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an. Von den übrigen Urkunden-Abschriften erwähnen wir eine Sammlung, welche das Geschlecht der Greiffenklau-Vollraths betrifft, Regesten aus den Archiven von Darmstadt, Constanz und Wetzlar, zum Behufe von Siegel- und Wappenforschungen angelegt, und einige, welche die Regentenfamilie behandeln. Besonders zu erwähnen sind die Abschrift eines liber precationum des Königs Adolf und das Original eines Briefs des Fürsten Karl Wilhelm, welcher unten mitgetheilt werden soll. Den freundlichen Schenkern sagen wir auch an dieser Stelle im Namen des Vereins unsern gebührenden Dank.

IX.

Nicht Eberhard, sondern Arnold der 2. Abt

Eberbachs.

Von

Leopold Stoff,

Caplan in Kiedrich und Anstalts-Pfarrer zu Eberbach.

Ueber die Zahl und Reihenfolge der Aebte Eberbachs befanden sich die Mönche des Klosters selbst in den letzten Jahrhunderten im Irrthum. Derselbe hatte seinen Anfang genommen von dem Grabsteine des Abtes Konrad, der die Inschrift trägt:

Anno. Dm. M.CCCLXXI XVII Kl. Deceb. Dis Co radus
Abbas. Ebirbacn. XIIII. Aĩa. Requiescat. . xpo.

Hier wird Konrad als der 14. Abt gezählt. Nur die unmittelbaren Vorgänger Konrads wurden mit Grabsteinen beehrt, welche jedoch keine Angabe über die Zahl der voraufgegangenen Aebte enthalten; dagegen wird der Nachfolger Konrads als der 15. Abt bezeichnet u. s. f., sodass von da ab der Irrthum traditionell wurde. Ein Irrthum aber war dies, wie sich aus Bär's Forschungen ergibt, welcher den von ihm vorgefundenen Katalog der Aebte, die vor Konrad den Stab führten, um neue Namen aus den Urkunden ergänzt hat, so dass Konrad wenigstens als der 23. Abt hätte gezählt werden müssen. Aber auch Bär's Angabe ist nicht richtig, da gleich nach dem ersten Abte Ruthard noch ein Abt Arnold in den Katalog einzufügen ist, wie sich aus Folgendem ergeben wird.

Zunächst muss man annehmen, dass entweder die Zahl XIIII in der Grabschrift Konrads abbas Eberbacensis XIIII ein Schreibfehler sei, oder dass weder dem Verfertiger der Grabschrift noch sonst einem von den Mönchen die Zahl der voraufgegangenen Aebte bekannt. war. Letzteres vorauszusetzen hat aber seine grossen Bedenken. Zunächst war der Zeitraum von 240 Jahren, den das Kloster bestand, nicht lang genug, um einen so bedeutenden Irrthum bezüglich der häuslichen Geschichte leicht zuzulassen; anderseits war dieser Zeitraum doch auch zu gross, um auch nur bei einer oberflächlichen Berechnung bloss 14 Aebte anzusetzen, und namentlich nach der kurzen Regierung Konrads wäre es höchst auffallend, wenn die Mönche ohne Weiteres jedem früheren Abte eine Regierungszeit von durchschnittlich mehr

als 18 Jahren zugeschrieben hätten. Es hatten aber die Mönche gerade jetzt einen besonderen Grund, die Zahl der Aebte genau festzustellen, da, wie schon bemerkt, Konrads Grabstein der erste war, der eine Zahl in der Reihenfolge derselben bestimmt; dass sie in diesem Falle eine beliebige Zahl angenommen hätten, ist doch wohl nicht denkbar. Zwar sucht Pater Bär die Angabe des Grabsteines durch das Eberbacher Seelenbuch zu erklären, in welchem ebenfalls die von ihm (Bär) ergänzten Aebte fehlen. Indem er aber klar nachweist, dass das Seelenbuch erst kurz vorher zwischen 1369 und 1371 abgeschrieben

