Page images
PDF
EPUB

Im Mittel nimmt also hiernach die Sterndichte immer mehr ab, je weiter wir uns von der Sonne entfernen.

Bei der Ableitung dieses Gesetzes ist vorausgesetzt, daß keine Absorption des Lichtes im Weltraume stattfindet. Ist eine solche Absorption in hinreichender Größe vorhanden, so wird das obige Gesetz ungültig. Eine Methode, die Absorption im Raume zu untersuchen, ist von Kapteyn angegeben worden.

Die ganzen bisherigen Betrachtungen gründen sich auf die Annahme, daß unsere Fundamentalhypothese richtig sei, d. h. daß die motus peculiares der Sterne keine Richtung bevorzugen. Diese Hypothese ist aber nur als provisorisch zu betrachten, und wir haben sie nur in Ermangelung einer besseren unseren Folgerungen zugrunde gelegt. Wir müssen sie aufgeben, falls die Beobachtungen Tatsachen ergeben, die mit ihr in Widerspruch stehen; aber selbst dann wird sie doch den Nutzen gehabt haben, daß sie unsere Aufmerksamkeit auf diese Widersprüche hingelenkt hat.

Solche Widersprüche haben sich nun in der Tat bereits gezeigt, und sie sind so ausgesprochen, daß es im höchsten Grade überraschend ist, wie sie so lange unbemerkt bleiben konnten. Die Ehre, zuerst (1895) darauf hingewiesen zu haben, gebührt Kobold, und er war nicht mehr allzuweit davon entfernt, zu ganz ähnlichen Resultaten zu gelangen, wie sie jetzt Kapteyn gewonnen hat.

Denken wir uns eine große Anzahl von Sternen an derselben Stelle der Sphäre vereinigt, aber nicht in derselben Entfernung von der Sonne. Ist die Fundamentalhypothese erfüllt, so werden die beobachteten Eigenbewegungen dieser Sterne die Richtung nach dem Antiapex bevorzugen und im Durchschnitt symmetrisch zu dem durch die betreffende Stelle der Sphäre und den Antiapex gelegten größten Kreis angeordnet sein. Wir werden also den Antiapex finden können, wenn wir für mehrere Punkte am Himmel diese Symmetriekreise aufsuchen. Wo die Kreise sich schneiden, wird der Antiapex liegen. Schneiden sie sich nicht nahezu in einem Punkte, so ist dies ein Anzeichen dafür, daß die Fundamentalhypothese nicht erfüllt ist.

Um nun das Verhalten der Eigenbewegungen in dieser Hinsicht zu prüfen, benutzte Kapteyn mehr als 2400 Bradleysche Sterne, die über ungefähr 2/3 der ganzen Himmelsfläche verstreut sind. Er teilte dieses. ganze Areal in 28 gleiche Teile und reduzierte jeden Stern nach einem hier nicht zu erörternden Verfahren auf die Mitte des betreffenden Teiles, in welchem er lag. Für jeden Teil wurden dann die Eigenbewegungen der in ihm liegenden Sterne nach dem Winkel geordnet, den sie mit der Richtung nach dem Antiapex einschließen; die Lage des Antiapex wurde als

bekannt vorausgesetzt. Dabei zeigte sich dann, daß die Verteilung der Eigenbewegungen in jedem der Teile sehr bedeutend von einer zur Richtung nach dem Antiapex symmetrischen abweicht, d. h. daß die Eigenbewegungen gewisse Richtungen, die von der Richtung nach dem Antiapex abweichen, systematisch bevorzugen, und zwar weisen die meisten der 28 Areale je zwei solcher Richtungen auf, einige wenige nur eine. Stellt man diese Richtungen auf einem Himmelsglobus graphisch dar, so erkennt man, daß sie alle nach zwei Punkten hinweisen, von denen der eine 7° südlich von a Orionis, der andere einige Grade südlich von Sagittarii liegt. Kapteyn zieht hieraus folgende Schlüsse:

>> Wir haben hier ein klares Anzeichen dafür, daß wir es mit zwei Strömen von Sternen zu tun haben, parallel zu den Linien, die unser Sonnensystem mit diesen zwei Punkten verbinden.

> Daß die Methode nicht streng ist, und daß deshalb die hier gefundenen Richtungen keine große Genauigkeit beanspruchen können, kann zunächst außer Betracht gelassen werden. Aber es ist wichtig, zu bemerken, daß es nur scheinbare Richtungen sind, d. h. Richtungen der Bewegung relativ zum Sonnensystem. Wenn es wahr ist, daß zwei Bewegungsrichtungen in der stellaren Welt vorherrschen, dann müssen, wenn wir alle unsere Bewegungen auf den Schwerpunkt des Systems beziehen, diese beiden hauptsächlichen Bewegungsrichtungen in Wirklichkeit einander diametral entgegengesetzt sein. Der Kürze wegen will ich die Punkte der Sphäre, nach welchen die Ströme von Sternen gerichtet zu sein scheinen, die Vertices der stellaren Bewegung nennen. Die scheinbaren Vertices wurden also vorläufig als südlich von a Orionis und von Sagittarii gelegen befunden. Da wir mit einiger Annäherung sowohl die Geschwindigkeit der Bewegung der Sonne als auch die mittlere Geschwindigkeit der Sterne kennen, so ist es leicht, aus der scheinbaren Lage der Vertices ihre wahren Positionen abzuleiten, welche an diametral entgegengesetzten Punkten der Sphäre liegen müssen

