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Voll von Tisch und Gestühl, Schreibzeug und bezifferten Tafeln,
Wo sie an Pflöck aufhängte die nordische Wintervermummung,
Mäntel, mit Flocken geweißt, und der Tochter bewunderten

Leibpelz,

Auch den Flor, der die Wangen geschirmt, und das seidene

Halstuch.

Und sie umschloß die Enthüllten mit strömender Thräne der
Inbrunst:

,,Tochter und Sohn, willkommen! an's Herz, willkommen
noch einmal!

Ihr, uns Altenden Freud', in Freud' auch altet und greiset,
Stets einmüthiges Sinns, und umwohnt von gedeihenden

Kindern!

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Nun mag brechen das Auge, da dich wir gesehen im Amtsrock,
Sohn, und dich ihm vermählt, du frisch aufblühendes Herzblatt!
Armes Kind, wie das ganze Gesicht roth glühet vom Ostwind!
O du Seelengesicht! Denn ich duze dich, weil du es foderst!
Aber die Stub' ist warm, und gleich soll der Kaffee bereit sein!" 210
Ihr um den Nacken die Arme geschmiegt, liebkoste die Tochter :
Mutter, ich duße dich auch, wie die leibliche, die mich geboren;
Also geschah's in der Bibel, da Herz und Zunge vereint war :
Denn du gebarst und erzogst mir den wackeren Sohn Zacharias,
Der an Wuchs und Gemüth, wie er sagt, nachartet dem Vater. 215
Mütterchen, habe mich lieb, ich will auch artiges Kind sein.
Fröhliches Herz und rothes Gesicht, das hab' ich beständig,
Auch wenn der Ost nicht weht. Mein Väterchen sagte mir
oftmals,

Klopfend die Wang', ich würde noch krank vor lauter Gesundheit."

Jezo sagte der Sohn, sein Weib darstellend der Mutter :

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„Mütterchen, nehmt sie auf Glauben. So zart und geschlank,
wie sie dasteht,

Ist sie mit Leib und Seele vom edelsten Kerne der Vorwelt.
Daß sie der Mutter nur nicht das Herz abschwaße des Vaters!
Komm denn und bring' als Gabe den zärtlichsten Kuß zum Ge-
burtstag!"

Schalkhaft lächelte drob und sprach die treffliche Gattin :
Nicht zur Geburtstagsgabe! Was Besseres bring' ich im Koffer
Unserem Vater zur Lust und dem Mütterchen, ohne dein Wissen!“

Sprach's, und faßte dem Manne die Hand; die führende Mutter Oeffnete leise die Thür', und ließ die Kinder hineingehn. 230 Aber die junge Frau, voll Lieb' im lächelnden Antlig, Hüpfte voraus und küßte den Greis. Mit verwunderten Augen Sah er empor und hing in der trautesten Kinder Umarmung. J. H. Voß (1781).

5. Der Spaziergang.

Sei mir gegrüßt, mein Berg mit dem röthlich strahlenden Gipfel! Sei mir, Sonne, gegrüßt, die ihn so lieblich bescheint! Dich auch grüß' ich, belebte Flur, euch, fäuselnde Linden, Und den fröhlichen Chor, der auf den Aesten sich wiegt! 5 Ruhige Bläue, dich auch, die unermeßlich sich ausgießt Um das braune Gebirg, über den grünenden Wald, Auch um mich, der, endlich entflohn des Zimmers Gefängniß Und dem engen Gespräch, freudig sich rettet zu dir. Deiner Lüfte balsamischer Strom durchrinnt mich erquickend, ΙΟ Und den durstigen Blick labt das energische Licht. Kräftig auf blühender Au erglänzen die wechselnden Farben, Aber der reizende Streit löset in Anmuth sich auf.

Frei empfängt mich die Wiese mit weithin verbreitetem Teppich ;
Durch ihr freundliches Grün schlingt sich der ländliche Pfad.
Um mich summt die geschäftige Biene, mit zweifelndem Flügel
Wiegt der Schmetterling sich über dem röthlichen Klee.
Glühend trifft mich der Sonne Pfeil, still liegen die Weste,
Nur der Lerche Gesang wirbelt in heiterer Luft.
Doch jezt braust's aus dem nahen Gebüsch; tief neigen der Erlen
Kronen sich, und im Wind wogt das versilberte Gras.
Mich umfängt ambrosische Nacht; in duftende Kühlung
Nimmt ein prächtiges Dach schattender Buchen mich ein.
In des Waldes Geheimniß entflieht mir auf einmal die Landschaft,
Und ein schlängelnder Pfad leitet mich steigend empor.
Nur verstohlen durchdringt der Zweige laubiges Gitter
Sparsames Licht, und es blickt lachend das Blaue herein.
Aber plößlich zerreißt der Flor. Der geöffnete Wald giebt
Ueberraschend des Tags blendendem Glanz mich zurück.
Unabsehbar ergießt sich vor meinen Blicken die Ferne,