worden sei, verliert diese Erklärung vollständig ihren Werth, ja wird sogar ein Beweis gegen jene Angabe, wenn, was Bär selbst als wahrscheinlich erweist, der Anfertiger des neuen Seelenbuchs deshalb eine Anzahl von Aebten ausgelassen, weil einzelne Theile des alten Seelenbuchs nicht mehr leserlich waren. Denn in diesem Falle war ja ganz gewiss constatirt, dass nicht alle Aebte im neuen Seelenbuch verzeichnet waren, und konnte man darum um so weniger Konrad II. ohne Umschweife als den 14. Abt des Klosters verzeichnen und dies auf einem Steine, der dauernde Geltung haben sollte. Ist es demnach gewiss, dass die Mönche die Lückenhaftigkeit des neuen Seelenbuchs kannten, so ist es wahrscheinlich, dass sie gerade deshalb die Reihenfolge der Aebte festzustellen suchten. Dies konnte für sie nicht schwer sein, da sie mit ihren Urkunden ganz vertraut waren aus dem Grunde, weil sie dieselben in vielen Streitigkeiten häufig als Beweismaterial für ihre Forderungen oder Weigerungen hervorziehen mussten. Damals waren über die Documente und die Urkunden des Klosters noch keine Verwüstungen hereingebrochen und besassen die Mönche darum viel geschichtliches Material, das für uns jetzt verloren ist. Unwissenheit der Mönche kann darum wohl nicht als Grund der verkehrten Zählung angenommen werden. Es bleibt darum die andere Annahme, dass wir es mit einem Versehen oder Schreibfehler in der erwähnten Angabe zu thun haben, als die wahrscheinlichere übrig.

Vorerst wird man einwenden können, die Angabe XIIII statt XXIII lasse sich als Schreibfehler nicht leicht erklären. Nach Bär's Ergänzungen war nämlich Konrad der 23. Abt. Aber Bär selbst hebt ausdrücklich hervor, dass er nicht behaupten wolle, die Zahl der Aebte bis auf Konrad vollständig eruirt zu haben, indem er zugleich auf grössere Lücken hinweist, z. B. zwischen dem ersten Abt Ruthard und dem zweiten, Eberhard, von 1152-1159. Wenn sich aber in dieser näher bezeichneten Lücke noch ein Abt nachweisen lässt, muss Konrad als der 24. Abt gezählt werden, Die Zahl XIIII statt XXIIII lässt sich aber leicht als Schreibfehler erklären, indem der Fehler in der Auslassung des Zeichens X bestand. Und nun der Beweis für die Existenz des Abtes Arnold? Die gedruckten Urkunden geben allerdings einen solchen nicht mit Sicherheit an die Hand, wohl aber andere Momente. Zwar ist auch eine Originalurkunde ohne Datum vorhanden, die einem Abt Arnold angehört und die möglicherweise vor dem Jahre 1160 ausgestellt ist 1); doch darauf lässt sich ein Beweis nicht bauen, wesshalb wir gleich die anderen Documente in Betracht ziehen wollen.

...

Zunächt ist es eine Tafel, zum Andenken an die Einweihung der Kirche im Chore angebracht, welche unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht. Diese Tafel, die vom sel. Habel in genauem Facsimile nachgebildet und an die Stelle der alten eingelassen worden ist, berichtet uns2): „Im Jahre 1186 nach der Menschwerdung des Herrn am 23. Mai wurde diese Kirche eingeweiht unter Abt Arnold II. sub duo Abbate Arnoldo II. Diese Worte sind für sich ganz klar. Sie besagen, dass der Abt, unter welchem die Kirche eingeweiht wurde, Arnold hiess und dass er der zweite dieses Namens war. Bär lässt die Tafel, wo er von der Reihenfolge der Aebte spricht, unberücksichtigt, spricht aber an einer anderen Stelle3) davon in einer Weise, die nicht befriedigt. Er erklärt nämlich ohne Weiteres, dass die „Abschrift durch einen Zusatz verhunzt sei, der nicht in der Urschrift stand und nicht stehen konnte". Und die Begründung? „Die Unechtheit des Zusatzes erhellt unleugbar aus der bisherigen Geschichte, die uns Abt Arnold mit diplomatischer Gewissheit als den vierten Abt darstellt." Obgleich Bär selbst auf die grössere Lücke zwischen dem ersten und zweiten der von ihm aufgeführten Aebte und auf die Möglichkeit hingewiesen, dass vielleicht noch ein Abt, dessen Name unbekannt, in jener Zeit dem Kloster vorgestanden habe, so will er doch hier mit diplomatischer Gewissheit den bei der Consecration der Kirche erwähnten Arnold als den vierten Abt des Klosters angenommen wissen! Ganz allein diese Voraussetzung zwingt ihn, den Text jener uralten Tafelaufschrift dahin zu corrigiren, dass er das II. - „secundo" hinter Arnoldo einfach streicht. Er argumentirt nämlich sehr unglücklich wie folgt: Das secundo muss als fremder Zusatz (?) auf abbate bezogen werden (!). Es wird also dieser Arnold der zweite Abt genannt. Nun ist aber sowohl die Ausdrucksweise sub abbate Arnoldo secundo statt sub Arnoldo abbate secundo

