrologium, das in einer Handschrift vom Jahr 412 vorliegt (der syrische Text findet sich in the journal of sacred literature and biblical record, edited by B. HARRIS COWPER, vol. VIII (new series) London 1866 p. 45-56; eine englische Uebers. auf Seite 423-432; eine deutsche bei EGLI, Altchristl. Stud., Zürich 1887 p. 5-29.

4. Das Martyrologium Hieronymianum aus der Zeit des Papstes Sixtus III. (432-440), herausgeg. von De Rossi und Duchesne in acta sanctorum Novemb. T. II Pars prior (3 und 4 Nov.) Brüssel 1894. Vgl. Neues Archiv 20, 437. De Rossi, Il martirologio geronimiano in La Roma sotteranea cristiana II, 1867; DE ROSSI, Le martyrologe Hieronymien, École française de Rome, Mélanges d'archéologie et d'histoire, Ve année 1885 p. 115-119; Duchesne, Les sources du martyrologe Hieronymien; MÉLANGES a. a. O. p. 120-160; dazu vgl. HARNACK, Theol. Litteraturztg., 13. Bd., 1888, S. 350-352. Durch glänzende Untersuchungen haben De Rossi und Duchesne festgestellt, dass die Ueberlieferung auf eine Form des Martyrologiums zurückführt, welche zu Ende des 6. oder zu Anfang des 7. Jahrh. in Gallien und zwar in Auxerre entstand. Diese alte Vorlage wurde aus Kalendern verschiedener Kirchen zusammengearbeitet: aus einem orientalischen Martyrologium aus der Zeit von 363-381, aus einem vorvandalischen Kalender von Afrika und aus einem römischen Kalender, wahrscheinlich aus der

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