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Die numi incusi sind nach Lenormant eine Schöpfung des Pythagoras. -S. 78 legt Lenormant Gewicht auf die apollinische Sendung des Pythagoras. Auch andere bedeutende Historiker haben bekanntlich daran geglaubt; wir möchten nach den Ausführungen Rohde's in dem erwähnten Aufsatze das nicht mehr als ein geschichtliches Factum betrachten. Die Ansicht von dem engen Zusammenhang zwischen Pythagoras und Apollon hat Lenormant dazu gebracht (S. 97-101), in den auf den älteren krotonischen Münzen angebrachten Darstellungen und Symbolen directe Zeichen des Pythagorismus zu sehen. Nach Lenormant ist der Dreifuss durch Pythagoras auf die Münzen gekommen. Aber warum soll ein so einfaches apollinisches Symbol pythagoreisch sein? Und wenn auf den Münzen dargestellt ist, wie Apoll den Python tödtet, so soll das deswegen geschehen (S. 100), weil nach Pythagoras Apoll, ehe er den Python tödtete, selbst von ihm erstickt wurde. Das ist doch wieder zu weit hergeholt. Nach Len. 98 ist der Adler ebenfalls pythagoreisch. Er verschwindet mit dem Sturz des pythagoreischen Bundes und kommt im 5. Jahrhundert wieder »quand l'école pythagoricienne reprend la prépondérance dans les conseils de la cité«. Woher Lenormant wohl weiss, dass damals die Pythagoreer wieder in Kroton mächtig wurden? Und drittens der Kranich, der um 475-450 auf den Münzen von Kroton erscheint. Aber warum kommt er, wenn er pythagoreisch ist, erst, als Pythagoras nicht mehr da ist? Mir scheint, dass in dieser Weise sich Alles aus Allem machen lässt, und jede Spur von Sicherheit aufhört.

Chap. X Fortsetzung von Kroton (S. 103-204). Lenormant spricht von den Krotoniatischen Aerzten, von dem Luxus von Kroton, von den Künstlern der Stadt, von dem Einfluss des Zeuxis auf die Münzkunst der damaligen Zeit (S. 116. 117) und geht S. 117 auf die Zeit des Dionys über, die den unteritalischen Griechen verderblich wurde. S. 120 setzt Lenormant die von Polyb. 2, 39 erwähnte Organisation des Bundes der Griechen Unteritaliens um 397; Hermann, Staatsalterth. 90, 13 setzte sie früher; auch Grosser, Kroton, S. 47 um das Jahr 442. Wegen Pol. 2, 39 nimmt Lenormant an, dass schon früher der Tempel des Zeus Homagyrios in Aigion Vereinigungspunkt der Achäer des Peloponnes war. S. 121. 122 stellt Lenormant die Fälle zusammen, in denen befreite Städte den die Schlangen würgenden Herakles, nach Zeuxis, auf ihre Münzen setzten. Man kann diese Münzen jetzt in dem Catalog der Electrotypen des Brit. Museums abgebildet finden und kann daraus noch Zakynthos zu den von Lenormant angeführten Orten hinzufügen (Pl. 23 No. 34). S. 127 sagt Lenormant: »Les premières villes grecques dont les Bruttiens s'emparèrent, dès 353, Térina et Temésa, sur la mer Tyrrhénienne, Pandosia, dans l'intérieur des terres, étaient des colonies de Crotones. Wo steht das? Diod. XVI, 15 nennt Terina, Hipponion, Thurii (356 v. Chr.), Temesa wird von Strab. 6, 255 und Liv. 34, 45 genannt, aber ohne Jahresangabe. S. 131. 132 sind interessant durch genaue Bestimmung eines

im Jahre 1879 bei Kroton gemachten Münzfundes; S. 134-136 durch Bemerkungen über die Münzen der Bruttier; S. 140. 141 durch solche über römische Münzprägung. Wir kommen zur Geschichte Kroton's in römischer Zeit; im Mittelalter, wo es sich durch seine vortreffliche Lage gegen die Saracenen hält; in der Neuzeit interessante Mittheilungen über den Briganten Re Marcone, über den berüchtigten Cardinal Ruffo, über die Brüder Bandiera. Lenormant giebt interessante Beschreibungen der Gegend und S. 200 ff. Bemerkungen über die Bohne in der griechischen Religion.

