werden.» So wenig Trost bedürftig war er in seiner schrecklichen Lage, daß er diesen selbst Andern spenden konnte. Beim Tower-Quay harrte seiner Ankunft die Lieblings-Tochter, Margaretha, Ropers Gattin; denn nimmer glaubte sie ihn nachher mehr zu sehen, und dort mußte er vorüber kommen, ehe er in den Tower ging. Pfeilschnell und ohne ihr Geschlecht zu bedenken, stürzte sie sich durch die Menge und durch die mit Streitärten und Hellebarden bewaffnete Wache, auf ihren Vater, ihn umarmend, mit Küssen bedeckend. « I mein Vater! » waren die einzigen Worte, die sie vorzubringen vermochte. Standhaft richtete sie More, ihr den väterlichen Segen ertheilend, mit tröstenden Worten auf: « Was ich zu leiden habe, wenn gleich unschuldig, geschieht nach Gottes Wilen. Er kennt mein Herz. Er= gieb dich darum in seinen Willen und fasse dich in Geduld über meinen Verlust. » Alsdann ging sie von ihm, aber nach wenigen Schritten kehrte sie von Neuem wieder zu ihrem Vater, umfaßte seinen Hals und küßte ihn wiederhohlt aufs Zärtlichste. More sprach kein Wort, sondern blieb ernst. Der Schmerz erpreßte ihm Thränen, die über seine Wange herabrollten. Auch Gyge, auch John kamen, des Vaters Abschiedssegen und Scheidekuß zu empfangen. Endlich riß sich Margaretha mit gebrochenem Herzen los. Ringsum weinte die Menge, selbst einige der Wache konnten sich der Thränen nicht erwehren. Die schwerste aller Versuchungen hatte More jekt erst überstanden. Er bereitete sich ferner auf sein nahes Ende. Am vierten Tage nach seiner Verurtheilung - am fünften Julius - schrieb er seinen lekten Brief mit Kohle an seine geliebte Tochter. Die Gemüthsruhe und Heiterkeit seiner liebevollen frommen Seele spiegelt sich fast in jedem Worte dieses Briefes. (S. Beilage D.) «Der Herr segne Dich, Deinen Gatten, Deinen kleinen Jungen, all die Deinen und alle meine Kinder und alle meine Pathen und all' unsere Freunde. Empfiehl mich, wenn du magst, meiner guten Tochter Cecilia, für welche ich Gott um Stärkung bitte. Ich ertheile ihr und allen ihren Kindern meinen Segen, und ersuche sie, für mich zu beten. Meine gute Tochter Daunce hat ein Gemälde auf Pergament, welches mir durch dich Lady Coniers gegeben. Ihr Name ist auf der Rückseite. Sage ihr, daß ich sie herzlich bitte, dies Bild, welches du in meinem Namen ihr zurücksendest, als ein Andenken von mir zu betrachten, und für mich zu beten. Besonders wohl bin ich mit Dorothea Coly zufrieden 6), und ersuche dich, ihr gut zu seyn. Ich möchte wissen, ob dies dieselbe ist, von der du mir geschrieben, wo nicht, so bleibe jener andern in ihrer Betrübniß gewogen, sowie meiner guten Tochter Johanna Aleyn ') Ich falle dir wohl, gute Margaretha, recht beschwerlich, und dies würde mich betrüben, wenn es länger als bis Morgen dauerte: Denn Morgen ist der Vorabend von St. Thomas Fest ), und die Octave von St. Peter, und deshalb wünsche ich, morgen zu Gott zu gehen. Dieser Lag wäre mir gerade recht. Nie hat mir dein Betragen besser gefallen, als da du mich neulich küßtest; denn mich freut es, wenn Tochterliebe und Zärtlichkeit gegen die Aeltern sich nicht die Zeit nimmt, auf weltliche Ceremonien zu achten. Leb' wohl, mein theures Kind, und bete für mich, wie ich es für dich thue, sowie für alle Freunde, auf daß wir einander fröhlich im Himmel wiedersehen. Ich sende nun meiner Tochter Cle= mens) ihren arithmetischen Stein zurück, und ihr und meinen Taufpathen, so wie den ihrigen Gottes und meis nen Segen. Ich bitte dich, grüße mir meinen guten Sohn, John More, mir gefiel sein kindliches Betragen recht wohl. Unser Herr segne ihn und sein gutes Weib, meine geliebte Tochter, und ich ersuche ihn, ihr recht gut zu seyn, wie er denn hiezu große Ursache hat, so wie, daß, wenn meine Güter ihm zukommen, er meinen Willen in Ansehung seiner Schwester Daunce nicht übertreten soll. Unser Herr segne Thomas und Augustin 10), und alle, die sie noch bekommen werden. » Während Sir Thomas die kurze Zeit seines Lebens dazu anwandte, sich immer würdiger auf die Stunde seines Austrittes aus dieser Welt vorzubereiten, fehlte