> Das Vorhandensein von zwei hauptsächlichen Stromlinien schließt nicht die Notwendigkeit in sich, daß die wirklichen Bewegungen der Sterne alle ausschließlich nach einem dieser beiden Vertices gerichtet sind; es besteht nur ein entschiedenes Vorwiegen dieser Richtungen. <

Nach Kapteyns bisher angestellten Untersuchungen liegen die wahren Vertices beide in der Milchstraße, in nur 2o galaktischer Breite, und zwar der eine nahe bei Orionis, der andere an dem diametral entgegengesetzten Punkte des Himmels an einer Stelle, wo sich kein hellerer Stern befindet. Wahrscheinlich gehören alle Sterne ohne Ausnahme einem der beiden Ströme an.

Von großer Bedeutung für die Prüfung der Richtigkeit dieser An

sichten sind die Beobachtungen der Radialgeschwindigkeiten der Sterne. Leider sind aber noch nicht für genügend viele Sterne die Werte der Radialgeschwindigkeit veröffentlicht, so daß diese Prüfung noch nicht definitiv vorgenommen werden kann. Das bisher zugängliche Material scheint indessen die Annahme der beiden Vertices zu unterstützen. Die von Campbell gefundene Tatsache, daß die hellen Sterne sich relativ zur Sonne verhältnismäßig langsam bewegen, dürfte sich wohl dadurch erklären, daß das Sonnensystem an ihrer Bewegung teilnimmt.

Im vorangehenden haben wir die Ansichten auseinandergesetzt, die sich mehrere Generationen tiefer Denker und scharfsinniger Beobachter über die Anordnung des sichtbaren Universums und über die Methoden zur Erforschung derselben gebildet haben. Es wird dem Leser nicht entgangen sein, daß zwischen den Ansichten der verschiedenen Forscher, und zwar auch zwischen denen der neueren, mancherlei Widersprüche bestehen. Selbst über wichtige und fundamentale Fragen auf diesem Gebiete, z. B. über das Wesen der Milchstraße, herrscht noch Unklarheit, eine Tatsache, die in anbetracht der Schwierigkeit des Problems und der Dürftigkeit des Materials, welches uns zur Lösung desselben zur Verfügung steht, nicht verwundern darf. Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, die verschiedenen Meinungen zu sichten und zu kritisieren, da hierzu nur diejenigen berechtigt sein können, die selbst eingehende Untersuchungen in dieser Richtung angestellt haben. Auch glauben wir dem Leser den richtigsten Begriff von dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft zu geben, wenn wir die verschiedenen Ansichten einfach nebeneinander stellen; denn keine von ihnen ist allgemein angenommen, und es würde vielleicht falsche Vorstellungen von dem erzeugen, was heute als feststehend betrachtet werden darf, wenn wir gewisse Anschauungen bevorzugen wollten.

Immerhin wird es von Interesse sein, die Ansichten kennen zu lernen, die sich der Verfasser der englischen Ausgabe dieses Buches, Newcomb, neuerdings auf Grund der bisherigen Forschungen gebildet hat und als einigermaßen sicher betrachtet. Er hat sie in einem allgemeinverständlichen Werke The Stars. A Study of the Universe (London 1902), auf welches wir hiermit verweisen, dargelegt und näher begründet. Am Ende des Buches faßt er seine Schlüsse in folgende Sätze zusammen:

1) Soweit wir aus der Abzählung der Sterne in allen Richtungen und aus dem Anblick der Milchstraße schließen können, ist unser Sonnensystem dem Mittelpunkte des Universums nahe. Daß wir uns in der galaktischen Ebene selbst befinden, scheint auf zwei Arten bewiesen werden

Newcomb-Engelmann, Astronomie. 3. Aufl.

40

zu können: Erstens durch die Gleichheit der Abzählungen der Sterne auf beiden Seiten dieser Ebene bis zu ihren Polen und zweitens durch die Tatsache, daß die Zentrallinie der Milchstraße ein größter Kreis ist.

2) Die Sterne sind ihrer wirklichen Leuchtkraft nach ungeheuer verschieden. Einige sind mehrere tausend oder zehntausendmal so hell als die Sonne, andere besitzen nur ein Hundertstel oder Tausendstel der Helligkeit der letzteren. Die Sterne mit stärkerer Leuchtkraft sind im allgemeinen die heißeren, blaueren und weniger dichten.

3) Die blauesten und leuchtendsten Sterne sind hauptsächlich in der Region der Milchstraße gelegen. Es ist einiger Grund vorhanden, zu vermuten, daß, je dichter die Sterne in dieser Region angehäuft sind, sie um so größer und leuchtender sind.

