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BOSNIEN

LAND UND LEUTE

*

HISTORISCH-ETHNOGRAPHISCH-GEOGRAPHISCHE SCHILDERUNG

VON

ADOLF STRAUSZ

ERSTER BAND

WIEN

DRUCK UND VERLAG VON CARL GEROLD'S SOHN

1882.

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Vorwort.

Unter den christlichen Bewohnern Bosniens und der Herzegowina war seit jeher der Glaube verbreitet, dass sie das schwere türkische Joch vierhundert Jahre lang tragen müssen, bis dahin aber alle ihre Bemühungen um die Erringung der Freiheit vergeblich seien. Erst nach Verlauf dieser Zeit werde die Stunde der Befreiung schlagen, sei es durch ein Gotteswunder, durch eigene Kraft oder fremde Waffen. Dieser Glaube hatte in dem zum Aberglauben ohnedies stark hinneigenden Volke tiefe Wurzeln geschlagen. Hievon sind in vielen ihrer Lieder und Volksmärchen Spuren zu finden. Diesem Umstande ist es zuzuschreiben, dass sie so lange Zeit mit stoischer Ruhe duldeten und litten, ohne ihrer Unzufriedenheit durch umfassenderen Widerstand energischen Ausdruck zu verleihen; desshalb trugen sie die Verfolgung und Unterdrückung seitens der Türken mit Geduld, ja sie dankten noch gleichsam mit einem lakonischen fala Bogu!" Gott dafür, dass sie diese Leiden ertragen können. Dieser Aberglaube, der in dem fanatischen Volke so dankbaren Boden fand, war Schuld daran, dass jene christlichen Feldherrn, die vor einem Jahrhunderte tapfere Truppen zu ihrer Befreiung in ihr Land führten, in der Hoffnung, dass die unterjochten bosnischen Christen mit Freude und Begeisterung zu den Waffen greifen und im Vereine mit ihnen heldenmüthig kämpfen werden, sich in ihren Berechnungen so arg getäuscht haben. Die Bosniaken fanden die Zeit noch nicht für gekommen und rührten sich nicht von der Stelle.

Die Geduld der bosnischen Christen unter der türkischen Herrschaft steht in der Weltgeschichte ohne Gleichen da. Der Zahl

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