1) Baur, Hess. Urk. I. Nr. 2, schreibt dieser Urkunde das Jahr 1160 zu, obgleich er auch Bär's Annahme, der sie in das Jahr 1184 setzt, gekannt hat. †A. dūce incarn. M. CLXXXVI.X. Kal. Juni dedicat e hoc templum auct. Deo i hon. S. Deigenitr. semperq. virg. Mariae sciq. Johs. Baptistae a venerabili dno. dno Conrado Mogunt. sed. archiepo coopantibd. epis venerabill'. Dño Conrado Worm. dno Henrico Argentinen. dño Hermanno Monasteriensi sub. dno Abbate Arnoldo II †. - 8) Dipl. Gesch., Bd. I, pag. 356 f.

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oder sub abbate secundo Arnoldo gegen den lateinischen Sprach-
gebrauch, als auch der Bericht selbst gegen die constatirten That-
sachen der Geschichte: also ist das secundo ein unechter Zusatz, eine
Verhunzung des Textes.
Dies ist eine Beweisführung, welche zeigt,
in welche Confusion ein sonst scharfsinniger Geist, wie Pater Bär
offenbar einer war, gerathen kann, wenn er sich einmal in einer vor-
gefassten Meinung verfangen hat.

Betrachten wir die Sache, wie sie liegt, so ergibt sich, dass keine die Tafel selbst betreffende Nachricht irgend einen Anlass bietet, den Text für corrumpirt zu halten. Auch Bär nimmt an, dass die von ihm gesehene Tafel die im XIV. Jahrhundert gefertigte Erneuerung einer ursprünglichen war. Habel hat den von Bär verschmähten „Zusatz", die „Verhunzung", nicht eliminirt, d. h. die Beweisführung Bär's nicht für stichhaltig angesehen. Doch gesetzt auch, die erste Tafel sei nicht gleich nach der Consecration der Kirche angebracht, sondern später eingesetzt worden, so kann man doch nicht annehmen, dass die Mönche den im Jahre 1186, also nach 55jährigem Bestehen des Klosters erwähnten Abt erst als den zweiten bezeichnet hätten. Lesen wir aber die Worte wie sie da stehen und beziehen wir das secundo auf Arnoldo, so haben wir keinen Verstoss gegen die lateinische Ausdrucksweise vor uns; auch wird dann weder dem von Bär ergänzten Abt Eberhard noch dessen Nachfolger Gerhard der Platz streitig gemacht, vielmehr noch ein Abt Arnold angezeigt, welcher demjenigen, unter welchem die Kirche geweiht wurde, vorausging.

Welche Stelle dieser erste Arnold in der Reihenfolge der Aebte eingenommen, ist damit allein noch nicht erwiesen. Wahrscheinlich ist aber schon vonvornherein, dass er an die zweite Stelle zu setzen sei, wo wir eine 6jährige Lücke im Bär'schen Kataloge finden.

Unzweifelhaft gewiss wird diese Annahme durch eine weitere Tafel, die im Kreuzgange links vom Eingang der Kirche angebracht war 1), und deren Aufschrift folgendermaassen lautete 2):

Dieser Stein enthält die Gebeine der drei ersten Aebte
Dieser Kirche, die von Liebe zu Maria brennt;
Ruthard war der erste und Arnold der zweite
Der dritte Gerhard, in dem kein Arg war;
Ihr Leben war mit Tugend geschmückt.

1) So gibt Hellwich (Epitaphienbuch) an und ist dadurch der Ort genauer bestimmt, als er aus Bär's Beschreibung (a. O. S. 128) zu ersehen ist. 2) Abbatum lapis iste trium tenet ossa priorum || Istius ecclesiae, quae flagrat amore Mariae; || Ruthardus primus fuit, Arnoldusque secundus, || Tertius Gerhardus, dolus in quo non fuit ullus. Istorum vita virtute fuit redimita.

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