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Chap. XI. Der Tempel der Hera Lacinia (S. 205-234). Es beginnt mit schönen landschaftlichen Schilderungen und feinen dahingehörigen Bemerkungen. Aber kann Lenormant S. 206 mit Recht behaupten, dass, wenn man von Achaia nach Italien fuhr, man noch nicht Cephallenia aus dem Gesicht verloren hatte, wie man schon das Silagebirge sah? Die directe Entfernung beträgt 40 geographische Meilen. Sollte man von der Oberfläche des Meeres aus wirklich die je 20 Meilen entfernten Berge sehen können? Nach S. 216 und 218 hatte der Tempel 48 Säulen, wie der Tempel C von Selinus. Aber der Tempel C hat 46. Woher hat Lenormant (S. 206. 207. 221), dass die Athene in der Nähe des iapygischen Vorgebirges Leucadia hiess? Man kann eigentlich nicht einmal sagen, dass das iapygische Vorgebirge von dem Tempel »gekrönt war; das iapygische Vorgebirge ist doch nur das heutige Cap Leuca, und da stand der Tempel nicht. S. 222 sagt Lenormant Lacinia komme von dem »vieux mot pélasgique lakis, enregistré par les lexicographes grecs comme signifiant terre«. Wer wohl diese Lexicographen sind? Referent kann nicht behaupten, keinen übersehen zu haben; er giebt zu, dass einer da sein kann, der das sagt, was Lenormant behauptet; aber er will doch erwähnen, dass er bei Hesych gefunden hat: λαχὶς χθονός· χάσμα γῆς. - S. 222 sagt Lenormant, dass er die alten Beziehungen zwischen Kroton und Himera constatirt habe. Wo? Wenn er doch nur citiren wollte! Man verliert eine unglaubliche Zeit mit Suchen! S. 223 spricht Lenormant von der Thatsache (fait), dass die Here Lakinia einen Tempel in Agrigent hatte. Das haben schon Manche behauptet und sich dabei auf Plin. 35, 64 berufen. Lenormant aber nennt S. 225 die Beziehung auf Agrigent bei Plinius eine confusion manifeste; worauf basirt dann noch jenes »fait<«<? S. 232. 233 ist es Lenormant recht wunderbar gegangen. In der Nähe des lakinischen Vorgebirges wird von Scylax eine Insel der Kalypso erwähnt und »Procope, dans son livre sur la guerre gothique, parla encore de cette île, welche also nebst anderen zwischen dem VI. Jahrhundert »où écrivait Procope« und dem XV., wo man wieder genauere Nachrichten über die Küsten Italiens bekommt, »se seront abîmés au sein des eaux«. Was sagt nun Procop (B. G. IV, 22)? Zwischen der Charybdis und Kerkyra ist keine bewohnte Insel, ὥστε πολλάκις ἐγὼ ἐνταῦθα γενόμενος διη

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πορούμην ὅπη ποτὲ ἄρα τῆς Καλυψοῦς νῆσος εἴη· ταύτης γὰρ τῆς θαλάσσης οὐδαμἢ νῆσον τεθέαμαι, ὅτι μὴ τρεῖς οὐ πολλῷ ἄποθεν τῆς Φαιακίδος, ἀλλ ̓ ὅσον ἀπὸ σταδίων τριακοσίων ἄγχιστά πη ἀλλήλων οὖσας. Also sagt Procop gerade, dass keine Insel der Kalypso da ist! Wie in aller Welt nur Lenormant auf seine Behauptung gekommen ist? Und das nennt er »reprendre ab ovo« die geographischen Fragen!

