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Sammt dem beseelenden Licht Formen und Farben entrückt, Alles, gedämpft und erblaßt, mahnt unser entschwindendes Dasein, Und kein Hoffen erhebt über den irdischen Staub.

Noch nicht funkeln die Sterne, und gleichsam zwischen das Leben Drånget ein Stillstand sich und die Unsterblichkeit ein. 275 Doch, wie die heilige Nacht mit verheißenden Augen herabschaut, Ahnet der strebende Geist freudige Wiedergeburt. Tröstend begegnete so Dein Blick mir, edle Gefährtin, Jener entzückende Strahl göttlichen Doppelgestirns. Wahrheit wohnet in ihm, und die liebende hohe Begeistrung, Welche, zur Wonne dem Schmerz, selber in Thränen erglänzt. Wem du botest der Freundschaft Hand, kann nimmer verzweifeln,

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Wann ungläubiger Hohn macht zum Fantom das Gefühl. Zartheit hegend in tiefem Gemüth, beim Guten das Schöne, Kennst Du der Huld Anhauch gleich wie der Größe Gewalt. 285 Mit vielfarbigem Zauber umgiebst Du den Dichter: es hemmt nicht,

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Was Nationen entfernt, Deinen geflügelten Geist.

Laß denn lauschen mich Dir, Mittheilerin großer Gedanken,
Wann das beredte Gespräch siegenden Lippen entströmt !
Viel von erhabenen Männern der Vorwelt wollen wir reden,

Von Mitlebenden auch oder den Opfern der Zeit.
Und wann unter den Weisen, die rein für das Ganze gestrebet,
Wir aufsuchen ein Bild mildester Väterlichkeit,

Streng' in der eigenen Brust, langmüthig dem Wahn und dem
Undank,

Gleichwie ein Schußgeist schwebt über dem Menschengeschlecht: 295 Dann sei dessen Gedächtniß geheiliget, welchen zu kennen Nicht mir gegönnt war, ach! welchen Du ewig beweinst.

A. W. von Schlegel.

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Aus den Gärten komm' ich zu euch, ihr Söhne des Berges! Aus den Gärten: da lebt die Natur geduldig und häuslich, Pflegend und wieder gepflegt, mit dem fleißigen Menschen zusammen.

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ΙΟ

Aber ihr, ihr Herrlichen, steht, wie ein Volk von Titanen,
In der zahmeren Welt und gehört nur euch und dem Himmel,
Der euch nährt und erzog, und der Erde, die euch geboren.
Keiner von euch ist noch in der Menschen Schule gegangen,
Und ihr drängt euch, fröhlich und frei, aus kräftiger Wurzel
Unter einander herauf und ergreift, wie der Adler die Beute,
Mit gewaltigem Arme den Raum, und gegen die Wolken
Ist euch heiter und groß die sonnige Krone gerichtet.
Eine Welt ist jeder von euch; wie die Sterne des Himmels
Lebt ihr, jeder ein Gott, im freien Bunde zusammen.
Könnt' ich die Knechtschaft nur erdulden, ich neidete nimmer
Diesen Wald und schmiegte mich gern an's gesellige Leben; 15
Fesselte nur nicht mehr an's gesellige Leben das Herz mich,
Das von Liebe nicht läßt, wie gern würd' ich unter euch wohnen!
Hölderlin.

17. An den Aether.

Treu und freundlich, wie du, erzog der Götter und Menschen. Keiner, o Vater Aether! mich auf. Noch ehe die Mutter In die Arme mich nahm und ihre Liebe mich nährte, Faßtest du zärtlich mich an und gossest himmlischen Trank mir, Mir den heiligen Odem zuerst in den keimenden Busen. Nicht von irdischer Kost gedeihen einzig die Wesen, Aber du nährest sie all' mit deinem Nektar, o Vater!

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Und es drängt sich und rinnt aus deiner ewigen Fülle

Die beseelende Luft durch alle Röhren des Lebens.

10 Darum lieben die Wesen dich auch und ringen und streben Unaufhörlich hinauf nach dir in freudigem Wachsthum. Himmlischer! sucht nicht dich mit ihren Augen die Pflanze, Streckt nach dir die schüchternen Arme der niedrige Strauch nicht? Daß er dich finde, zerbricht der gefangene Saame die Hülse; 15 Daß er belebt von dir in deiner Welle sich bade,

Schüttelt der Wald den Schnee wie ein überlästig Gewand ab. Auch die Fische kommen herauf und hüpfen verlangend Ueber die glänzende. Fläche des Stroms, als begehrten auch diese Aus der Woge zu dir; auch den edeln Thieren der Erde 20 Wird zum Fluge der Schritt, wenn oft das gewaltige Sehnen, Die geheime Liebe zu dir sie ergreift, sie hinaufzieht.

