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liche Luftbarkeiten sind Tummelplåge der bösen Geister; Kezer sich rechtlos; alles heterodore Sprechen und Schreiben kann nicht geduldet werden, daher das Verkaufen aller akatholischen Schriften verboten und die öffentliche Selbstvertheidigung eines Kezers oder Schismatikers, so wie der Handelsverkehr mit Akatholiken, als leicht ansteckend, unzulässig ist. Ein Staat endlich ist, nach der höheren Bedeutung, welche er in den legten Dezennien gewonnen, durchaus unmöglich; denn was er sichern soll, Glaus bens, Sprech, Preß-, Studien- und CultusFreiheit, kömmt gar nicht zu Stande; er allein bestehen kann, mein-menschlichem Gesez beschränkt,

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worin Freiheit, nur von allges

sein Grundbegriff,

ist unzuläsSicherung aller Mittel zur reichlichsten Entwicklung und Perfektion aller Einzelnen, und der daraus entspringende. En d› zweck - einer allgemeinen Glückseligkeit auf Erden — können daher gar nicht zum Vorschein kommen 1). Eben so muß entweder der Monarch alles Wichtige erst der römischen Sanktion unterwerfen, oder, falls er kein Katholik ist, stets sich und die nichtkatholischen Staatsbürger gegen die Angriffe vertheidigen, welche die streitende Kirche consequenterweise gegen alles Feindliche, d. h. akatholische, immer von neuem wiederholt. Niemals nåmlich darf aus den Augen

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1) Schon Macchiavelli stellte in seinen Discorsi etc. (L. II. c. 2) Betrachtungen an, in welcher der Einseitigkeit, in die das Christenthum in der römischen Kirche verfallen ist, zuge= schrieben wird, daß das bürgerliche und Staatswesen damals gegen das der alten Welt weit zurückstehe.

verloren werden, daß der Bestand der katholischen Kirche als solcher an die hierarchische Einheit geknüpft ist, und daß mithin alles dasjenige, was das Durchgängige dieser Einheit zu hemmen und damit die Einheit aufzuheben scheint, nothwendig von dem Einheitspunkte perhorreszirt, und, fo weit als möglich, repellirt werden muß. Hångt nicht die gesammte Geistlichkeit durchaus vom Pabste ab, so ist Zwiespalt unvermeidlich, Lösung desselben unthunlich. Mit dem Pabste steht und fällt also die katholische Kirche, und wenn der Fürst sich ihm nicht in Allem unterordnet, so ist das Ansehen des Pabstes schon gebrochen, seine Wirksamkeit gehemmt, die Einheit wesentlich gefährdet. Nur Einer kann der Oberherr seyn, und da es viele Fürsten und nur Ein Pabst giebt, so ist kein Zweifel, wer gehorchen müsse, wenn Eine Ordnung im römischen Sinne, wenn Hierarchie, wenn römische Kirche, römischer uniformer Cultus, römischer Glaube d. h. übers haupt römisch-katholische Religion seyn soll. Aber eben so unzweifelhaft ist es, daß jeder Nagel, mit welchem die Bretter des Saatsschiffes aneinander befestigt werden, der römischen Arche entzo= gen, daß mit jedem Steine, welcher zum Wohnhaus der bürgerlichen Gesellschaft aufgetragen wird, die römische Kirche mehr und mehr zum Grabmale vermauert wird.

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Siebentes Kapitel.

Allgemeine Zerrissenheit als Folge des römisch-katholischen Prinzip s.

„Dimidius patrum, dimidius plebis, ne secum quidem ipse concors."

Livius (L. IV. c. 2.)

Es hat sich uns im Vorhergehenden gezeigt, daß das Prinzip der römisch-katholischen Kirche nicht nur der theoretischen, sondern auch der praktischen Freiheit zuwider ist, und daß die langwierige Hemmung der wissenschaftlichen und politischen Entwicklung in den katholischen Låndern auf dieses Prinzip, und auf den, daraus hervorgegangenen, an dasselbe durch zeitliches Interesse, gebundenen Klerus, als auf ihren allgemeinsten Grund zurückweist. Wir haben in flüchtigem Ueberblick gesehen, daß keines der Länder, in welchen jene Kirche noch wirklich irgendwie herrscht, auch nur irgendwie als glücklich betrachtet werden könne. Und wie könnten auch Länder glücklich heißen, welche in zwei, oder richtiger in drei Völker getheilt sind, deren zwei in ståtem Widerstreite leben und deren Drittes mehr oder weniger zwischen jenen beiden hin und her geschleudert wird? Dies aber ist die Lage aller katholischen Lånder. Der Klerus, oder der Stand der Auserwählten 1), muß seinen

