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nach dem Neuen: macht sich der Mensch seine Einrichtungen selbst; alle Gewalt ist im Volke, das damit bekleidet und davon entkleidet wen und wie es will. Kurz, nach dem Alten System: ist der König c. ein Hirte, der seine Heerde auf grüner Auen weidet, ein Vater, der seiner Kinder hütet und wacht, ein wohlthätiger Genius von höherer Hand bestellt für sein Volk zu denken und zu wollen und mit stiller Liebe über ihm zu schweben, und das Volk, das sich seiner Rechte und des bürgerlichen Selbst= denkens und Selbstwollens begeben hat, lebt im Glauben und im Vertrauen; und das Neue System scheint, die Aeußerungen unsrer Schriftsteller zusammengenommen, ein allgemeines reines Vernunftregi= ment zu seyn. Die Staatsbürger thun alles selbst; die Schaafe weiden sich auf der grünen Aue selbst; die Kinder wachen und húten ihrer selbst; das Volk schwebt selbst über sich selbst; mit einem Worte: jed= weder Einzelne ist im Genuß seiner Rechte, und soll, als Staatsbürger, selbst denken und selbst wollen und darum muß er nun über die Menschen-Rechte 2c. belehrt und aufgeklärt werden u. s. w.

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Es gibt eine Seite, von welcher angesehen dies Neue System nicht ohne Schein ist. Das Alte ist offenbar großem Mißbrauch unterworfen, und es scheint, daß diesem Mißbrauch durch das Neue ge= wehrt und abgeholfen werde. Und überhaupt ist die Behandlungsart, wo jeder einzelne Mensch als ein Wesen, das Verstand und Willen hat, behandelt wird, wenn fie practicabel ist, wohl edel und Ehren

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werth. Endlich wird: ob der Mensch als Mensch seine Rechte habe, schwerlich irgendwo bezweifelt werden daß also hier das »Nachsinnen und Wiederkåuen und Bewegen im Herzen « keinem Menschen verargt werden kann, und ihm nicht zur Schande, sondern zur Ehre gereicht. Wenn man aber in einer so ernsthaften Sache zufährt, und schon als ausgemacht annimmt, was erst ausgemacht werden sollte; wenn man gleich zum Werk schreitet, und heimlich und öffentlich, in Zeitungen und Büchern, gesalzen und ungesalzen, sanft und mit Numor, von Freyheit und Menschen - Rechten verkündigt und predigt, und unbedingt mit Aufklärung an dem Menschen handthiert; so ist die Procedur etwas voreilig und tumultuarisch, und der Kanzler von Ephesus würde sagen: »Ihr Månner von Ephesus, welcher Mensch »ist, der nicht wisse, daß das Volk nicht zertreten » werden soll, und daß es Menschen Rechte gebe. » Weil nun das unwidersprechlich ist: so sollt Ihr ja »stille seyn, und nichts Unbedächtiges handeln hat » aber Jemand zu Jemand einen Anspruch: so hålt »man Gericht und sind Landvågte da; lasset sie sich >> unter einander verklagen, Wollet Ihr aber etwas »anders handeln, so mag man es ausrichten in einer >> ordentlichen Gemeine. Denn wir stehen in der »Fahr, daß wir um dieser heutigen Empörung ver» klaget möchten werden, und doch keine Sache vor» handen ist, damit wir uns solcher Aufruhr ent»schuldigen möchten. «<

Ich sage, die Procedur sey etwas voreilig. Wir

irren Alle mannichfaltig. Es könnte doch seyn, daß wir auch hier irreten; hier: wo der Irrthum so leicht zu begehen, und so schwer zu vermeiden ist; wo der Bogenschüße nicht bloß vor sich zu sehen hat, sondern auch: was der Pfeil thun und anrichten werde, wenn er von seinem Bogen dahin, und nicht mehr in seiner Gewalt ist; hier: wo es nicht genug ist, daß der Regenbogen in der Luft mit schönen Farben spiele, sondern wo er auch auf die Erde muß können niedergebeugt werden, ohne seine Farbe zu verliehren, und wo eine ungemeine Erfahrung und eine feine Mathesis dazu gehört, die Strahlenbrechungen bey der Operation im voraus sicher zu bes rechnen. Denn wir sollen doch nur wollen, was am Ende und wahrhaftig wahr und gut ist, und nicht was nur gleißet und scheint.