Chap. XII. Von Kroton nach Catanzaro (S. 235-270). S. 241 meint Lenormant, dass »un déplacement manifeste des noms dans le texte de Pline mentionne Pétélia dans l'intérieur des terres, auprès du fleuve Targinès«. Das ist falsch; bei Plin. (3, 96) werden die Flüsse aufgezählt; dann kommt ein oppidum, das nicht bei dem zuletzt genannten Flusse zu liegen braucht. S. 242 vermuthe ich mehrfache Confusion, die in einem Falle nachweisbar ist. Lenormant sagt, die Einwohner von Policastro hätten sich 1647 von Philipp IV. als »Erben der Peteliner proclamiren lassen; nach Corcia Stor. delle due Sic. III, 268 hat es Ferdinand von Neapel 1467 gethan. Wer von Beiden wohl Recht hat? Sicher ist sodann, dass die Stadt Policastro, die Robert Guiscard 1065 nahm, das bekannte Policastro am tyrrhenischen Meer und nicht das obscure Policastro in der Nähe von Cotrone ist, wie Lenormant 242 meint. Die weiteren Schicksale dieses Policastro werden allerdings so, wie Lenormant angiebt, von L. Giustiniani, Dizionario geograf. del regno di Napoli, vol. X, im Nachtrag, erzählt; aber auch hier scheinen Verwechslungen mit dem grösseren Policastro unterzulaufen. S. 244 ereifert sich Lenormant sehr über Irrthümer des armen Barrio. Wer wird denn alle Fehler der Geographen des 16. und 17. Jahrhunderts widerlegen! S. 253 spricht Lenormant von Resten einer alten Stadt am rechten Ufer des Corace. Marincola-Pistoja (S. 256) erkennt darin Crotalla, was Lenormant nicht zugiebt; denn »pour la soutenir (seine Ansicht) cet érudit est obligé d'admettre, que le Carcinès de Pline est le même que le Caicinos de Thucydide, d'Elien et de Pausanias, fleuve qui formait la frontière entre les territoires de Caulonia et de Cotrone, au temps où ce dernier comprenait Scyllétion. Mais c'est ce que je ne saurais admettre«. Hier ist Lenormant in einem schwer erklärlichen Irrthum. Wie kann er sagen, dass der Caicinos des Thucydides, Aelian und Pausanias die Grenze zwischen Caulonia und Scylletion bildete? Nach Thuc. III, 103 fliesst er im Gebiet der Lokrer und nach Paus. VI, 6, 4 trennt er Lokris und Rhegine. Lenormant hat sich diese Stellen offenbar nicht angesehen. Dann fährt Lenormant fort: Wenn man den Crotalus mit dem Corace identificirt, muss man den Alli ohne Namen lassen, und bei Plinius, dem Admiral, eine Ungenauigkeit in der Beschreibung der Küsten annehmen. Und es kann nicht ein Zufall sein, dass Plinius » donne précisément cinq noms de fleuves pour le littoral entre Scylacium et la saillie du mont Clibanus, où cinq cours d'eau se jettent dans la mer: le Corace-Carcinès, l'Alli-Crotalus, le Simmer-Semirus,

le Crocchio-Arocha et le Tacino-Targinès«. Das ist wieder falsch. Diese Flüsse bei Plinius sind nicht die von Scylacium an, sondern vom Vorgebirge Cocinthus (Stilo). »Je maintiens donc la distinction entre le Carcinès, coulant au nord de Scyllétion, et identique au Corace actuel, et le Caicinos coulant à quelque distance au sud de la même ville et correspondant à l'Ancinale de nos jours«. Den Ancinale für den Kaikinos zu halten, ist kein Grund mehr vorhanden, wenn man den Carcines des Plinius für den Corace erklärt, denn der Carcines bei Plinius und der Caicinus sind identisch, verschiedene Lesarten desselben Namens. »Et j'hésite d'autant moins à le faire que Pomponius Méla mentionne sur la côte du golfe Scylacien une ville de Carcinos, juste au même point où Pline met son fleuve Carcinès, c'est à dire à l'embouchure du Corace, au nord de Scylacium«. Mela sagt (S. 48 Parthey), dass am scylacinischen Golfe Petelia, Carcinus, Scyllaceum, Mystiae liegen. Wie da von »juste au même point« die Rede sein kann, mag ein anderer begreifen. »Maintenant le site où Pomponius Méla met Carcinos est exactement le même où Pline mentionne les Castra Hannibalis, entre Scylacium et le Carcinès«. Plinius giebt den Namen sinus Scylacius, nennt die Stadt, von der der Sinus den Namen hat, und weil hier Italien am schmalsten ist, den Ort, an dem das stattfindet: castra Hannibalis, dann die Flüsse, dann eine Stadt im Innern, einen Berg, ein Vorgebirge. Dass daraus hervorgehe, dass Plinius die C. Hann. zwischen Scylacium und den Carcines setze, kann nur der glauben, der nicht Zeit gehabt hat, das Princip der Aufzählung bei Plinius zu berücksichtigen. Lenormant setzt die Castra Hann. auch deshalb an den Corace, weil hier wirklich Italien am schmalsten ist »Que l'on regarde sur la cartea sagt Lenormant (S. 258). Wir haben das gethan und finden, dass dieser schmalste Punkt vielmehr südlich von Squillace ist, wie auch Mannert annimmt. S. 258 ist statt 3000 citoyens zu lesen 300. S. 259 hat Lenormant noch einen anderen Grund für die Ansetzung der C. Hann. nördlich von Squillace, nämlich dass an diesem Punkt Dionys seine Mauer zog »Le simple bon sens indique que le mur de Denys, destiné à protéger contre les incursions des Lucaniens le territoire qu'il venait de créer à ses alliés de Locres, devait embrasser le canton de Scyllêtion, qu'il leur avait donné«. Die Sache ist doch nicht so einfach, wie Lenormant meint; Dionys machte seine Mauer um die Südspitze von Italien abzuschneiden; es kam nicht darauf an, ob die Lokrer ein paar Quadratmeilen mehr geschützt erhielten oder nicht. Die Seiten 256 259 sind ein Muster, wie man historische Geographie nicht betreiben muss. S. 261 ff. spricht Lenormant von Tiriolo und Scip. Cicala, dem berühmten Renegaten.