es nicht an Versuchen, auch jest noch ihn für des Königs Wünsche zu stimmen. Ermüdet von den Zudringlichkeiten einer der Creaturen Heinrichs, äußerte er, um ihn los zu werden, « er habe seine Meinung geändert. » der Höfling, im frohen Wahne, seine Ueberredungsgabe habe bewirkt, was dem Könige und seinen Räthen so oft mißlungen, eilte mit der Nachricht von More's Sinnesäns derung an den Hof; erhielt aber sogleich den Befehl, wieder nach dem Tower zu gehn, um zu erfahren, worin Sir Thomas eigentlich seine Gesinnung geändert. «Anfäng lich, sagte dieser, wollte ich mir den Bart abnehmen lassen, bevor es zur Hinrichtung geht, allein nun bin ich völlig entschlossen, daß mein Bart gleiches Loos mit meis nem Kopfe haben soll. » Als er die Nachricht erhielt, der König habe aus besonderer Gnade die furchtbare Strafe des Hochverrathes in Enthauptung umgewandelt, rief er: « Gott behüte alle die Meinigen vor solcher Gnade!» Am Morgen des sechsten Julius 1535 kam Sir Thomas Pope, More's vertrauter Freund, sehr früh zu ihm mit dem Befehl des Königs, daß er an diesem Lage hingerichtet werden sollte und sich deshalb auf sein Ende vorbereiten möchte. Wenn der König beabsichtigte, durch diese Ankündigung so kurz vor seinem Tode, ihn zu erschüttern, oder zu erschrecken, so verfehlte er seinen Zweck gänzlich. «Ich danke Euch recht herzlich,» antwor tete More, « für Eure gute Botschaft. Immer war ich Seiner Majestät sehr verbunden für die Gnaden und Ehrenstellen, die sie mir verliehen. Jetzt bin ich dem König dies versichere ich Euch noch mehr verpflichtet, daß er mich hieher gesekt, wo ich alle nur mögliche Zeit und Gelegenheit gehabt habe, auf mein lektes Ende zu denken, und bei Gott! am meisten bin ich ihm hiefür Dank schuldig, daß er geruht, mich sobald von den Kümmernissen dieser schlechten Welt zu befreien. » Sein Freund sagte ihm ferner, des Königs Wille sey, kurz vor seiner Hinrichtung möge er sich aller Anreden an das Volk enthalten. «Es ist gut,» sagte More, «daß Ihr mich in diesem Stücke von des Königs Willen unterrichtet; denn ich hatte mir vorgenommen, bei dieser Gelegenheit Etwas zu sprechen, aber nicht von Dingen, wodurch Seine Majestät oder sonst Iemand beleidigt worden seyn sollte. Willig werde ich dem Befehle meines Herrn Folge leisten, und ich ersuche Euch nur, guter Mr. Pope, bei Seiner Majestät zu erwirken, daß meine Tochter Margaretha bei meinem Begräbnisse seyn dürfe. » «Der König ist bereits zufrieden,» sagte jener, « daß Eure Frau, Kinder und andere Eurer Freunde die Freiheit haben sollen, dabei gegenwärtig zu seyn. » « wie sehr verpflichtet bin ich Seiner Majestät, daß sie so gnädige Rücksicht auf mein armes Begräbniß nehmen! » Sodann nahm Sir Thomas Pope unter vielen Thränen Abschied. Auch hier wieder verrichtete More das Trösteramt : « Seyd nicht betrübt,« sprach er, «denn ich vertraue zu Gott, daß wir uns dereinst freudvoll wieder sehen, und in ewiger Seligkeit uns lieben werden. » Und durch seine Gemüthsruhe den Freund einigermaßen aufzurichten, nahm er das Uringlas, und sagte, das Wasser beschauend, heiter wie sonst: «Ich sehe keine Gefahr für den Patienten. Er könnte wohl noch länger leben, wenn es dem Könige so gefallen hätte. » More wollte in anständiger Kleidung bei seiner Hinrichtung erscheinen und einen Rock von Kamelot anle= gen ein Geschenk seines Freundes Bonvisius. Dies widerrieth ihm der Lieutenant vom Tower, indem er sagte, es würde das gute Kleidungsstück doch nur ein schlechter Kerl erhalten. «Was, Mr. Lieutenant,» sagte More,» soll ich denjenigen für einen schlechten Kerl halten, der mir einen so ausgezeichneten Dienst erweisen wird? Nein! Ich versichere Euch, wären die Kleider von Goldstoff, ich würde sie bei ihm gut angewendet glauben. » Um neun Uhr Morgens ward er aus dem Tower gebracht. Sein Bart war lang, sein Antlik bleich und mager, in den Händen ein rothes Crucifir, die Augen öfters gegen den Himmel gerichtet. Statt des guten Rockes hatte er auf des Lieutenants Zureden seines Dieners Gewand von schlechtem Frieß angezogen. Als er |