4) Die Ansammlung von Sternen, welche wir das Universum nennen, ist in ihrer Ausdehnung begrenzt. Die kleinsten Sterne, die wir in den mächtigsten Fernrohren sehen, sind zumeist nicht entfernter als die helleren, sondern sind meist Sterne von geringer Leuchtkraft, die in denselben Regionen gelegen sind. Dies schließt nicht die Möglichkeit aus, daß weit außerhalb unseres Universums andere Ansammlungen von Sternen vorhanden sind, von denen wir nichts wissen.

5) Die Begrenzung unseres Universums ist wahrscheinlich etwas unbestimmt und unregelmäßig. Wenn wir uns derselben nähern, so werden die Sterne wohl allmählich immer spärlicher werden. Die Parallaxe der an der Begrenzung gelegenen Sterne ist wahrscheinlich nirgends größer als 0001 und kann vielleicht viel kleiner sein. Die Zeit, die das Licht braucht, um die entsprechende Entfernung zu durcheilen, ist größer als dreitausend Jahre.

6) Das Universum erstreckt sich weiter in der Richtung nach der Milchstraße, als nach ihren Polen hin. Aber in jeder Richtung dehnt es sich über die Grenze aus, innerhalb deren die Eigenbewegungen der Sterne bisher bestimmt worden sind.

7) Es scheint noch nicht möglich, zu entscheiden, ob die Anhäufungen der Milchstraße an der Grenze des Universums liegen oder nicht. Die Zahl der hellen Sterne, welche sie enthalten, scheint gegen die erstere Ansicht zu sprechen, aber nicht stark, wegen der möglichen großen Leuchtkraft der galaktischen Sterne.

8) Die Gesamtzahl der Sterne ist nach Hunderten von Millionen zu zählen.

9) Außerhalb der galaktischen Region zeigen die Sterne im allgemeinen keine Tendenz, sich in Systemen oder Haufen anzusammeln, sondern sind zumeist mit einiger Annäherung an Gleichförmigkeit durch den Raum verstreut.

Kapitel III.

Kosmogoni e.

Der Gedanke, daß die Welt nicht von Anfang an ihre jetzige Gestaltung hatte, sondern daß es eine Zeit gab, wo sie entweder gar nicht oder als eine formlose, nichtige Masse existierte, war von jeher unter der Menschheit verbreitet. Das > Chaos der Griechen, die rohen, gestaltlosen Stoffe, die keinem Gesetz unterworfen waren, aus denen die Schöpferkraft alle Dinge schuf - es entspricht in ganz auffallender Weise den Nebelmassen der neueren Astronomie.

Wollen wir die Vorstellungen der Menschen vom Ursprunge der Welten nach den Daten und Theorien ordnen, welche ihnen zugrunde liegen, so können wir sie in drei Klassen einreihen. Die erste Klasse enthält die Ideen, die sich die Menschheit vor Entdeckung des Gesetzes der Schwere bildete, und welche deshalb, so richtig sie an sich gewesen sein mögen, der wissenschaftlichen Grundlage entbehren. Die zweite Klasse umfaßt die Ansichten, die sich auf die Lehre der Gravitation stützen, aber ohne Kenntnis der modernen Theorie von der Erhaltung der Kraft, während die dritte auf diesem Prinzip fußt. Es braucht deswegen jedoch nicht angenommen zu werden, daß die Anschauungen der letztgenannten Klasse denen der anderen widerstreiten. Kant und Laplace gründeten ihre Nebularhypothese bloß auf die Gravitationstheorie, da zu ihrer Zeit der Grundsatz von der Erhaltung der Kraft ganz unbekannt war; sie war deshalb, so wie sie ihren Köpfen entsprang, unvollständig, aber nicht notwendigerweise irrig in ihren Grundlagen.

Eine Betrachtung der Ideen der Alten über den Ursprung der Welt gehört eher in das Gebiet der Philosophie als in das der Astronomie, da sie natürlich rein spekulativer Art waren und mehr den Gedankengang der Gemüter, in welchen sie wurzelten, widerspiegelten, als daß sie irgend ein bestimmtes System darstellten, die Triebkräfte der Natur zu erforschen. Die Vorstellung der Inder vom Gotte Brahma, der durch Jahrtausende in tiefem Sinnen brütend auf einem Lotosblatte sitzt und dann ein goldenes Ei von der Größe des Universums zutage fördert, aus welchem sich das letztere allmählich herausentwickelt, weist nicht eine Spur selbst von rohester Beobachtung auf, sondern ist lediglich ein Ausfluß der phantastischen Neigungen des Hindugemütes. Die jüdische Kosmogonie ist der Ausdruck der monotheistischen Ansichten dieses Volkes und der Identität ihres obersten Gottes mit dem Schöpfer Himmels und der Erde. Hipparch und Ptolemäus dagegen bewiesen die wissenschaftliche Richtung ihres Geistes dadurch, daß sie sich darauf beschränkten,

« PreviousContinue »