Chap. XIII Catanzaro (S. 271-328) behandelt das Mittelalter und die Neuzeit. Bemerkenswerth ist das Museum unter der Leitung des verdienstvollen Herrn Marincola-Pistoja, dessen historische Schriften Lenormant vielfach zu Rathe gezogen hat.

Jahresbericht für Alterthumswissenschaft XXVIII. (1881. III.)

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Chap. XIV Squillace (S. 329-447). Wir finden hier eine interessante Abhandlung über das alte Skylletion. Lenormant macht die treffende Bemerkung, dass schon der Name den ionischen Ursprung der Stadt zeigt, freilich weiss man nicht, wann sie gegründet wurde; etwa als Kolophon Siris gründete? - S. 336 finden wir anziehende Betrachtungen über Athene als Meeresgöttin, die Lenormant nach Lykophron Skyletria nennen möchte. Wenn Lenormant 339 von der absence de tout monnayage de cette ville spricht, so möchte man, dass er sich über Sambon S. 358, Planche 24, 37 geäussert hätte, wo doch eine Münze von Skylletion angenommen wird; und zwar entspricht ihr Revers gerade dem, was Lenormant als charakteristisch für Skylletion bezeichnet.

S. 360 ff. behandelt Lenormant die Frage, wo das alte Skylletion lag. Einige Neuere haben geglaubt, dass das moderne Squillace die Lage der alten Stadt hat, Andere, dass das alte Skylletion am Meere lag. Lenormant unterscheidet sehr scharfsinnig: die griechische Stadt lag am Meere; die römische im Lande an der Stelle des heutigen Squillace. Lenormant bestimmt auch den Ort des berühmten Monasterium Vivariense (von den von Cassiodor angelegten vivaria so genannt). Das griechische Skylletion ist wahrscheinlich von Dionys zerstört worden. Nun folgen höchst interessante Betrachtungen über die Hellenisirung dieser Gegend im Mittelalter. Zur Zeit Cassiodor's ist hier alles lateinisch; im 11. Jahrhundert alles griechisch. Die Ursache zur Umwandelung gab die Bilderzerstörung des Leo Isauricus, der merkwürdiger Weise in Italien tolerant war, so dass die Mönche schaarenweise dahin auswanderten. Neue Einwanderungen von griechisch Redenden im 9. und 10. Jahrhundert erfolgten als die Feldherren Basilius' I. und seiner Nachfolger Apulien, Terra d'Otranto, Basilicata und Calabrien den Saracenen wieder abnahmen; nur Apulien wollte nicht wieder griechisch werden. Lenormant entwickelt auch die weiteren Schicksale des griechischen Elements in diesen Gegenden bis in die Neuzeit. Er schliesst mit Notizen über die Familie Pepe, die in Squillace ansässig war.

Das Werk Lenormant's ist höchst anregend, und vortrefflich in der Schilderung der Natur und der modernen Verhältnisse, in den allgemeinen historischen Betrachtungen und in der Anwendung der Numismatik auf die Geschichte (hier jedoch mit Ausnahmen), endlich in der Benutzung und Verarbeitung der neuesten Forschungen Anderer. Man sieht, dass der Verfasser weite Gebiete mit Leichtigkeit beherrscht, wie wenig andere Gelehrte. Die historische Geographie hat er jedoch nur insoweit gefördert, als er die Resultate der Localforschung mittheilt und gut wiedergiebt, und durch eigene Forschung in Betreff der Stadt Skylletion. Was dagegen die eigentlich gelehrte Arbeit in der historischen Geographie, d. h. die Benutzung der antiken Schriftquellen betrifft, so berechtigt sie durchaus nicht zu der von ihm aufgestellten Behauptung, eine Revision dieser Wissenschaft für Grossgriechenland vorgenommen zu haben, und sie ist in einzelnen Fällen so ungenügend,

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