1) Dieses Auserwähltseyn ist, wie wir gesehen haben, ein Hauptmoment der römisch-katholischen Religion. Nur durch

jeglichen Angriff

Grund und Boden, die Vergangenheit, gegen als absolute Gegenwart zu behaupten suchen, und er kåmpft für diese Historie,entweder, weil er, von Jugend auf blos im Vers gangenen auferzogen und darin befangen, dasselbe wirklich für ein noch durchaus Gegenwärtiges und Unendliches hält, oder weil er sein eigenes zeits liches Interesse an jene Behauptung geknüpft sieht,oder endlich weil er, zwar das Bessere einsehend, dennoch, um bornirter wohlmeinender Absichten willen,

den Klerus kann der Laie mit seinem Vater im Himmel wieders verbunden, oder, genauer zu reden, nur durch die Instrumente des heil. Geistes kann der Höllenbürger ein eigentlicher Mensch, der Teufelsunterthan ein Bürger im Reiche Gottes - werden, und es ist nur eine unvermeidliche Consequenz dieses Prinzips, wenn einerseits z. B. von den Juden (als an jener Vermittlung nicht theilnehmend) gesagt wird: „ils portent, comme Caïn, dans l'univers le signe de leur réprobation etc. (Lettre pastorale de l'évêque de St-Brieue, du 1er février 1824) (sollten sie etwa wieder zu tausenden verbrannt werden, wie in den guten alten Zeiten ?!); wenn anderseits die Römer, als unmittelbar unter der Influenz des Oberhauptes der Auserwählten sich befindend, für das unter sämmtlichen Katholiken „a u serwählte Volk“ erklärt werden, unter welchem der Fürst der Geistlichen den Stuhl des heil. Peters aufzustellen beliebt hat." (So steht ausdrücklich in der Bulle vom 24. Mai 1824, durch welche der jeßige Pabst das nächste Jubeljahr ankündigt,) — wenn endlich die Geistlichen von sich selbst sagen :—,,weit größere Huld ward uns zu Theil als einst den Kindern Aaron's; eine beinahe göttliche Auserwählung." (Hirtenbrief des Bischofs von Tiniez, übers. von Silbert. 1824. S. 64.) Der Laie ist gegen solche Auserwählte nichts als plebs, und, insofern sie keine eigene Meinung haben sollen u. s. w., nichts als ein homo sine capite, ein angоowños, wie die Sklaven bei den Römern waren (s. Theophil. pr. Inst. de stip. serv.),

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bei Festhaltung am Vergangenen sich ein gutes Ger wissen macht. Mehr oder weniger unglücklich schon durch Entbehrung der beglückenden Familienfreuden, unglücklicher oft durch unabweisliche Zweifel in Glaus benssachen, durch für alle Zukunft bindende Gelübde, durch den so schweren, sich stets erneuernden, durch Vers bot noch gesteigerten, Kampf mit oft unvertilgbaren Naturtrieben, muß dieser Stand sich immer noch unglücklicher fühlen durch die steigende Besorgniß um die Verführung und den Abfall seiner Untergebenen. Denn ihm gegenüber wächst ein dritter Stand von sogenannten Aufgeklärten oder Gebildeten heran, welcher vernünftige Freiheit für ein allgemei nes Recht, und Aufhebung ihrer Hindernisse für allgemeine Pflicht erachtet; welcher schon hier eine wahre Seligkeit genießet und verheißt — durch innerliche Wiedergeburt des Herzens und durch allmählige Ausgeburt eines Reiches Gottes auf Erden.

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Dieser Stand, welcher gleichsam nur hinter dem Rücken und gegen den Willen des geistlichen Standes zu Stande kömmt, ist nothwendig gegen dies sen formell gespannt, wie er sich ihm materiell übers legen fühlt. Aber ihm selbst fehlt eben damit Zweis faches zur Befriedigung. Er sieht nämlich einestheils jenen Stand als Hinderniß des allgemeinen Friedens an, und sieht anderntheils sich selbst nur als eine blose Masse von Individuen, während er das beseeligende Moment der kirchlichen Gemeinschaft entbehrt 1). Und dennoch kann er nicht Theil

1) Das erste Moment war das Vorherrschende in Deutschland vor der Reformation, in Frankreich und in Spanien vor der Re

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