Stolz verachtet den Boden das Roß, wie gebogener Stahl strebt In die Höhe sein Hals, mit dem Hufe berührt es den Sand kaum. Wie zum Scherze berührt der Fuß der Hirsche den Grashalm, 25 Hüpft, wie ein Zephyr, über den Bach, der reißend hinabschäumt, Hin und wieder schweift, kaum sichtbar durch die Gebüsche. Aber des Aethers Lieblinge, sie, die glücklichen Vögel, Wohnen und spielen vergnügt in der ewigen Halle des Vaters. Raumes genug ist für alle. Der Pfad ist keinem bezeichnet, 30 und es regen sich frei im Hause die Großen und Kleinen. Ueber dem Haupt frohlocken sie mir, und es sehnt sich auch mein Herz

Wunderbar zu ihnen hinauf, wie die freundliche Heimath Winkt es von oben herab, und auf die Gipfel der Alpen Möcht' ich wandern und rufen von da dem eilenden Adler, 35 Daß er, wie einst in die Arme des Zeus den seligen Knaben, Aus der Gefangenschaft in des Aethers Halle mich trage. Thöricht treiben wir uns umher; wie die irrende Rebe,

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Wenn ihr der Stab gebricht, woran zum Himmel sie aufwächst,
Breiten wir über den Boden uns aus und suchen und wandern.
Durch die Zonen der Erd', o Vater Aether, vergebens ;
Denn es treibt uns die Lust in deinen Gärten zu wohnen.
In die Meeresfluth werfen wir uns, in den freieren Ebnen
Uns zu sättigen, und es umspielt die unendliche Woge
Unsern Kiel, es freut sich das Herz an den Kräften des Meergotts.
Dennoch genügt ihm nicht; denn der tiefere Ocean reizt uns, 45
Wo die leichtere Welle sich regt. O wer dort an jene
Goldenen Küsten das wandernde Schiff zu treiben vermöchte!
Aber indeß ich hinauf in die dämmernde Ferne mich sehne,
Wo du fremde Gestad' umfängst mit bläulicher Woge,
Kömmst du säuselnd herab von des Fruchtbaums blühenden
Wipfeln,

Vater Aether, und sänftigest selbst das strebende Herz mir;
Und ich lebe nun gern, wie zuvor, mit den Blumen der Erde.
Hölderlin (1797).

18. Die Fischer auf Capri.

Hast Du Capri gesehn und des felfenumgürteten Eilands Schroffes Gestad als Pilger besucht, dann weißt Du, wie selten Dorten ein Landungsplaß für nahende Schiffe zu spähn ist: Nur zwei Stellen erscheinen bequem. Manch mächtiges Fahrzeug Mag der geräumige Hafen empfahn, der gegen Neapels Lieblichen Golf hindeutet und gegen Salerns Meerbusen. Aber die andere Stelle (sie nennen den kleineren Strand sie) Kehrt sich gegen das ödere Meer, in die wogende Wildniß, Wo kein User du siehst, als das, auf welchem du selbst stehst. Nur ein geringeres Boot mag hier anlanden; es liegen Felsige Trümmer umher, und es braust die beständige Brandung.

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Auf dem erhöhteren Fels erscheint ein zerfallendes Vorwerk, Mit Schießscharten versehn; sei's, daß hier immer ein Wacht

thurm

Ragte, den offenen Strand vor Algiers Flagge zu hüten, Die von dem Eiland oft Jungfrauen und Jünglinge wegstahl; Sei's, daß gegen den Stolz Englands und erfahrene Seekunst Erst in der jüngeren Zeit es erbaut der Napoleonide, Dem Parthenope sonst ausspannte die Pferde des Wagens, Ihn dann aber verjagte, verrieth, ja tödtete, seit er 20 Ans treulose Gestad durch schmeichelnde Briefe gelockt ward. Steigst du herab in den sandigen Kies, so gewahrst du ein Felsstück Niedrig and platt in die Wogen hinaus Troß bieten der Brandung;

Dort anlehnt sich mit rundlichem Dach die bescheidene Wohnung Dürftiger Fischer, es ist die entlegenste Hütte der Insel, 25 Blos durch riesige Steine beschützt vor stürmischem Andrang, Der oft über den Sand wegspült und die Schwelle beneßt ihr. Kaum hegt, irgend umher, einfachere Menschen die Erde; Ja kaum hegt sie sie noch, es ernährt sie die schäumende Woge. Nicht die Gefilde der Insel bewohnt dies arme Geschlecht, nie ' 30 Pflückt es des Delbaums Frucht, nie schlummert es unter dem Palmbaum:

Nur die verwilderte Mycte noch blüht und der wuchernde Cactus Aus unwirthlichem Stein, nur wenige Blumen und Meergras; Eher verwandt ist hier dem gewaltigen Schaumelemente

Als der beackerten Scholle der Mensch und dem üppigen Saatfeld. 35 Gleiches Geschäft erbt stets von dem heutigen Tage der nächste ; Immer das Net auswerfen, es einziehn; wieder es trocknen Ueber dem sonnigen Kies, dann wieder es werfen und einziehn. Hier hat frühe der Knabe versucht in der Welle zu plätschern, Frühe das Steuer zu drehen gelernt und die Ruder zu schlagen,

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