Das Neue System nun hat großen Eingang und viele Anhänger gefunden, unter allen Classen von Menschen, und das war zu vermuthen und ist kein Wunder. Uebelgesinnte Menschen konnten glauben: ihre Rechnung dabey zu finden; eitle und leichtsinnige Menschen waren von jeher eitel und leichtsinnig, und regieren mögen wir Alle gern. Auch die Gutgesinnten waren nicht allerdings schußfrey. Ihr edler Unwille über die Schmach und Schande, die Menschen zu allen Zeiten von der Tyranney ha= ben erdulden müssen, konnte ihnen ins Auge treten, und es so, in diesem System, was es gerne sehen wollte, Land sehen machen; sie konnten, indem sie für ihr Geschlecht einen Tag des Heils heimlich her

wünschten, sich durch den Schein eines Anbruchs übernehmen lassen: das Heil von dieser Seite zu erwarten, und ihm mit Freudengeschrey entgegen gehen.

Und wenn das Heil würklich da und im Anzuge wåre, wer gienge nicht gerne mit ihnen! Ist doch des Menschen Herz in seinem Inwendigsten geneigt zu Liebe und Wohlwollen! Wird es doch nicht

befriedigt als durch eine unvermischte, ungestörte und allgemeine Glückseeligkeit, wo die Wellen hoch, und rund um bis an den Horizont schlagen!

Wer aber überzeugt ist, daß von dieser Seite nur Unordnung und Unglück, und kein Heil komme; und daß das Alte System, mit allen seinen Gebrechen, das einzige sey, das die Menschen bürgerlich zusammenhalten und glücklich machen kann; soll der auch mitgehn und frohlocken? Das foll er nicht! Sondern er soll, nun es einmahl darüber zur Sprache gekommen ist, treu und unverholen dagegen fagen: was er dagegen weiß, und so gut er es weiß, es bringe ihm Dank oder Undank. Er foll sagen, was wahr ist, und was zum Frieden dienet, und was zur Besserung unter einander dienet, mit sanften freundlichen Worten. Wiewohl ihm etwas Eyfer nicht zu verübeln wäre. des Eyfers werth; und die Löwinn, die ihre Jungen vertheidigt, pflegt nicht mit dem Schwanz zu wedeln.

Denn die Sache ist

So lange politische Meynungen in der obern Atmosphäre, der Region der Gelehrten, verhandelt werden; so geht das die Leute unten auf der Erde

wenig an. Wer sich eine gute Rüstung und Muth und Talent fühlt, mag hingehen und Ehre einlegen; und wer sich das nicht fühlt, kann ruhig zu Hause bleiben, und den Verhandlungen zusehen. Seitdem sie aber irgendwo in die untere Region herabgekommen sind, ist die Sache ganz anders, und Maus und Mann sind interessirt. Ein Jedweder, der Erste der Beste, springt wie er geht und steht hervor; nicht, weil er Recht haben oder Ehre einlegen, sondern weil er selbst zusehen, und sich in einer se wichtigen Sache nichts will auf die Nase binden lassen.

Und das ist mein Fall. Ich hasse mich und meine Mitmenschen nicht, und es ist mir nicht gleich viel, ob es mir und Andern wohl oder übel gehe.

Ich sehe freylich auch wohl ein, daß Manches in der Welt anders seyn könnte und seyn sollte, und daß eine Besserung nicht unnöthig wåre; nur kommt es mir vor, daß die Besserung nicht årger als das Uebel seyn müsse, das man bessern will; daß man den Kopf nicht dran geben müsse, um das Ohrläpps lein zu retten, und daß ein kleineres Glück, das man hat, besser sen, als ein größeres, das man erst haben soll u. s. w.

Auch kommt es mir vor, daß die äußern Einrichtungen es allein wohl nicht gar thåten. Es gibt Republiquen, und doch sind dort Mißvergnügte. Also am Menschen liegt es. Dem ist nichts gut und nichts recht; der will immer etwas Anders und etwas Neues; will immer bauen und bessern; ist immer nicht reich, nicht machtig, nicht geehrt genug; und der macht

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