Und ein blaues Gebirg endigt im Dufte die Welt.
Tief an des Berges Fuß, der gählings unter mir abstürzt,
Wallet des grünlichen Stroms fließender Spiegel vorbei.
Endlos unter mir seh' ich den Aether, über mir endlos,
Blicke mit Schwindeln hinauf, blicke mit Schaudern hinab.
Aber zwischen der ewigen Höh' und der ewigen Liefe
Trägt ein geländerter Steig sicher den Wandrer dahin.
Lachend fliehen an mir die reichen Ufer vorüber,

Und den fröhlichen Fleiß rühmet das prangende Thal. Jene Linien, sieh! die des Landmanns Eigenthum scheiden, In den Teppich der Flur hat sie Demeter gewirkt. Freundliche Schrift des Gesezes, des menschenerhaltenden Gottes,

Seit aus der ehernen Welt fliehend die Liebe verschwand !

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Aber in freieren Schlangen durchkreuzt die geregelten Felder,

Jezt verschlungen vom Wald, jezt an den Bergen hinauf 45 Klimmend, ein schimmernder Streif, die länderverknüpfende Straße.

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Auf dem ebenen Strom gleiten die Flöße dahin.

Vielfach ertönt der Heerden Geläut im belebten Gefilde,

Und den Wiederhall weckt einsam des Hirten Gesang. Muntre Dörfer bekränzen den Strom, in Gebüschen verschwinden Andre, vom Rücken des Bergs stürzen sie gäh dort herab. Nachbarlich wohnet der Mensch noch mit dem Acker zusammen,

Seine Felder umruhn friedlich sein ländliches Dach; Traulich rankt sich die Reb' empor an dem niedrigen Fenster,

Einen umarmenden Zweig schlingt um die Hütte der Baum. 55 Glückliches Volk der Gefilde! noch nicht zur Freiheit erwachet, Theilst du mit deiner Flur fröhlich das enge Gefeß. Deine Wünsche beschränkt der Ernten ruhiger Kreislauf, Wie dein Tagewerk, gleich, windet dein Leben sich ab! Aber wer raubt mir auf einmal den lieblichen Anblick? Ein fremder Geist verbreitet sich schnell über die fremdere Flur. Spröde sondert sich ab, was kaum noch liebend sich mischte, Und das Gleiche nur ist's, was an das Gleiche sich reiht. Stände seh' ich gebildet, der Pappeln stolze Geschlechter

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Ziehn in geordnetem Pomp vornehm und prächtig daher. 65 Regel wird alles, und alles wird Wahl und alles Bedeutung; Dieses Dienergefolg' meldet den Herrscher mir an.

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Vrangend verkündigen ihn von fern die beleuchteten Kuppeln,
Aus dem felsigen Kern hebt sich die thürmende Stadt.
In die Wildniß hinaus sind des Waldes Faunen verstoßen,
Aber die Andacht leiht höheres Leben dem Stein.

Näher gerückt ist der Mensch an den Menschen. Enger wird um ihn,
Reger erwacht, es umwälzt rascher sich in ihm die Welt.

Sieh, da entbrennen in feurigem Kampf die eifernden Kräfte,
Großes wirket ihr Streit, Größeres wirket ihr Bund.
Tausend Hände belebt ein Geist, hoch schläget in tausend

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Brüsten, von einem Gefühl glühend, ein einziges Herz, Schlägt für das Vaterland und glüht für der Ahnen Geseze; Hier auf dem theuren Grund ruht ihr verehrtes Gebein. Nieder steigen vom Himmel die seligen Götter und nehmen. In dem geweihten Bezirk festliche Wohnungen ein; Herrliche Gaben bescheerend erscheinen sie: Ceres vor allen Bringet des Pfluges Geschenk, Hermes den Anker herbei, Bacchus die Traube, Minerva des Oelbaums grünende Neiser, Auch das kriegrische Roß führet Poseidon heran, Mutter Cybele spannt an des Wagens Deichsel die Löwen, 85 In das gaftliche Thor zieht sie als Bürgerin ein. Heilige Steine! Aus euch ergossen sich Pflanzer der Menschheit, Fernen Inseln des Meers sandtet ihr Sitten und Kunst. Weise sprachen das Recht an diesen geselligen Thoren, Helden stürzten zum Kampf für die Penaten heraus. Auf den Mauern erschienen, den Säugling im Arme, die Mütter, Blickten dem Heerzug nach, bis ihn die Ferne verschlang. Betend stürzten sie dann vor der Götter Altären sich nieder, Flehten um Ruhm und Sieg, flehten um Rückkehr für euch. Ehre ward euch und Sieg, doch der Ruhm nur kehrte zurücke ; Eurer Thaten Verdienst meldet der rührende Stein: Wanderer, kommst du nach Sparta, verkündige dorten, du habest

Uns hier liegen gesehn, wie das Gesetz es befahl." Ruhet sanft, ihr Geliebten! Von eurem Blute begossen Grünet der Delbaum, es keimt lustig die köstliche Saat. Munter entbrennt, des Eigenthums froh, das freie Gewerbe, Aus dem Schilfe des Stroms winket der bläuliche Gott.

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