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Erster Artikel 1).

Wer sich die Mühe geben wollte, eine Parallele zwischen der Entwickelung des italienischen und des deutschen Städtewesens zu ziehen, würde schnell zu den interessantesten Resultaten gelangen, und das Leben jener beiden Nationen, auf deren Vereinigung unter einem gemeinsamen Haupte die Macht und Grösse Mittel-Europa's beruhte, in seinen glänzendsten Seiten erfassen und darstellen können. Nur würde sich gleich vom Anfange der grosse Unterschied ergeben, dass in Italien überhaupt von keinem gemeinsamen Volke, sondern nur von einer Städte geschichte die Rede ist, das ganze politische Leben Italiens sich wesentlich auf das geistvolle und leidenschaftliche Treiben einer Anzahl städtischer Communen reducirt, die früh den mächtigen Landadel zwingen, Bürgerrecht bei ihnen zu nehmen, und nur der Süden, in welchem die erst langobardische, dann normannische Einwanderung, das Feudalwesen, die arabische Herrschaft eine fast absolute königliche Regierung begünstigte, macht davon eine Ausnahme. Auch sind die italienischen Städte vorzugsweise römische Municipien, die in ihren ersten politischen Einrichtungen alte Traditionen bewahrten, denen selbst das neu gegründete Venedig nicht entgehen mochte, während in Deutschland ein grosser Theil der nachher mächtigsten Städte von Anfang an mit deutschen Institutionen begabt war. Auch hat der Kampf der Guelfen und Ghibelinen, welcher die italienischen Städte zu einer raschen Blüthe und eben so raschem Verfalle brachte, bei uns niemals so intensiv, so zerstörend gehaust, als in Italien, wo er wirkte wie der vulcanische Boden auf die Vegetation Parthenope's, auf die neapolitanischen Reben wirkt, die nicht mehr erquickenden, sondern glühenden Wein spenden. Bei uns ist der Versuchung einer Selbstzerfleischung nach dem Lyoner Concil (1245), ehe noch ein Rudolf von Habsburg auftrat, durch die Städtebündnisse gesteuert worden, während in Italien der Kampf, auf die Ringmauern einer Stadt beschränkt, um so gewaltiger tobte, erst die Ver

1) Die Städte im Zeitalter der politischen Reformbewegung bis zum Ausbruch der Revolution.

nichtung der alten Ghibellinen (des früheren Landadels) herbeiführte; dann als es keine wahren (kaiserlichen) Ghibellinen mehr gab, spalteten sich die siegreichen Guelfen in Weisse und Schwarze, d. h. aus ihrem eigenen Schoosse gingen neue Ghibellinen hervor. Da die alte Aristokratie nicht mehr zu bekämpfen war, begann der Kampf der Zünfte mit den Geschlechtern, der Handwerker und Fabrikanten mit den Landbesitzern; jedoch weil die Gegensätze minder schroff und grossartig geworden waren, nicht mehr auf Leben und Tod, sondern um die Herrschaft, wenigstens in Florenz, wo nach dem milderen Charakter der Einwohner-Ungeheuer gleich den Galeazzi und Ezzelin eben so wenig aufkamen, als die Heldencharaktere venetianischer Patricier, Seefahrer und Feldherren. Endlich, nachdem der Kreislauf vollendet, die Aristokratie zur Demokratie geworden, diese die Ochlokratie geboren, wandte sich alles durch ein gleiches Verhängniss der Tyrannis zu. Man brauchte nicht einmal sehr grosse Mühe sich zu geben. Die kleinen Tyrannen, von welchen Cesare Borgia die Städte der Romagna befreite, hatten keine Wurzeln im Volke; es genügte, sie durch ein gewöhnliches Stratagem zu beseitigen, und man konnte sich dann an ihre Stelle setzen. Als dann der grosse Krieg ausbrach, welcher, wie in Deutschland der 30jährige, in Italien Staaten, Sitten, Gebräuche und Begriffe veränderte, genügte das Mittel August's, von dem Tacitus sagte: otio Romam pellexit. In Florenz wie in Ferrara wollte man Ruhe um jeden Preis, und gab gerne die Freiheit dafür hin. Störrige Köpfe, welche ihre Zeit nicht verstanden, wie jener Strozzi, der sich selbst umbrachte, fanden keine Nachfolger. Sein mit dem eigenen Blute geschriebenes: exoriare aliquis nostris ex ossibus ultor, ist bis zum heutigen Tage vergeblich geschrieben.

Ganz anders in Deutschland. Als in Italien die Periode einer grossartigen Kunstentwickelung bereits die Revolution vorbereitete, welche immer einer solchen erschöpfenden Entfaltung der edelsten menschlichen Kräfte nachzufolgen pflegt, hielt Niccolo Macchiavelli seinen Landsleuten in den beiden ritratti di Francia und d'Allemagna mit kühner Hand den Spiegel ihrer schärfsten Gegensätze vor. Einerseits dem zerrissenen, dem Auslande, d. h. den Barbaren preisgegebenen Italien gegenüber das französische Königsthum, welches Frankreich staatlich abgeschlossen und gerundet hatte, und nun die gebändigte Aristokratie zum Siege auf jene Felder führte, von welchen sich freilich, wie so oft auch damals, am Gariglian, dem Taro und bei Pavia bewies, Italien seiden Lilien nicht hold. Andererseits Deutschland, dessen Kaiser zwar durch die Fürsten und ihre bis zur systematischen Negation getriebene Passivität die schönsten Pläne vereiteln sah, die Ausführung der besten Beschlüsse gehemmt fand, andererseits von den Reichsstädten nicht minder abhängig war. Von diesen aber meinte Macchiavelli nicht nur, dass sie der Nero Deutschlands seien, sondern dass sie ein (im Vergleich zu Italien) zwar rohes, aber freies Leben (Ecosi si godano questa loro rozza vita et libertà) führten, während Italien seine Freiheit seiner Cultur zum Opfer gebracht hatte. Hat Macchiavelli, wie ich nicht zweifle, durch diese beiden Gemälde seinem Principe, dessen neue Auflage wir 1848/9 im Freiheitskampfe Italiens erlebten, die historische Unterlage geben wollen, so hat er durch letzteres den wahren Kern des deutschen Städtewesens berührt. Es galt die Freiheit über alles, und sie zu erringen

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